Anmerkungen zu einem Parteiaustritt. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20220216b_Witt_Austritt

Es ist bei Austritten von Mandatsträgern aus der AfD ein ewig wiederkehrendes Schema: Die AfD, der man voller Idealismus beigetreten sei, habe sich immer weiter nach rechts bewegt. Lange habe man vergeblich versucht, sich dieser Tendenz entgegenzustellen, aber dann sei es endgültig notwendig geworden, der AfD den Rücken zu kehren.

Die Frankfurter Allgemeine meldete am 30. 12. 2021, die AfD-Abgeordneten Johannes Huber und Uwe Witt hätten die AfD-Bundestagsfraktion verlassen. Witt „als Vertreter der moderaten Strömung in der Partei“ habe seinen Schritt mit „Grenzüberschreitungen“ von AfD-Mitgliedern begründet. Witt hat demnach laut eigenem Bekunden immer „klare Positionen in Bezug auf parteiinterne Vorgänge“ artikuliert und Konsequenzen angekündigt, falls „diese benannten Grenzüberschreitungen innerhalb der Partei die Bundestagsfraktion erreichen sollten oder der Bundesvorstand keine klare Kante bei Grenzüberschreitungen von Parteimitgliedern beweist“.

Gegenüber der Tagespost hat Witt am 28. 1. 2022 einen Entfremdungsprozeß beschrieben: Er sei bis zur Auflösung 2019 Sprecher der „Alternativen Mitte“ gewesen. „Den Ausschlag zum Parteiaustritt habe schließlich ein Erlebnis mit einem anderen AfD-Bundestagsabgeordneten gegeben, der an seinem Revers das Abzeichen einer rechtsextremen Organisation gehabt habe.“

Herr Witt verschweigt gerne, daß es bei der Auflösung des „Flügels“ und auch der „Alternativen Mitte“ in NRW um Maßnahmen des seinerzeitigen Landesvorstandes unter Rüdiger Lucassen gehandelt hat, um die bekannte Fraktionierung des Landesverbandes aufzubrechen. Beide – Flügel und AM – waren Anachronismen, die innerhalb des Landesverbandes die Spaltung tendenziell verfestigten. Der unbedarfte Leser hingegen muß aus dem Kontext schließen, daß es sich um eine bundesweite „Mitte“ gehandelt hat, die einem parteipolitischen Rechtsruck zum Opfer gefallen sei.

Die Begegnung mit dem ungenannten AfD-Abgeordneten mit dem Abzeichen der ungenannten rechtsextremen Organisation am Revers ist für Witt offenbar ein quasireligiöses Erweckungserlebnis gewesen. Hoffen wir für seine Gesundheit, daß er von weiteren Erscheinungen dieser Art verschont bleibt.

Es gibt vielleicht doch einen ernsthaften Grund für den Parteiaustritt Witts. Laut Tagespost habe ihm – Witt – ein CDU-Abgeordneter einmal gesagt, das Ziel, Deutsch als Sprache im Grundgesetz zu verankern, sei von der CDU seit Jahren ohne Erfolg versucht worden: „Aber jetzt, nachdem ihr das vorgeschlagen habt, ist das Thema für uns verbrannt.“

Witt schiebt die Schuld für diese Reaktion auf die AfD, die in ihrer Argumentation total überzogen habe. Wir können nur bemerken, daß dieses Argument bestenfalls naiv zu nennen ist.

Die politische Arbeit der AfD wird auf allen drei Ebenen – Bund, Land, Kommunen – in den jeweiligen Volksvertretungen systematisch boykottiert. Alles, aber auch wirklich alles, was von der AfD vorgebracht wird, wird abgelehnt. Auch die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz – wofür eigentlich, wenn es immer weniger Deutsche gibt? – bietet dafür ein Beispiel. Fast hat man den Eindruck, als habe Witt nie verstanden, worum es für die AfD im Politikbetrieb geht.

Die Aufgabe der AfD besteht nicht darin, in Parlamenten, Landtagen oder Kommunalvertretungen durch ihre Aktionen auf die Stimmen anderer Fraktionen abzuzielen. Die Aufgabe besteht darin, durch sachbezogene Arbeit die Wähler vom eigenen politischen Handeln und Wollen zu überzeugen. Das Ziel muß ein Mehr an Wählerstimmen sein, um darüber Wirkung zu erzielen. Der Weg des Rassemblement National unter Marine le Pen in Frankreich zeigt auf, wie man langfristig agieren muß. Die Kritik, daß Politiker der etablierten Parteien immer nur bis ans Ende der Wahlperiode denken, muß die Einsicht gegenüberstehen, daß man selber diese Tatsache auch für sich entdeckt. Aber nicht jeder hat diesen langen Atem.

Uwe Witt hat doch noch eine politische Heimat gefunden; nämlich bei der Zentrumspartei. Auf abgeordnetenwatch.de hat er am 1. 2. 2022 seinen Wechsel dorthin wie folgt begründet:

„Mit der Zentrumpartei habe ich eine echte politische Oppositionspartei gefunden, die tief und fest in der Demokratie verwurzelt ist und fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Ich freue mich christlich soziale und menschengerechte Politik für die Zentrumspartei im Deutschen Bundestag machen zu dürfen.“

Wir sehen Uwe Witt in einer Reihe mit Uwe Kamann, Frauke Petry, André Poggenburg, Jörg Meuthen und anderen, die allesamt die Erfahrung haben machen müssen, daß sie ohne die AfD nur politische Randfiguren sind, die, ohne Spuren zu hinterlassen, verschwinden werden. Auch Witt wird diese Erfahrung machen müssen.