Die Tagesordnung illustrierte wieder einmal, welche Tätigkeiten der Integrationsrat als Schwerpunkte betrachtet. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei:  20240301b_Integrationsrat_20240220

Desinteresse an der Selbstorganisation.

Nach der Einführung eines neuen Mitgliedes des Integrationsrates zu Sitzungsbeginn gegen 17 Uhr betrafen die beiden nächsten Punkte der Tagesordnung zwei Vorlagen zur Änderung der Geschäftsordnung des Integrationsrates (B/17/4493-01) bzw. der Richtlinien für den Arbeitskreis Personal und Organisation (B/17/4492-01).

Die Vorsitzende beschränkte sich jeweils auf die Verlesung der erfolgten Änderungen, ohne irgendwelche Erläuterungen oder Begründungen für die vorgenommenen Änderungen. Nachfragen oder Wortmeldungen seitens der Mitglieder des Integrationsrates gab es dazu nicht.

Die Anträge wurden jeweils einstimmig bei Enthaltung des AfD-Vertreters nach dem Grundsatz der Nichteinmischung in innertürkische Angelegenheiten angenommen.

Sachstand zur „Vielfalt“-Kampagne.

Zum Punkt 4 „Vielfalt ist meine Heimat – Sachstand“ lieferte Geschäftsführer Telli den üblichen Bericht ab. Herr Telli kommentierte eine präsentierte Photographie der Demonstration auf dem Friedensplatz vom 24. 1. 2024. Das Bild bringe es auf den Punkt: „Jetzt reicht‘s“. Es sei in geheimen Sitzungen um Deportationen gegangen. Jetzt seien auch Familien da gewesen, die für Demokratie und gegen Rassismus und Ausgrenzung demonstrierten. Jetzt sei die Frage, wie es weiter gehe im Kampf für Demokratie und Menschenrechte. Die Demokratiefeinde hätten die Maske fallen gelassen, sie planten einen Systemwechsel und den Abbau der Demokratie. Er sei auch auf der Demonstration in Essen gewesen. Früher habe man nur die Üblichen getroffen. Jetzt erreiche man viel mehr Leute. Es herrsche das Gefühl vor, da sei irgendeine Gefahr, man müsse etwas tun.

Frau Demirci nennt „die Vielfalt“ eine fest Größe in Oberhausen. Das werde immer mehr anerkannt; besonders nach der Kampagne auf dem Friedensplatz. Der letzte Demokrat habe begriffen, worum es gehe. Es gebe eine größere Resonanz, wie gefährlich der Rechtsextremismus sei für die freiheitlich-demokratische Grundordnung; „sie wollen unseren Staat abschaffen“. Es gehe um den täglichen Einsatz, daß die Demokratiefeinde „unser Zusammenleben“ nicht stören.

Herr Aksünger erklärt, er sei auch auf dem Friedensplatz gewesen; man habe Familien mit Kindern gesehen. Jetzt sei die Frage, was man den Leuten bieten könne, damit es weiter gehe; „damit wir gegen die Faschisten zusammenstehen“.

Herr Telli erklärt, das Jobcenter wolle Teil der „Vielfalt“-Kampagne sein. Am 14. 3. 2024 gebe es eine Konferenz der mittleren und der Führungsebene, um die Teilnahme an der Kampagne vorzubereiten.

Ferner, so Herr Telli, werde er in der nächsten Sitzung über den Stand der Dinge bei der ASO zwecks Teilnahme an der Kampagne berichten.

Gegen Rassismus – und andere Aktionen.

In Punkt 5 ging es um eine weitere Aktion, nämlich „Internationale Wochen gegen Rassismus“.

Die Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus beschreibt ihre grundlegenden Ziele wie folgt:

Die Stiftung will gesellschaftliche Lernprozesse anregen und umsetzen, mit denen dazu beigetragen werden kann, Rassismus und Gewalt gegen Personen mit Migrationsgeschichte zu überwinden. Essentiell für den Abbau von ablehnenden Einstellungen und rassistischem Denken ist die Förderung von Kontakten zwischen Menschen mit und ohne Rassismus-Erfahrungen. Dafür setzt sie den Fokus auf das persönliche Engagement aller Bürger und Bürgerinnen, die für eine menschenfreundliche Gesellschaft einstehen und ihre Stimme erheben.“

Offenbar gibt es auch in Oberhausen „Rassismus und Gewalt gegen Personen mit Migrationsgeschichte“. Wir empfehlen den weißen Mehrheitsangehörigen den Aufsatz von Toan Quoc Nguyen „Offensichtlich und zugedeckt“ – Alltagsrassismus in Deutschland, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, zur Einführung in das Thema.

