Erstmals fand eine Ratssitzung im neuen (alten) Ratssaal statt. Eine weitere Neuerung bestand in der filmischen Aufnahme des gesamten öffentlichen Teils der Sitzung. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20231008b_Rat_20230925_03

Konzeptionelle Planungen.

Eine Arbeit, die weitgehend im Hintergrund läuft, besteht in der Entwicklung von Konzepten zur Er- und Bearbeitung von grundsätzlichen Fragestellungen. Eine seriöse Abschätzung der Relation von Aufwand und Ertrag ist kaum möglich.

Unter Punkt 10 der Tagesordnung wurde der Masterplan Wirtschaft Oberhausen – Version 2.0 (B/17/3829-01) behandelt. Es gab eine Debatte, an der sich auch der Stadtverordnete Blanke (GRÜNE) beteiligte. Letzterer war nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit zu Sitzungsbeginn vom Oberbürgermeister unter allgemeinem Beifall persönlich begrüßt worden.

Nach internen Vorarbeiten war der Masterplan am 14. 9. 2020 – also noch vor dem Einzug der AfD in den Stadtrat – vom Rat als Vorlage B/17/5945-01 beschlossen worden. Er sollte die im Rahmen der Stadtentwicklung zu verfolgenden Leitziele und Schwerpunktprojekte unter Benennung der personellen und finanziellen Ressourcen festlegen. Ein Lenkungskreis, der aus dem Oberbürgermeister und Vertretern von Wirtschaftsförderung, Industrie- und Handelskammer, Unternehmerverband, Kreishandwerkerschaft, Agentur für Arbeit, DGB und Fraunhofer Institut UMSICHT bestand, sollte die Inhalte festlegen und die Abarbeitung des Masterplans dokumentieren.

Der Bericht M/17/2990-01 vom 25. 1. 2023 dokumentierte die bis dahin erledigten Arbeiten und kündigte den Ausbau des Lenkungskreises zu einem „Wirtschaftsbeirat“ an; u.a. durch Hinzuziehung von Vertretern des gewerblichen Mittelstandes. Ferner flossen Teilpläne in den Masterplan ein; so der Masterplan Neue Mitte (B/17/1980-01), die Etablierung eines Gründer-Ökosystems in Oberhausen (B/17/2386-01), die Smart City Strategie (M/17/2788-01) sowie (geplant) ein Wirtschaftsflächenkonzept und ein Masterplan Tourismus.

Die 19seitige Broschüre B/17/3829-01 stellte den augenblicklichen Sachstand der Entwicklung und Umsetzung des Masterplans dar. Zur Debatte selbst:

Herr Benter (CDU) spricht von dem Masterplan als einen schönen Punkt. Man habe den Plan vor drei Jahren beschlossen und sieben Ziele formuliert, welche bereits umgesetzt worden seien. Bei drei Zielen sei man dabei, diese umzusetzen. Er freue sich schon auf die Version 2.0.

Herr Blanke (GRÜNE) kündigt für die GRÜNEN eine Enthaltung an und begründet das mit drei Beispielen.

  • In der Broschüre werde bei der Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten durch eine visuelle Verknüpfung suggeriert, daß der Masterplan der Grund des Wachstums sei. Das sei schwierig nachzuvollziehen; und man würde eine Begründung dafür erwarten dürfen.

  • Die Förderung des Glasfaserausbaues könne man als „Erfolg“ verkaufen; allerdings sei das heute eine Selbstverständlichkeit. „Glasfaser“ sei bereits ab 2009 und den Folgejahren ein Thema gewesen und die Herausstellung sei daher übertrieben.

  • Beim Thema „Wirtschaftsflächen“ sei der Aspekt der Nachhaltigkeit kritisch zu sehen. Die Ansiedlungen von Decathlon und Topgolf seien nicht nachhaltig und sprächen nicht für die Qualität des Stahlwerkgeländes. Die Planungen seien ferner im Hinblick auf den geplanten Wohnungsbau nicht geeignet.

Weitere Wortmeldungen gab es nicht. Der Rat beschloß die Vorlage bei Enthaltung der GRÜNEN gegen die Stimmen von LINKEN und AfD.

