Die Digitalisierung alter Zeitungen ist seit etwa einem Jahrzehnt in vollem Gange. Nun sind in einem Zeitungsportal endlich auch Oberhausener Zeitungen als Digitalisate zugänglich gemacht worden. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei (mit Fraktur-Variante zum Üben): 20221011b_Historische_Zeitungen

Die Digitalisierung alter Zeitungen wird, soviel ist jetzt schon abzusehen, besonders im Bereich der Alltags- und Heimatforschung sowie in der Sozialgeschichtsforschung zu völlig neuen Möglichkeiten führen. Der unter Umständen mühsame Gang in verschiedene Archive, um Zeitungen aus alter Zeit einzusehen, wird mehr und mehr überflüssig. Ein erheblicher Teil des Zeitaufwandes, um Bestände aufzusuchen, zu sichten und durchzuarbeiten, entfällt dank der modernen Technik des Digitalisierens und der Bereitstellung in speziellen Zeitungsportalen.

Grundsätzlich gibt es bei der Erschließung von Zeitungsbeständen widerstreitende Interessen: Soll man die ältesten Bestände zuerst digitalisieren, um diese langfristig dem Publikumsverkehr zu entziehen und so zu erhalten? Oder soll man mit den gefragtesten Beständen – etwa aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – beginnen? Dann stellt sich unweigerlich das Problem der Auswahl.

Ein weiterer Aspekt betrifft die Wahl der Vorlage. Höchsten Qualitätsansprüchen genügt allein die Digitalisierung des Originals. Doch ist dieser Weg relativ teuer und aufwendig, so daß die vollständige Digitalisierung großer (Teil-) Bestände oft Jahre in Anspruch nimmt.

Einfacher und schneller ist die Digitalisierung der Bestände mittels Bearbeitung der Mikrofilme. Dem höheren Materialdurchlauf – die Digitalisierung ist technisch weniger aufwendig – steht eine oft mangelhafte Qualität gegenüber. Oftmals sind Mikrofilme über- oder unterbelichtet bzw. sie reichen grundsätzlich nicht an die Schärfe der Originalvorlagen heran.

Die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe ist den ersten Weg gegangen und hat bereits seit mehreren Jahren zumindest die Karlsruher Bestände in höchster Qualität digitalisiert.1 Die Suche kann sowohl über eine Kalenderfunktion (alle an einem bestimmten Tage erschienenen Zeitungen werden angezeigt) als auch über den Zeitungsnamen erfolgen.

Die gleichen Gliederungsebenen gibt es auch bei https://zeitpunkt.nrw/, dem Portal für historische Zeitungen aus Nordrhein-Westfalen. Hier ist man den Weg gegangen, die Bestände fast durchgehend mittels Digitalisierung von Mikrofilmen zu erschließen. Eine ungeheure Materialfülle von fast 12,5 Millionen Zeitungsseiten steht eine teilweise, zum Glück recht selten vorkommende mangelhafte Qualität der Digitalisate gegenüber.

Die das Oberhausener Gebiet betreffende Zeitungen sind über die Ortssuche zu ermitteln.2 Nach und nach sollen die Bestände vervollständigt werden.3 Noch fehlen beispielsweise „General-Anzeiger“, „National-Zeitung“ „Rhein- und Ruhrzeitung (Oberhausen)“ und „Der Neue Tag“.

Ein Kernproblem besteht in der Erfassung der Bestände mittels Volltextsuche. Sogenannte OCR-Programme, die Vorlagen selbst mäßiger Qualität in Antigua-Schrift (das ist die heute gebräuchliche Schriftform) zu lesbaren und damit durchsuchbaren Dateien umwandeln, bieten heute als freie Standardprogramme bereits sehr brauchbare Ergebnisse.4

Die Frakturschrift stellt nicht zuletzt wegen ihrer typischen Verschnörkelungen besonders der Großbuchstaben und wegen der Ligaturen (das sind zwei Kleinbuchstaben, die in bestimmten Kombinationen miteinander verbunden sind5) nach wie vor große Probleme für die automatische Texterkennung dar.

In den letzten Jahren haben zumindest die kommerziellen OCR-Programme bei der Fraktur enorme Fortschritte gemacht, so daß nicht nur die hochwertigen Bestände der Badischen Landesbibliothek, sondern auch die zeitpunkt.nrw-Bestände trotz gewisser Einschränkungen durchsuchbar sind (zur Zeit knapp 8,4 Millionen Seiten). Die technische Verbesserung wird in vielleicht langsamerem Tempo voranschreiten, aber sie wird auf die Dauer die qualitativ weniger guten Bestände ebenfalls weitgehend les- und durchsuchbar machen.

Wer nicht gerade „Müller“ oder „Schmidt“ heißt, wird mit Glück durch eine Volltextsuche vielleicht einen als Verbrecher gesuchten Urgroßonkel entdecken (gut dokumentiert durch Personenbeschreibungen in Fahndungsaufrufen). Oder man kann den Fußball-Ligaspielbetrieb in den 1920er Jahren rekonstruieren. Oder nachlesen, was 1930 Fußball-Deutschland erschütterte und wer Wilhelm „Willi“ Nier war.6

Alte Zeitungen sind nicht zuletzt dadurch eine interessante Lektüre, weil sie durch Kleinanzeigen und Kurzmeldungen Einblicke in das Alltagsleben längst vergangener Zeiten bieten. Aber auch die Kommunalpolitik jener Zeiten läßt sich genau nachzeichnen; jedenfalls das, was öffentlich sichtbar war. Digitalisierte Zeitungen werden nicht dazu führen, daß Geschichte umgeschrieben werden muß. Aber sie machen die Forschung facettenreicher.

In diesem Sinne laden wir die Leser zu einer Zeitreise in den Oktober 1930 ein, als der Oberhausener Stadtrat mitten in der Weltwirtschaftskrise nach neuen Einnahmequellen für die Stadt suchte. Die Oberhausener Ruhrwacht berichtete in ihrer Ausgabe vom 29. 10. 1930 auf zwei Seiten ausführlich über die Ratssitzung vom Vortage. Diese sind als Anhang diesem Text beigefügt.


2Neben der Sucheingabe auf der Startseite ist auch die Anwahl der Unterseite „Ortssuche“ möglich: https://zeitpunkt.nrw/place/list

3Über „Mitteilungen“ auf der Startseite, gelangt man zur Unterseite https://zeitpunkt.nrw/wiki/announcements, die in der ersten Zeile einen Facebook-Link enthält. Dort findet man stets aktuelle Hinweise zum Bearbeitungsstand: https://m.facebook.com/groups/186939308645008

4Eine Bilddatei erhält eine zweite Ebene, auf der die Bildinhalte (Buchstaben) in durchsuchbare Texte abgelegt werden. Nach dieser Bearbeitung mit OCR-Programmen ist der so behandelte Bestand wie eine normal erzeugte Textdatei (inzwischen sind auch lesbare pdf-Dateien Standard) maschinenles- und durchsuchbar.

5Die alte Regel „Trenne nie s-t, denn es tut ihm weh!“ ging auf die Ligatur (Verbindung) dieser beiden Buchstaben in der Frakturschrift zurück.