Die Schiffstour auf dem Rhein, welche am 2. September federführend von der AfD-Ratsfraktion durchgeführt worden war, bot den äußeren Rahmen für einen politischen Gedankenaustausch. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20230923b_Schiffstour_Nachlese_Cassel

Felix Cassel.

Der NRW-Landesvorsitzende der Jungen Alternative äußerte sich in seiner Rede zu grundsätzlichen Fragen, das Verhältnis JA – AfD und die politische Strategie betreffend. Seit der Kommunalwahl 2020 ist er Bezirksverordneter in der Bezirksvertretung Bonn. Der 26jährige studiert Rechtswissenschaften an der Uni Bonn.


Bild 1: Gegen 17 Uhr treffen die ersten Gäste an der Anlegestelle ein, die sich nach und nach füllt. In kleinen Gruppen unterhält man sich, unter ihnen im Gespräch Alexander Cassel.



Bild 2: Nach dem Einschiffen und vor dem Veranstaltungsbeginn sammeln sich die Anwesenden in kleinen Gruppen auf dem Oberdeck. Einige unterhalten sich, andere erkunden das Schiff oder genießen bei dem herrlichen Wetter die Aussicht.


Cassels Rede beim Zukunftskongreß.

Die Jugend ist unsere Zukunft.“ Diese Aussage hört man so oder so in der Art oft von den progressiven Kräften in unserem Land – egal ob Grüne, SED, SPD oder FDP. Durch die Fokussierung auf die Jugend versuchen sie – ihrem progressiven Naturell folgend – ihre programmatischen Hoffnungen in das zu setzen, was erst noch kommt. Denn schließlich gilt bei ihnen morgen schon als veraltet, was gestern noch neu war und muß somit überkommen werden.

Ob soziale Gerechtigkeit, die Rettung vor dem Klimawandel oder inzwischen gleich das Überleben unserer Demokratie per se: Alles wird in die Hände der Jugend gelegt. Deshalb braucht es dann auch Kinderrechte im Grundgesetz, langzeitstudierende Klimakleber müssen ernst genommen werden, ebenso Grundschüler, die freitags statt der Schule den Hofgarten mit selbstgebastelten Papplakaten besuchen und das Wahlrecht müsse bereits ab 16, 14 oder direkt ab Geburt gelten, immerhin seien wir ja eine Demokratie.

Der erste Reflex auf solche Forderungen und damit auch auf die ihnen zugrunde liegende Prämisse, daß die Jugend unsere Zukunft sei, ist, das genaue Gegenteil zu behaupten und die Erfahrung hat gezeigt: Oft liegt man damit gar nicht so falsch. In unserem konkreten Fall würde das bedeuten: „Die Jugend ist nicht unsere Zukunft“ oder populistischer formuliert – und wie wir dank Haldenwang wissen, sind wir ja alle böse Populisten – „Die Jugend ist unser Untergang.“

Aber ist sie das wirklich? Einiges spricht immerhin dafür. Schauen wir uns die Altersverteilung der Parteien an, sehen wir, daß die meisten jungen Abgeordneten bei den Grünen, der SPD und der FDP zu finden sind. Grüne, FDP und SED haben das geringste Durchschnittsalter bei ihren Mitgliedern und waren die Protestbewegungen in den 68ern „wenigstens“ noch von Studenten geprägt, sind es im 21. Jahrhundert hauptsächlich Schüler.


Bild 3: „… und dort dem Zeitgeist auf ihre jeweils eigene Art die Stirn bietet. Eine Jugend, die sich vernetzt…“


Aber auch abseits des politischen Feldes scheint es auf den ersten Blick nicht gut um die Jugend zu stehen. So haben sich die Zahlen der depressiven Jugendlichen seit der Jahrtausendwende versiebenfacht und die depressiver Kinder sogar verzehnfacht – und die Zahlen stammen von 2017 – also noch bevor die Jugend unseres Landes in einen Zwangshausarrest gesteckt wurde und nur noch per Bildschirm unterrichtet wurde. Dadurch kamen noch einmal eine halbe Millionen Jugendliche mit Depressionen hinzu.