Im nächsten Punkt der Tagesordnung wurden die „Eckpunkte für einen dynamischen Arbeitsmarkt Oberhausen‘ (B/17/3832-01)“ behandelt. Dazu lag der Änderungsantrag A/17/3944-01 der GRÜNEN vor.

Das Papier faßt die Ergebnisse der Oberhausener Arbeitsmarktkonferenz vom 22. 5. 2023 zusammen und enthält grundsätzliche Aussagen zu den arbeitsmarktpolitischen Planungen der Stadt Oberhausen. Es ist an weitere Folgekonferenzen und an eine Vernetzung der Teilnehmer gedacht.

Herr Benter (CDU) erklärt, das Eckpunktepapier sei gelungen, weil es ganz wichtig sei, Arbeitsplätze zu schaffen und nennt Edeka sowie Picnic. Ferner zahlreiche Mittelständler, welche ebenfalls Arbeitsplätze schaffen. Der Verwaltung falle die Aufgabe zu, diese Anstrengungen zu koordinieren. Er sehe keinen Unterschied zwischen der Verwaltungsvorlage und dem GRÜNEN-Antrag. Letzterer sei daher nicht notwendig.

Herr Blanke (GRÜNE) erklärt, seine Fraktion stimme der Verwaltungsvorlage zu, möchte aber Verbesserungen ermöglichen. Es gehe nicht, den Status Quo festzuhalten, sondern man müsse die Planungen fortschreiben, denn nur so ließen sich bei einem dynamischen Arbeitsmarkt die Planungen künftig auch umsetzen. Er plädiere dafür, das Papier durch die Verwaltung fortschreiben zu lassen, damit diese Fortschreibungen dann auch der Politik vorgelegt werden.

Für den Änderungsantrag der GRÜNEN stimmten SPD, LINKE, GRÜNE und BOB, dagegen CDU, AfD, FDP und der Stadtverordnete Horn.

Danach ließ der Oberbürgermeister über die durch den Änderungsantrag geänderte Verwaltungsvorlage abstimmen. Der Rat beschloß die so geänderte Vorlage gegen die Stimmen der AfD.

Weiter ging es unter TOP 12 mit der Aktualisierung des Integrierten Handlungskonzepts des Stadterneuerungsprojekts „Lebendige Zentren Oberhausen Sterkrade“ (B/17/3834-01). Der Rat beschloß die Vorlage ohne Wortmeldungen bei Enthaltung der LINKEN gegen die Stimmen der AfD.

Unter TOP 29 wurde der Projektaufruf „Prima. Klima. Ruhrmetropole – Bewerbung mit dem Quartier Tackenberg (B/17/3899-01)“ behandelt. Es handelt sich um ein vom Land NRW gefördertes Projekt, mit dem der Umbau hin zu CO2-armen bzw. CO2-neutralen Wohnvierteln gelingen soll.

Der Rat beschloß die Vorlage ohne Wortmeldungen gegen die Stimmen der AfD.

Beim Radverkehrskonzept der Stadt Oberhausen (B/17/3845-01) unter TOP 30 hingegen gab es wieder eine Debatte. Es handelt sich um ein Konzept im Rahmen des bundesweit als „Mobilitätswende“ geführten Krieges gegen die Autofahrer. Bezeichnend war, wer sich in der Debatte zu Wort meldete und wer dem Zeitgeist wortlos hinterher trottete:

Herr Dobnik (GRÜNE) nimmt Stellung zur Vorlage. Er sieht es positiv, daß die Umsetzung der aufgeführten Konzepte scheinbar sofort beginnen sollen. Er legt u.a. dar, daß die Frauen primär mit Autos kurze Fahrten in der Stadt unternähmen und daher am meisten vom Nahverkehrskonzept profitieren würde. Die Gleichstellungsstelle solle am runden Tisch „Radverkehrsförderung“ beteiligt werden. Laut Vorlage Zeile 77 sind Wege bis 5 km die Basis der Wege, die vom Kfz auf das Rad umgestellt werden können. In der Vergangenheit sei Mobilität ausschließlich von Männern für Männer geplant worden. Das müsse man ändern.

Frau Hansen (LINKE) sieht die Vorlage als Ansammlung von Konjunktiven. Werde man nach der Annahme dieser Vorlage über einzelne Maßnahmen streiten? Die Verkehrswende sollte höchste Priorität genießen.

