Nach einer Zwischenbilanz, welche unsere bisherigen Ergebnisse zusammenfaßt, versuchen wir, einige Aspekte der Förderung ab Jahresbeginn 2021 nachzuzeichnen. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20240126b_Foerderung_Corona_4
Zwischenbilanz.
Die vom Rat am 14. 9. 2020 verabschiedete Vorlage B/16/5937-02 grenzte das in dem SPD-Antrag B/16/5801-01 formulierte Ziel eines „Wirtschaftsaufbauprogramms“ im wesentlichen auf ein „Sofortprogramm für Freizeit, Tourismus, Event und Kultur“ unter Einbeziehung des Sport-Bereiches ein.
Die Mittel in Höhe von 2 Mio. € wurden durch Umschichtungen im städtischen Haushaltsplan (Verfügung des Kämmerers vom 17. 4. 2020) bereitgestellt, da eine Finanzierung dieser freiwilligen Leistung durch Neukredite aufgrund der gesetzlichen Vorschriften ausgeschlossen war.
Die Wirksamkeit jenes Programms muß in Relation zu den von Land und Bund bereitgestellten Förderungen gesehen werden (4.414 Anträge mit einem Volumen von 46,3 Mio. € laut der am 14. 9. 2020 verabschiedeten B-Vorlage). Aus den Vorlagen B/17/0072-01 bzw. 0131-01 war zu ersehen, daß bis zum 28. 10. 2020 insgesamt 17 Anträge gestellt worden waren plus 14 mögliche Anträge im Bereich „Fassadenerneuerung“ laut B/16/5937-02.
Diese Zahlen waren also dem Rat bekannt. Leider ist es von hier aus nicht ersichtlich, ob diese geringe Nachfrage, wenn man die von Land und Bund bewilligten Anträge zum Vergleich heranzieht, die internen Debatten in den einzelnen Fraktionen kritisch hinterfragt worden ist. Die Behandlung der gesamten Angelegenheit erweckt überhaupt den Anschein, als sei es von vornherein nicht um ein „Wirtschaftsaufbauprogramm“, sondern um die Versorgung einer gewissen Klientel gegangen.
Es gibt zwei Aspekte, die diesen Eindruck verstärken. Die Behandlung der wichtigen Vorlage B/17/0131-01 als Dringlichkeitsentscheidung war durch den Sachverhalt an sich nicht gerechtfertigt, wie aus dem zeitlichen Ablauf zu ersehen war. Ferner war, wenn wir einen formal korrekten Ablauf der Antragsbearbeitung unterstellen, aus der Sicht eines Antragstellers nichts gewonnen, denn die Bewilligung konnte sowieso erst nach dem HFA-Entscheid vom 23. 11. 2020 erfolgen und war völlig unabhängig von der Form der Vorlage. Der einzige Sinn der Dringlichkeitsentscheidung bestand u. E. darin, eine inhaltliche Debatte nach Möglichkeit zu unterbinden und die Vorlage geräuschlos zu verabschieden.
Mit der Vorlage B/17/0131-01 waren die Bedingungen der Corona-Sonderförderung endgültig festgelegt, wie sie den folgenden Antragsbewilligungen zugrunde lagen. Gegenüber den ersten, am 14. 9. 2020 verabschiedeten Förderrichtlinien gab es folgende wichtige Veränderungen:
- Der Bezug von Landes- oder Bundesmitteln sollte nicht mehr berücksichtigt werden, da die Krise viel länger dauerte als zu Beginn eingeschätzt und die Notsituation auch weiter vorherrschte und besonders für Soloselbständige eine Rückzahlungspflicht aufgrund fehlender Betriebskostennachweise bestand.
- Eine Doppelförderung für das gleiche Projekt war möglich, wenn die Inanspruchnahme von Landes- und Bundesmitteln nachweisbar nicht ausreichend zur Realisierung des Projektes war.
- Wenn die bei „allen Anträgen“ nachzuweisende finanzielle bzw. existentielle Not des Antragstellers wegen fehlender Geschäftsdaten (z. B. bei Firmenneugründungen) nicht nachgewiesen werden konnte, konnten „Einzelfallentscheidungen getroffen werden, welche von den vorgeschriebenen Antragsvoraussetzungen abweichen, aber hinreichend begründet werden können.“
Das ist also der zweite Aspekt: Jede durch die Förderrichtlinien formulierte Bedingung wurde hier durch Fluchtklauseln durchlöchert, so daß die beteiligten Dezernenten Tsalastras und Schmidt (beide SPD), die sich anhand des vom Stadtverordneten Blanke (GRÜNE) seinerzeit kritisierten Vergabeverfahrens (Zeilen 145ff der Vorlage B/17/5937-02) gegenseitig kontrollieren sollten und die ihrerseits von der „Bewilligung“ durch den Stadtkämmerer Tsalastras abhängig waren, formal freie Hand bei der Mittelvergabe hatten. Und damit war auch der Kritik der Fachverwaltung, sollte sie denn geäußert worden sein, Genüge getan.