Hinzu kommen Eßstörungen, Fettleibigkeit, stark zunehmende Geschlechtsdysphorie, Telefon- und Bildschirmsucht, Hyperaktivität, Konzentrationsstörungen und eine zunehmende Orientierungslosigkeit. Also doch alles verloren?

Zum Glück nicht – und das sage ich nicht nur in meiner Funktion als Landesvorsitzender der Jungen Alternative Nordrhein-Westfalen, sondern auch als jemand, der im rechten Spektrum in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Nationen bereits viele Beispiele dafür kennenlernen durfte, daß eben noch nicht alles verloren ist und die Jugend nicht unser Untergang, sondern unser Weg raus aus dieser nationalen Depression und Degeneration ist.

Ich erlebe zunehmend eine Jugend, die ihr Leben in die eigene Hand nehmen will und diesem Leben eine größere Aufgabe zuordnet als grenzenloser Konsum und grenzenlose Toleranz. Eine Jugend, die gleich dem „Wandervogel“ ihr Heil nicht in einem immer weiter voranschreitenden wie auch immer gearteten Fortschritt sucht, sondern sich gezielt zurückbesinnt, auf das, was in der Lage ist, Jahrzehnte und Jahrhunderte zu überdauern. Eine Jugend, die bewußt nonkonform auftritt und bereit ist, für ihre Überzeugungen erhebliche Nachteile im gesellschaftlichen, beruflichen und privaten Leben in Kauf zu nehmen.

Eine Jugend, die sich nicht nur in der AfD oder der JA engagiert, sondern in vielen kleinen lokalen Nestern des Widerstands, wie sie sich Codreanu gewünscht hat, und dort dem Zeitgeist auf ihre jeweils eigene Art die Stirn bietet. Eine Jugend, die sich vernetzt, weiterbildet. Eine Jugend, die vorangeht.

Diese subjektiven Erfahrungen spiegeln sich auch in den Wahlen im Osten wider, bei denen junge Wähler überdurchschnittlich oft die AfD gewählt haben. Ein Trend, der sich auch im Westen abzeichnen wird.

Es ist also noch nicht alles verloren und die Jugend ist nicht unser Untergang. Aber was fangen wir dann mit der Jugend an? Lautet die Konsequenz nun auch Wahlrecht ab 16, vom Gymnasium ins Mandat und Fridays fürs Volk? Natürlich nicht.

Aber wir müssen junge Menschen als Partei Anknüpfungspunkte geben, wo sie dafür bereit sind, sie in ihren Überzeugungen dahin bringen, bei uns anknüpfen zu wollen und sie dafür begeistern, diese Überzeugung weiterzugeben. Und hier kommen wir als Junge Alternative ins Spiel.

Ich durfte bereits in einigen Kreisverbänden meinen Vortrag: „JA – nur was für junge Leute?“ halten, in dem ich mich unter anderem mit der zunächst einfach klingenden Frage auseinandersetze: Wofür braucht es eigentlich eine Jugendorganisation?

An dieser Stelle würde ich die Frage zunächst in die Runde geben: Also – wofür braucht es eine Jugendorganisation?

Neben den genannten Antworten konnte ich drei übergeordnete Punkte ausmachen:

Zum ersten dient sie der niedrigschwelligeren Anschlußfähigkeit einer politischen Partei für junge Menschen. Die Jugendorganisation vermittelt bereits durch ihre Existenz die Botschaft: Unsere Politik ist nicht nur etwas für Erwachsene und meines Erachtens noch wichtiger: Hier versammeln sich gleichgesinnte Altersgenossen miteinander und tauschen sich auch abseits der Politik aus. Gerade dieser Aspekt der Gemeinschaft ist ein elementarer jedoch oft unterschätzter Punkt.