Es erfordere eine Änderung der Anspruchshaltung der Kfz-Nutzer und ein Umdenken in großen Teilen der Stadtgesellschaft. Es sei Aufgabe der Stadträte, für dieses Umdenken zu werben. Man fordere eine schnellstmögliche Umsetzung der im IKS-Papier genannten Maßnahmen. Trotz dieser Kritik werde man dieser Vorlage zustimmen.

Der Rat beschloß die Vorlage gegen die Stimmen der AfD.

Fortführung von Einzelprojekten.

Hinsichtlich der Fortführung von Einzelprojekten faßte der Rat die Beschlüsse in der Regel ohne Wortmeldungen, da die grundsätzlichen Entscheidungen in der Vergangenheit bereits getroffen worden waren.

Unter TOP 31 wurde die Verwaltung einstimmig ohne Wortmeldungen mit der weiteren Planung des Vordachs der östlichen Treppen- und Rampenanlage am Bahnhof Sterkrade (B/17/3423-01) beauftragt.

Ebenfalls einstimmig und ohne Wortmeldungen wurden beschlossen:

  • Abschluß einer Kostenübernahmeerklärung für den Neubau der Brücke Weierstraße (über die HOAG-Trasse) durch die DB Netz AG (B/17/3776-01) unter TOP 32;

  • Abschluß der Eisenbahnkreuzungsvereinbarung für den Ersatzneubau der Personenunterführung Sterkrade Bahnhof in Zusammenhang mit dem Ausbau der BETUWE (B/17/3804-01) unter TOP 33.

  • Außerplanmäßige Finanzmittelbereitstellung für den Ausbau der Straße „Am Schacht IV“ (B/17/3723-01) unter TOP 34. Siehe dazu auch Anlage 1.

Im Rahmen des Stadterneuerungskonzeptes „Brückenschlag“ unter TOP 35 wurde über die Aufnahme des Projektes „Errichtung eines multifunktionalen Mensa und Lernzentrums am Elsa-Brändström-Gymnasium“ (B/17/3932-01)“ abgestimmt. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, sich in die komplexen Einzelheiten des Gesamtprojektes zu vertiefen. Die Antwort des Baudezernenten illustriert die allgemeine Tendenz zur Genüge:

Frau Heitmann (SPD) fragt, ob die 4 Millionen € [für das „Elsa“-Projekt] aus dem jetzigen Fördertopf entnommen werden oder ob „der Fördertopf erhöht“ werde. Ferner sei es unglücklich, daß der Beirat Brückenschlag erst in zwei Tagen zusammenkomme, während bereits heute darüber abgestimmt werde.

Dr. Palotz erklärt, daß die Summe nicht aus dem vorhandenen Budget des integrierten Handlungskonzeptes des Jahres 2016 entnommen werde. Man werde in der nächsten Ratssitzung eine Aktualisierung des integrierten Handlungskonzeptes für den Förderzeitraum 2024 bis 2029 vorschlagen. Mehrere der 2016 beschlossenen Projekte ließen sich so nicht übernehmen, da sie nicht auskömmlich finanziert seien wegen der Inflation. Als Beispiel sei der Ausbau der Marktstraße oder der Umbau des Friedensplatzes zu nennen. Dazu werde man ein neues Konzept vorschlagen unter Berücksichtigung der Förderrichtlinien 2023 und hoffe, daß man mit dem neuen Budget gute Projekte auf die Beine stellen werde.

Der Rat beschloß die Vorlage einstimmig.

Bauleitplanung.

Ein fester Bestandteil dieses Tagesordnungspunktes sind die Regionalen Flächennutzungspläne (RFNP) der Planungsgemeinschaft Städteregion Ruhr der Städte Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen. Es handelt sich dabei um eine gegenseitige Unterrichtung der beteiligten Kommunen über Bauleitplanungen. Sie werden zwar formal zur Abstimmung gestellt, doch ist die Ablehnung des Beschlusses einer Nachbarkommune nicht im System vorgesehen und wohl auch noch nicht vorgekommen. Im einzelnen wurden ohne Wortmeldungen beschlossen:

  1. Auslegungsbeschluß für das Änderungsverfahren 54 E – Oberhauser Straße (ehem. Gartencenter) – in Essen (B/17/3705-01) gegen die Stimmen der LINKEN.