Die Unterrichtung des Rates.
Vorbemerkung: Wegen der Corona-Schutzverordnungen tagte der Haupt- und Finanzausschuß (HFA) einmal als normaler Ausschuß und dann als Ausschuß mit Ratskompetenzen. Das ist im folgenden immer zu berücksichtigen. Die erste reguläre Ratssitzung fand am 28. 6. 2021 statt.
Die Unterrichtung des Rates und der Öffentlichkeit über den Stand der bewilligten Anträge erfolgte in der „1. Kenntnisnahme der vom Stadtkämmerer genehmigten außerplanmäßigen Aufwendungen und Auszahlungen im Rahmen der Sonderförderung ‚Corona‘“, die als Vorlage M/17/0249-01, erstellt am 16. 12. 2020, ab dem 18. 1. 2021 in den Ausschüssen (Kultur, Sport, HFA) und am 8. 2. 2021 im HFA mit Ratskompetenzen im öffentlichen Teil zur Kenntnisnahme zirkulierte. Wir haben die Inhalte tabellarisch mit Erläuterungen aus der Drucksache aufbereitet. Es waren dies:
Titel |
Fonds in € |
Genehmigungen |
Summe in € |
Projektfonds |
700.000 |
14 |
224.866,00 |
Härtefallfonds |
300.000 |
5 |
27.582,50 |
Notfallfonds |
900.000 |
8 |
117.666,48 |
Eigenanteile |
100.000 |
1 |
5.043,50 |
Summe |
2.000.000 |
28 |
375.158,48 |
- Projektfonds: Projekte für alternative corona-verträgliche Veranstaltungen, Aufführungen, Dienstleistungsangebote, Produktionskonzepte etc. für die es keine Bundes- oder Landesmittel gibt.
- Härtefallfonds: Härtefallfonds für Solo-Selbstständige.
- Notfallfonds: Notfallfonds an gemeinnützige Organisationen und Unternehmen aus den Bereichen Sport, Kultur, Kreativwirtschaft, Tourismus und Freizeit.
- Eigenanteile: Übernahme von Eigenanteilen, die bei Bundes- und Landesförderung im Rahmen von Förderprogrammen zur Überwindung der Coronakrise notwendig sein sollten.
Bei genauerem Hinsehen erkennt man, daß der Aussagegehalt der Vorlage sehr dürftig ist. Wir erinnern daran, daß der Stadtkämmerer in der Sitzung des Sportausschusses am 1. 9. 2020 erläutert hatte, daß die den Teilbereichen zugeteilten Summen „untereinander deckungsfähig“ seien, da man abwarten müsse, wieviele Anträge eingingen. Die ganzen Einzelposten waren also austauschbar und die Einteilung pure Augenwischerei.
Ferner ist nicht angegeben, wer welche Gelder erhalten hatte. Das Argument des Datenschutzes zieht nicht, denn Auszahlungen im Rahmen des Härtefallfonds hätte man im Rahmen einer nichtöffentlichen Vorlage auflisten können. In der Beantwortung K/17/4296-01 der Kleinen Anfrage K/17/4202-01 vom 12. 11. 2023 des Stadtverordneten Noldus ist genau das angekündigt worden. Das Kernproblem ist, eher unfreiwillig, in der Anmerkung des Stadtkämmerers dort ebenfalls benannt: Eine entsprechende Aufbereitung ist bisher nicht gefordert gewesen.
Bei den Projekten wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Anträge in der gleichen Art vorzulegen, wie es im Kulturausschuß üblich ist. Auch das hat man nicht, aus welchen Gründen auch immer, getan. Es ist überhaupt der Rat außerordentlich passiv geblieben und hat erkennbar auch gar kein Interesse daran gehabt, Sinn und Zweck der Förderungen zu hinterfragen.
Im Kulturausschuß (18. 1. 2021) bat Herr Gadde (GRÜNE) um eine Auflistung der Antragsteller, um weitere Interessenten ansprechen zu können. Auf die Frage des Herrn Noldus (AfD) nach den Gründen für den geringen Mittelabfluß beim Härtefallfonds erklärte der Kulturdezernent Tsalastras, das sei unklar.