Zum zweiten dient eine Jugendorganisation der Organisation der Jugend innerhalb der Partei und der bewußten Bündelung und Artikulation ihrer Interessen. So kann die Jugend auch programmatisch den Volksanspruch der Partei ergänzen und abrunden und sich dabei selbst über ihre eigenen Vorstellungen im Klaren werden.

Zum dritten kann eine Jugendorganisation auch strategischen Gesichtspunkten in der Parteipolitik dienen – gerade dieser Punkt wird von Grünen, SPD und SED mit Bravour betrieben und in unserer Partei hingegen aus verschiedenen Gründen komplett geleugnet. Eine Jugendorganisation kann in politischen Debatten vorpreschen und den Debattenraum somit für die Partei in einem Sinne weiten, in dem sie es selber nicht könnte. Was ich damit konkret meine, ist folgendes – hier ein Beispielszenario: Eine Ricarda Lang oder ein Kevin Kühnert stellen eine radikale Forderung auf. Alle sind sich irgendwie einig, daß diese Forderung etwas übers Ziel hinaus geht, läßt sie ihnen aber aufgrund ihres Alters durchgehen. Es liege bestimmt einfach an ihrem jugendlichen Drang und so weiter. Nun kommt die Mutterpartei und erhebt eine gemäßigtere Forderung in diesem zuvor ausgeweiteten Raum wirkt sie auf einmal als deutlich vernünftiger, als sie gewirkt hätte, hätte es nicht im Vorfeld die radikale Forderung gegeben. Konkret: Zuerst wird von der Grünen Jugend die Aufnahme aller Flüchtlinge von überall und deren Vollversorgung gefordert. Ein paar Tage später legt die Bundestagsfraktion der Grünen einen Gesetzesentwurf vor, der zwar weiterhin die Aufnahme aller legaler und illegaler Flüchtlinge fordert, der aber auch von Sachleistungen statt einer Vollversorgung spricht. Klingt doch schon vernünftiger oder?

Dieser strategische Vorteil kann sich dabei geplant oder organisch ergeben und dazu dienen, die eigenen Vorstellungen besser zu positionieren. Was wir aktuell noch jedoch zumeist in der AfD erleben ist eine Zensur junger oder radikalerer Ideen aus Angst vor Konsequenzen durch die Schlapphüte des Verfassungsschutzes. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Vorgehen gegen den ehemaligen Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative Marvin Neumann. Doch wo hat uns diese Selbstzensur bisher hingebracht? Bestimmt wurde dadurch noch niemand hier im Raum zu einem Staatsbankett eingeladen und in der nächsten Pressemitteilung heißt es auch nur, man habe sich weiter radikalisiert.

Es wird also Zeit, daß wir diese strategische Stärke nutzen, den Krieg der Partei gegen die Partei oder genauer – gegen die Jugend in der Partei beenden und geschlossen und gemeinsam nach vorne gehen, in Richtung eines besseren Deutschlands. Dieser Abend organisiert durch die Ratsfraktion Oberhausen unter dem Vorsitz von Wolfgang Kempkes und unter Einbindung der Jungen Alternative ist bereits ein schönes Zeichen und ich freue mich auf die weiteren Gespräche und Fragen im Anschluß an die Rede.

Zum Schluß möchte ich noch alle im Raum, die unter 36 Jahre jung und noch nicht in der JA sind, dazu aufrufen, zu uns zu kommen: „Wir haben – wirklich – Platz!“

Und wenn Salvador Dali sagt: „Das größte Übel der heutigen Jugend besteht darin, daß man nicht mehr dazugehört.“ kann ich alle über 36 beruhigen. Sie können weiterhin dazugehören, wir haben auch Fördermitgliedschaften.

Vielen Dank!


Bild 4: Nach dem Ende der Grußworte und Vorträge geht es ans Essenfassen. Das Buffet ist reichhaltig, schmeckt und wird restlos „abgeräumt“.