  2. Aufstellungsbeschluß für das Änderungsverfahren 56 BO – Schloßstraße West – in Bochum (B/17/3706-01) gegen die Stimmen von GRÜNEN und LINKEN.

  3. Abwägungsbeschluß über die Anregungen und Stellungnahmen aus der frühzeitigen und förmlichen Beteiligung sowie Feststellungsbeschluß für das Änderungsverfahren 44 MH – Wissollstraße – in Mülheim an der Ruhr (B/17/3707-01) einstimmig.

  4. Auslegungsbeschluß für das Änderungsverfahren 49 MH – Energiepark Styrumer Ruhrbogen – in Mülheim an der Ruhr (B/17/3712-01) gegen die Stimmen der AfD.

Zwei Vorlagen befaßten sich mit der innerstädtischen Bauleitplanung. Im einzelnen wurden ohne Wortmeldung beschlossen:

  1. Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 134 B – Friedhofserweiterung ev. Kirchengemeinde Schmachtendorf – Entscheidung über die abwägungsrelevanten Stellungnahmen und Satzungsbeschluß (B/17/3734-01) bei Enthaltung der GRÜNEN einstimmig.

  2. Bebauungsplan Nr. 743 – Steinbrinkstraße / Ackerfeldstraße – Beschluß eines Rahmenplans als städtebauliche Planungsgrundlage für das weitere Bebauungsplanverfahren (B/17/3775-01) gegen die Stimmen der LINKEN.

Berichte der Verwaltung.

Die „Berichte“ (hier unter TOP 37) werden formal nur zur Kenntnis genommen und nicht zur Abstimmung gestellt. Wortmeldungen sind deshalb nur dann zu erwarten, wenn eine Fraktion ein besonderes Interesse hat.

Der Familienbericht 2022 (M/17/3671-01) stellt eine Fortsetzung der Oberhausener Familienberichte 2006, 2012 und 2017 dar. Vor der Kenntnisnahme gab es eine Wortmeldung:

Frau Salwik (SPD) wendet sich an die „Kolle*ginnen der demokratischen Fraktionen“ und stellt fest, Armut in Oberhausen sei weiterhin ein Hauptthema für soziale Fragen. Besonders die „working poor“ dürfe man nicht vergessen. Armut gehöre zu den psychosozialen Risikofaktoren. Es ließe sich eine Brücke schlagen zum Thema Einsamkeit, die nicht nur ein quasi natürlich eintretender Prozeß des Alterns sei, sondern häufig das Ergebnis prekärer und belastender Lebensumstände.

Den Abschlußbericht zur Sonderförderung „Corona“ der Stadt Oberhausen (M/17/3743-01) nahm der Stadtverordnete Noldus (AfD) zum Anlaß einer kurzen Stellungnahme. Er begründete, warum der Bericht über die Sonderförderung ungenügend sei und stellte fest, der Rat könne anhand dessen seine Aufgabe – die Kontrolle des Verwaltungshandelns nach § 55 GO NRW – nicht erfüllen.

Zum Wortlaut der Rede siehe Anlage 2.

Die gemäß § 83 (2) S. 1 GO NRW vom Stadtkämmerer bewilligten über- und außerplanmäßigen Aufwendungen und Auszahlungen des Jahres 2023 (M/17/3811-01) wurden ohne Wortmeldungen zur Kenntnis genommen; desgleichen unter Punkt 4 der Quartalsbericht zum Ergebnisplancontrolling mit Stand 30.06.2023 (M/17/3781-01) und unter Punkt 5 der Sachstandsbericht zu den Förderprogrammen „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen“ und „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren Nordrhein-Westfalen“ (M/17/3863-01).

Dank einer Frage des Stadtverordneten Flore (SPD) zu den drei jährlich von der Stadt Oberhausen verliehenen Auszeichnungen für hervorragende Baukultur (M/17/3838-01) unter Punkt 6 erfuhr die Öffentlichkeit aus dem Munde des Baudezernenten Dr. Palotz, daß mit der Auszeichnung keinerlei Gelder verbunden seien. Es gebe eine Urkunde, mehr nicht.