Die diesjährigen „Wochen“ finden vom 11. bis 24. 3. 2024 statt. Auch der Integrationsrat beteiligt sich an dieser Aktion. Das, so Herr Telli, sei ein besonderer Wunsch des Oberbürgermeisters und des Stadtkämmerers, weil das Land diese „Wochen“ massiv unterstützt.

Nach den bisherigen Erfahrungen habe es sich bewährt, niederschwellige Filmangebote, die problematische Themen behandelten, zu machen. Wie erreiche man unterschiedliche Leute; das gehe mit Filmen am besten, die man danach mit Experten besprechen könne. Letztes Jahr habe man über 100 Teilnehmer gehabt. Man werde drei Filme zeigen.

Die Tafel möchte wahrgenommen werden; nämlich, daß sie mehr leiste als nur Essen auszugeben. Man habe ihr das Angebot gemacht, bei den „Wochen“ mitzumachen. Der Film „Sterne zum Dessert“ über einen algerischen Jungen, der zum berühmten Koch aufsteigt, sei, so Herr Telli, als Anknüpfungspunkt für die Tafel zu verstehen.

„The Persian Version“ hat den Exodus der iranischen Oberschicht Ende der 1970er Jahre zu Thema. Gezeigt wird die Geschichte einer Familie, die in die USA emigriert und dort feststellt, daß die Umgewöhnung nicht einfach ist. Als die Tochter lesbisch wird, wird die Familie damit nicht fertig. Die Vergangenheit hole einen ein, man müsse sich mit verschiedenen Wertvorstellungen auseinandersetzen.

Der Film „Rückkehr nach Korsika“ handelt vom Leben einer Afrikanerin, die mit ihrem Ehemann auf Korsika lebt. Als dieser unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, zieht sie, um den Gerüchten über sie zu entgehen, mit ihrem Kind nach Paris. Dort arbeitet sie als Hausangestellte einer reichen Familie. Als diese ihr anbietet, in dem Ferienhaus der Familie auf Korsika ihren Urlaub zu verbringen, kehrt sie nach dort zurück; an den Ort, wo sie traumatisiert wurde.

Die Filmaufführungen seien voll finanziert; den Löwenanteil zahle „Demokratie leben“. Der Besuch der Filme koste nichts. Es sei eine Anmeldung erforderlich. Man wolle, so Herr Telli, nicht die Unrichtigen einladen, welche die Veranstaltung stören.

Daran schloß sich eine kurze Debatte an mit dem Hinweis einer Anwesenden, vor vielen Jahren habe es eine „Internationale Woche“ in Osterfeld gegeben. Jedes Jahr habe es ein großes Fest gegeben mit einer Bühne und Eßständen. Irgendwann sei das vermutlich von der Kirchengemeinde organisierte Fest nicht mehr ausgerichtet worden. Ob man nicht daran anknüpfen könne?

Frau Erdas schlug vor, Erkundigungen danach anzustellen, wie man das Fest wiederaufleben lassen könne.

Unter Punkt 6 „Elsa-Brändström-Gymnasium und der Integrationsrat – eine modellhafte Zusammenarbeit im Stadtteil“ hielten die Schulleiterin und deren Stellvertreterin gemeinsam abwechselnd einen Vortrag über die pädagogischen Leitbilder und Ziele der Schule. Frau Pollara-Gennaro, Frau Demirci, Herr Aksünger, Herr Babic und Herr Ejodamen äußerten sich positiv über den Vortrag. Letzterer bedankte sich „im Namen der afrikanischen Völker“ und bot seitens NIVID Unterstützung bei der Zusammenarbeit mit dem Integrationsrat an.

Zu Punkt 7 „Kooperation mit dem Jugendparlament“ sprach die Vorsitzende des Jugendparlaments davon, man wolle als Folge der Demonstration vom 24. 1. 2023 eine „Vielfalt“-Reihe konzipieren.