Im Sportausschuß (21. 1. 2021) teilte der Beigeordnete Schmidt mit, daß im Bereich Sport von bisher zehn gestellten Anträgen fünf mit einem Volumen von 73.000 € bewilligt worden waren. Die Gesamtzahl der gestellten Anträge betrug 71. Ferner (aus der Niederschrift): „Herr Tsalastras sagt zu, dem Plenum eine Aufstellung als nichtöffentliche Information zukommen zu lassen. Diese geht den Sportausschußmitgliedern per E-Mail zu und ist nicht Bestandteil dieser Niederschrift.“
In der Sitzung des Wirtschafts- und Digitalisierungsausschusses vom 25. 1. 2021 gab der Stadtkämmerer bekannt, daß von 64 gestellten Anträgen bisher 31 Anträge mit einer Fördersumme von insgesamt 403.200 € genehmigt worden waren. Eher ungewöhnlich war das Fehlen einer Vorlage zum betreffenden Tagesordnungspunkt „Corona-Sonderförderung“. Zu Fragen des Stadtverordneten Blanke (GRÜNE) nach genaueren Informationen verwies der Stadtkämmerer auf den nichtöffentlichen Sitzungsteil.
Der im Rat am 14. 9. 2020 behandelten Vorlage B/16/5937-02 hatte auch die SPD unter Verzicht auf ihren Änderungsantrag A/16/5959-01 zugestimmt, nachdem diese ausdrücklich in der Niederschrift vermerken ließ, daß der Rat und die Fachausschüsse informiert werden müßten. In der Folgezeit ist an keiner Stelle ein Hinweis darauf zu finden, daß die „Kenntnisnahmen“ vom Typ der Vorlage M/17/0279-01 (siehe oben) seitens der SPD als unzureichend empfunden worden wären.
Wenn überhaupt, kam eine solche Kritik von den GRÜNEN bzw. vom Stadtverordneten Blanke, der als einziger auf die Problematik des Vergabeverfahrens hingewiesen hatte und im Wirtschafts- und Digitalisierungsausschuß vom 25. 1. 2021 genauere Informationen über die Antragsteller gefordert hatte. Das sehr ungewöhnliche Verfahren einer „nichtöffentlichen Information“ ohne Vorlagennummer und ohne Dokumentation in einer (nichtöffentlichen) Niederschrift (Sportausschuß 21. 1. 2021) ist zumindest für die im November 2020 beginnende Wahlzeit einmalig geblieben.
Seit jener Zeit können wir auch aus eigener Anschauung über die Corona-Sonderförderung berichten und gestehen, daß die AfD-Fraktion seinerzeit in völliger Unkenntnis der gesamten Vorgänge gehandelt hat. Die erwähnte Frage des Verfassers am 18. 1. 2020 im Kulturausschuß ging an der Sache vorbei; und in der Fraktionssitzung am 5. 2. 2021 ist die „mobile Bühne“ Gegenstand eines mündlichen Berichtes über jene Sitzung gewesen, nicht aber die Corona-Sonderförderung. Erstmals im Stadtrat vertreten, befand sich die Fraktion seinerzeit noch in einer internen Organisations- und Orientierungsphase unter den erschwerenden Einschränkungen der Corona-Politik.
Im HFA (1. 2. 2021) wurde der Bericht M/17/0249-01 ohne Wortmeldungen zur Kenntnis genommen. Eine Woche später tagte der HFA in seiner Funktion als Rat und entschied über eine weitere Vorlage mit Bezug zur Corona-Sonderförderung (neben der Kenntnisnahme der oben erwähnten M-Vorlage).
In der Vorlage B/17/0364-01 ging es um die Verlängerung der Antragsfrist bis zum 30. 4. 2021, die einstimmig – also auch mot den Stimmen der AfD – beschlossen wurde. Laut Vorlage hatte der Verwaltungsvorstand am 19. 1. 2021 die Verlängerung angeregt. Beigefügt war eine Auflistung nach dem Schema der obigen Tabelle, wonach insgesamt 31 Anträge mit 403.000 € bewilligt worden waren.
Die Vorlage B/17/0297-01 „Zustimmung zur Leistung außerplanmäßiger Aufwendungen im Rahmen der Corona-Pandemie“ betraf die Bereitstellung von 198.500 € zur Finanzierung des Corona-Test-Teams und hatte mit dem hier interessierenden Sachverhalt nichts zu tun.
In der Gremienfolge, die mit der HFA-Sitzung (Ratskompetenz) am 23. 3. 2021 ihren Abschluß fand, gab es keine Vorlagen, welche sich auf die Corona-Sonderförderung bezogen.
Mit der Vorlage B/17/0608-01, die am 19. 4. 2021 vom Stadtkämmerer abgezeichnet und dem HFA (Ratskompetenz) am 3. 5. 2021 ohne Vorberatungen in den Ausschüssen zur Beschlußfassung vorgelegt wurde, trat die Corona-Sonderförderung in ein neues Stadium ein.