Anträge.

Anträge im eigentlichen Sinne wurden in diesem Sitzungsteil nicht behandelt. Die vier Anträge (zweimal LINKE, je einmal FDP und SPD) betrafen Umbesetzungen in Fachausschüssen, die jeweils ohne Wortmeldungen einstimmig beschlossen wurden. In § 50 Absatz 3 Satz 7 der NRW-Gemeindeordnung heißt es:

Scheidet jemand vorzeitig aus einem Ausschuß aus, wählen die Ratsmitglieder auf Vorschlag der Fraktion oder Gruppe, welcher das ausgeschiedene Mitglied bei seiner Wahl angehörte, einen Nachfolger.“

Das Recht der Fraktionen und Gruppen auf einen eigenen Vorschlag, dem der Rat zustimmen muß, wird nicht bestritten. Daher werden solche Anträge geräuschlos abgehandelt. Bei Umbesetzungsanträgen der AfD erlebt man allerhand Eiertänze, mit denen die Ratsmitglieder einer aktive Zustimmung zu entgehen suchen; das sind lächerliche Rituale. Umgekehrt stimmt die AfD solchen Anträgen auf Umbesetzung immer zu. [Wird fortgesetzt.]



Anlage 1:

Die „Außerplanmäßige Finanzmittelbereitstellung für den Ausbau der Straße ‚Am Schacht IV‘ (B/17/3723-01) unter TOP 34 war bereits am 18. September im Haupt- und Finanzausschuß Gegenstand einer intensiven Debatte gewesen. Infolge der Baumaßnahmen wurden Anliegerbeiträge für die Eigentümer fällig, auf deren Höhe (geschätzt ca. 1500 € pro Eigentümer) die Stadt sich nicht festlegen wollte. Zudem war der Bauträger insolvent gegangen, so daß die Begleichung der fälligen Erschließungsbeiträge bzw. deren Umlegung offen war.

In der HFA-Sitzung hatte der Stadtverordnete Real (SPD) mit Bezug auf mehrere Stellen gefragt, was genau der Bürger bezahlen müsse und was geschähe, wenn die Bürgschaft nicht gezogen würde.

Dezernent Dr. Palotz räumte ein, daß der Sachverhalt in der Vorlage ungenau beschrieben worden sei. Zum Inhalt sei zumindest soviel zu sagen, daß inzwischen einige Punkte geklärt worden seien. So sei das Regenrückhaltebecken nicht notwendig. Der Vorhabenträger trage die finanzielle Hauptlast. Alle anderen Maßnahmen werden nach dem KAG (Kommunalabgabengesetz NRW) auf die Anlieger umgelegt. Für die Anlieger erfolge im Hinblick auf die früher bereits im Rahmen der Erschließung geleisteten Abgaben eine Prüfung, ob durch die jetzigen Belastungen eine Existenzgefährdung gegeben sei. Die in der Vorlage genannten 1.500 € seien eine Überschlagsgröße, mit der man zu rechnen habe.

Herr Real (SPD) merkte an, es sei nicht das KAG, sondern das BauGB (Baugesetzbuch) heranzuziehen, was der Baudezernent bestätigte.

Dezernent Dr. Palotz erklärte zur Bürgschaft, daß, wenn diese ausfalle, die Kosten der Bürgschaft als Umlage noch zusätzlich „oben drauf“ kämen.

Herr Bruckhoff (BOB) fragte, warum die Vorlage, die auf den 22. August datiert sei, nicht Anfang September im Planungsausschuß vorgelegt worden sei.

Dr. Palotz: Man habe darauf verzichtet, da die Vorlage keine Planungen enthalte.

Herr Flore (SPD) meldete für seine Fraktion Beratungsbedarf an.

Frau Bongers (SPD) machte darauf aufmerksam, daß die Bürger wegen der Insolvenz (des Vorhabenträgers?!) belastet würden; es gebe die Sorge, daß es sich um ein Faß ohne Boden handelte. Es bestehe die Gefahr von Privatinsolvenzen, wenn höhere Belastungen als die genannten 1.500 € entstünden. Sie möchte daher wissen, wie hoch die Belastungen im Fall des Ausfalls der Bürgschaft seien.