Herr Telli kündigte an, am 17. 5. 2024 im Elsa-Brandström-Gymnasium in der 3. und 4. Stunde den 9. und 10. Klassen den Film „Stimmen aus der Heimat“ vorführen. Es gebe in Oberhausen 13 weiterführende Schulen; der Film solle dort ebenfalls gezeigt werden. Er rechne damit, daß sich weitere Schulen dem „Elsa“ anschließen würden.

Ferner: Die Jugend möchte auch draußen Haltung zeigen. Es gebe deshalb einen Kapuzenpulli mit dem „Vielfalt“-Emblem.

Der Vortrag unter Punkt 8 „Berufliche Perspektiven für Jugendliche im Zusammenspiel Eltern – Agentur für Arbeit – Integrationsrat.“ entfiel, da der Referent anderweitig verhindert war.

Gemeinwesenarbeit in Lirich.

Unter Punkt 9 „Gemeinwesenarbeit als Demokratisierungsarbeit am Beispiel Oberhausen-Lirich, Beschlussvorlage (B/17/3074-01) – Sachstand.“ gab die Vorsitzende Frau Erdas bekannt, daß man alle Fragen sammele und diese dem Beigeordneten Tsalastras zur Beantwortung übergebe. Die Anwesenden hatten keine Fragen.

Ungewöhnlich war, daß sich Frau Demirci mit einer Beschwerde zu Wort meldete. Es sei sträflich, daß man noch keinen Kontakt zu den Lirichern hergestellt habe. Unter Bezugnahme auf die Begründung der Vorlage weist sie auf die Ziele bzw. Aufgaben hin. Die Lebensverhältnisse können einen „Resonanzboden für rechte Orientierungen“ abgeben. Mögliche „Angebote“ seien Integration, Interkulturalität usw. sowie Analysen von Wahlergebnissen. Die Angebote selbst sollten sozialraumorientiert sein und lokale Bezüge aufweisen sowie niedrigschwellig.

Nach einem Jahr habe ein Berg eine Maus geboren: „Wir erlauben uns den Luxus, ein Jahr vorbeiziehen zu lassen.“ Die Verantwortlichen hätten noch nicht daran gedacht, den Beschluß zeitnah umzusetzen. Die Vorsitzende möge beim Oberbürgermeister intervenieren.

Frau Erdas sicherte zu, dieses zu tun.

Mitteilungen und Anfragen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Sitzungen gab es dieses Mal unter Punkt 10 kurze Informationen zu Themen, die aktuell von besonderem Interesse für den Integrationsrat sind. Es referierte wiederum Geschäftsführer Telli.

  • Staatsbürgerschaft: Jetzt sei durch die letzten gesetzlichen Änderungen die doppelte Staatsbürgerschaft möglich. Man fange bei der Einholung der Informationen zur neuen Gesetzeslage mit der größten Gruppe in Oberhausen an: mit den Türken. Man werde dazu mit dem Generalkonsulat Düsseldorf Termine vereinbaren.

    Herr Erdogan beklagte 8 Monate Wartezeit für einen Termin im Ausländeramt. Daran schließen sich Wortbeiträge von Herrn Babic, Herrn Karacelik und vom Beigeordneten Schmidt an.

  • „Netzwerk Unternehmer*innen mit Einwanderungsgeschichte“: Es handelt sich um das bisher als „migrantische Ökonomie“ und „ethnische Ökonomie“ bezeichnete Projekt. Der nächste Termin ist der 24. 4. 2024. Es gehe um das Thema „Beschäftigtenqualifizierung“.

    Herr Babic unternahm es, aus seiner beruflichen Kenntnis heraus die grundlegende Bedeutung des Begriffs zu erläutern.

  • Sommerempfang des Integrationsrates: Dieser findet am 23. oder 30. 8. 2024 statt.

  • Die App Integreat sei online gegangen.

    Hinweis: In der Sitzung des Integrationsrates am 5. 12. 2023 hatte ein Vertreter des Kommunalen Integrationsmanagements die Plattform „Integreat APP“ vorgestellt und an einem Schaubild den Ablauf von dem Beschluß bis zur Einführung vorgestellt.

Gegen 18.25 Uhr war die Sitzung beendet.