Der Oberbürgermeister stellt feste, daß die Verwaltung eine entsprechende Berechnung durchführen könne.

Dezernent Motschull weist darauf hin, daß sich die Stadt Oberhausen in direkten Verhandlungen mit dem Bürgschaftsträger befinde. Noch sei es lediglich ein außergerichtlicher Streit darum, wer was zahle.

Der Oberbürgermeister erklärte, bis zum kommenden Montag ergänzende Informationen zu der Angelegenheit bekannt zu geben.

Eine Abstimmung fand nicht statt (sog. Beratungsbedarf; siehe oben).

Als Ergebnis dieser Debatte war den Fraktionen eine schriftliche Erläuterung des Sachverhaltes durch die Stadtverwaltung noch vor der Ratssitzung zugegangen.

Die Inhalte dieser vom Baudezernenten Dr. Palotz gezeichneten Erläuterungen sind von allgemeinem Interesse, soweit sie allgemeine Berechnungsgrundsätze für die Erschließungsbeiträge enthalten. Hier der Wortlaut von allgemeinem Interesse:

Allgemeines zur Ermittlung des Erschließungsaufwandes.

Erschließungsbeiträge werden auf der Grundlage der §§ 127 ff. Baugesetzbuch und der Satzung der Stadt Oberhausen über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (Erschließungsbeitragssatzung) erhoben.

Zu dem Erschließungsaufwand gehören z. B. insbesondere die Kosten für:

  1. den Erwerb und die Freilegung der Flächen der Erschließungsanlagen,

  2. die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und Beleuchtung und

  3. die Herstellung von Böschungen, Schutz- und Stützmauern.

Die Einzelheiten, wie der Aufwand zu ermitteln ist (z. B. ob und in welchem Umfang Positionen einer Unternehmerrechnung in den Aufwand einfließen), ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung.

Anhand der tatsächlichen Aufwendungen, also auf Grundlage der später vorliegenden Rechnungsunterlagen, für den Ausbau der Erschließungsanlage Am Schacht IV werden die sogenannten beitragsfähigen Aufwendungen ermittelt. Den ermittelten nicht beitragsfähigen Aufwand trägt die Stadt Oberhausen in vollem Umfang, von dem beitragsfähigen trägt sie 10 %. Es verbleibt der sogenannte gekürzte beitragsfähige (umlagefähige) Erschließungsaufwand.

Allgemeines zur Aufwandsverteilung.

Dieser umlagefähige Aufwand wird auf die durch die Erschließungsanlage Am Schacht IV erschlossenen Grundstücke verteilt, wobei die Grundstücksflächen entsprechend der Ausnutzbarkeit mit einem Nutzungsfaktor vervielfältigt werden. Dieser Nutzungsfaktor beträgt z. B. bei eingeschossiger Bebaubarkeit 1,25, bei zweigeschossiger Bebaubarkeit 1,5 und bei dreigeschossiger Bebauung 1,75. Als zulässige Zahl er Geschosse gilt die im Bebauungsplan (hier ist der Bebauungsplan Nr. 656 A maßgebend) festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse. Ist im Einzelfall eine größere als die festgesetzte Zahl der Vollgeschosse zugelassen oder vorhanden und geduldet, so ist diese zugrunde zu legen. Soweit bauliche Anlagen auf demselben Grundstück eine unterschiedliche Zahl der Vollgeschosse aufweisen, ist die höchste Vollgeschoßzahl maßgebend. Ist die Zahl der Vollgeschosse wegen der Besonderheit der baulichen Anlage nicht feststellbar, so werden je 3,50 m Höhe der baulichen Anlage als ein Vollgeschoß gerechnet. Wenn Grundstücke z. B. überwiegend gewerblich genutzt werden, wird der Nutzungsfaktor um 0,5 erhöht.

Als Grundstücksfläche bei Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gilt die Fläche, die nach dem Bebauungsplan der Ermittlung der zulässigen Nutzung zugrunde zu legen ist. Für Grundstücke, die von mehr als einer Erschließungsanlage erschlossen werden, bleibt grundsätzlich von den ermittelten Flächen der Grundstücke bei der Verteilung des Erschließungsaufwands ein Drittel der Grundstücksfläche, höchstens jeweils 300 Quadratmeter, außer Ansatz. Im Beitragsverfahren sind die Grundstücksverhältnisse zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, hier voraussichtlich der Eingang der letzten Unternehmerrechnung oder des letzten Grunderwerbs, herrschen.

Allgemeines zur Ermittlung des Beitragssatzes.

Der umlagefähige Aufwand wird durch die Summe der erschlossenen Grundstücksflächen vervielfacht mit den entsprechenden Nutzungsfaktoren (modifizierten Grundstücksflächen) geteilt. Hierdurch ergibt sich der sogenannte Beitragssatz.

Die Berechnung des Erschließungsbeitrags erfolgt nach dem folgenden Modus:

Grundstücksfläche abzüglich nicht beitragsfähige Flächen:

  • minus Tiefenbeschränkung

  • minus Straßenland

  • minus Eckvergünstigung

= beitragsfähige Fläche.

(Die nicht beitragsfähigen Flächen sind somit von den jeweiligen Grundstücksverhältnissen abhängig.)

Beitragsfähige Fläche x Nutzungsfaktor = modifizierte Grundstücksfläche x Beitragssatz

= zu zahlender Beitrag

Die speziell für die betreffenden Grundstücke „Am Schacht IV“ ermittelten Werte:

Die Summe der erschlossenen Grundstücke modifiziert mit den entsprechenden Nutzungsfaktoren (modifizierte Grundstücksflächen) beträgt 36.357,05 qm.

Der Beitragssatz wurde dementsprechend mit

[137.493,68 (EUR) : 36.357,05 (qm)] = 3,7817612 EUR/qm berechnet.

Auf die Grundstücke der insolventen Grundstückseigentümer entfallen Beiträge in Höhe von geschätzt rund 100.000 EUR. Hier wird seitens der Verwaltung ein 100%iger Beitragsausfall erwartet.

Entwicklung der Beiträge bei Ausfall der Bürgschaft.

Der Beitragssatz wurde dementsprechend mit

[732.893,68 (EUR) : 36.357,05 (qm)] = 20,1582274 EUR/qm berechnet.

Auf die Grundstücke der insolventen Grundstückseigentümer entfallen Beiträge in Höhe von geschätzt rund 530.000 EUR. Hier muß mit einem weitest gehenden Beitragsausfall gerechnet werden.



Anlage 2:

Rede des Stadtverordneten Noldus zum Abschlußbericht zum Sofortprogramm Sonderförderung „Corona“ der Stadt Oberhausen (M/17/3743-01) unter Tagesordnungspunkt 37.2.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete.

Da es sich um einen Abschlußbericht handelt, werde ich mich auf einige kurze Anmerkungen beschränken.

Dieser Bericht erschöpft sich in nichtssagenden Tabellen und umgeht die kritischen Punkte:

  1. Die Mittel wurden durch die zuständigen Dezernenten – hauptsächlich die Bereiche 1 (Tsalastras) und 3 (Schmidt) – vergeben.

  2. Die weisungsgebundene Fachverwaltung prüfte die Vorgänge nur im Hinblick auf eventuelle Doppelförderungen; eine Kontrolle der Dezernenten fand nicht statt.

  3. Es sind keine Aufstellungen erstellt worden, aus denen Empfänger, Zeitpunkt, Höhe der Förderung und deren Zweck hervorgehen.

  4. Die Fachausschüsse (z. B. Kultur oder Sport) sind weder an der Vergabe beteiligt gewesen noch nachträglich informiert worden.

Insgesamt läßt sich sagen, daß hier ein Zugriff auf einen Sonderetat in Höhe von 2 Millionen € erfolgte, ohne daß die Öffentlichkeit noch der Rat angemessen informiert worden sind.

Es hat nämlich für sich keinen Aussagewert, daß in der Antragskategorie „Eigenanteilsförderung“ ein Antrag in Höhe von 5.043 € bewilligt worden ist.

Denn Sie kennen weder den Antragsteller noch den Verwendungszweck; Sie können also Ihre Aufgabe der Kontrolle des Verwaltungshandelns nach § 55 der Gemeindeordnung mit der hier vorliegenden Drucksache nicht erfüllen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!