Aufgrund vielfacher Fehldeutungen der Position der AfD-Ratsfraktion in der Frage der Altschuldenlösung bringen wir hier eine genauere Darlegung der Problematik. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20251006b_Altschuldenloesung
Zur Vorgeschichte.
In der Ratssitzung am 29. September hat allein die AfD-Fraktion der vorgeschlagenen Altschuldenlösung nicht zugestimmt. Ohne eine Bewertung des gesamtpolitischen Zusammenhanges an dieser Stelle vornehmen zu wollen, beschränken wir uns auf die rein haushaltstechnischen Aspekte.
Daraus ergibt sich unserer Auffassung nach ganz deutlich, daß die Altschuldenlösung die grundsätzliche Problematik nicht löst und in der Öffentlichkeit zu Wahlkampfzwecken von den selbsternannten Demokraten ein völlig unrealistisches Bild des künftigen Spielraumes bei den städtischen Finanzen gezeichnet hat.
Die nachfolgende Übersicht lehnt sich an die Rede des Stadtverordneten Noldus (AfD) in der genannten Ratssitzung zu Punkt 5 der Tagesordnung „Antrag auf Übernahme der Altschulden gemäß Altschuldenentlastungsgesetz – ASEG NRW (B/17/7114)“ an.
Städtischer Haushalt – temporäre Faktoren.
Der städtische Haushalt wird durch zwei Arten von Faktoren bedingt, die entweder temporär sind oder strukturell vorgegeben sind. Die temporären Faktoren sind
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die Inflation der Jahre 2022 und 2023 mit verstärktem Zuwachs bei den Personalkosten;
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die wirtschaftliche Rezession mit geringeren Steuereinnahmen;
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die Verringerung bei den Schlüsselzuweisungen gemäß Gemeindefinanzierungsgesetz.
Legt man den Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes zugrunde, ergibt sich ab 2020 folgende Entwicklung:
Jahr |
Index |
Inflationsrate |
2020 |
100 |
0,5% |
2021 |
103,1 |
3,1% |
2022 |
110,2 |
6,9% |
2023 |
116,7 |
5,9% |
2024 |
119,3 |
2,2% |
2025 |
121,9 |
2,2% |
In direkter Abhängigkeit folgen entsprechend höhere Tarifabschlüsse, die ihrerseits zu höheren Personalkosten im städtischen Haushalt führen.
Die Wirtschaftslage hat einen Einfluß auf die Größenordnung der beiden wichtigsten Steuereinnahmen einer Kommune. Laut Haushaltsplan 2025 erwartet Oberhausen Einnahmen in Höhe von 1,03 Mrd. €; davon Gewerbesteuer 149,4 Mio. € und der kommunale Anteil der Einkommensteuer in Höhe von 110,5 Mio. €.
Die Schlüsselzuweisungen stellen mit 241 Mio. € ziemlich genau ein Viertel aller Einnahmen dar. Sie liegen damit aktuell um etwa 20 Mio. € niedriger, weil
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andere Kommunen relativ stärker als Oberhausen an Wirtschaftskraft eingebüßt haben; und
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die Soziallasten der Kommunen weniger stark berücksichtigt werden als in der Vergangenheit.
Städtischer Haushalt – strukturelle Faktoren.
Die generellen Faktoren, die über den aktuellen Haushalt hinaus wirken sind
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steigende Soziallasten: Kindertagesstätten, offener Ganztag, Asylbewerberleistungen, Bürgergeld sind gesetzliche Pflichtleistungen, die aber nicht vollständig durch Bund oder Land finanziert werden.
Mit anderen Worten: Indem die Kommunen jeweils Eigenanteile leisten müssen, wälzen Bund und Land ihre Schulden auf die Kommunen ab.
-
Investitionen in die Infrastruktur: In den nächsten 5 Jahren hat Oberhausen geschätzt 900 Mio. € in die Infrastruktur zu investieren; darunter Schulen mit 400 Mio. € und Verkehr mit 320 Mio. € (Angaben nach der Rede des Stadtkämmerers vom 23. 9. 2024 zum Haushaltsplan 2025).
Diese Faktoren führen insgesamt zu einem strukturellen Defizit mit jährlich neuen Schulden.
Als Folge davon erlaubt die Landesregierung durch gesetzliche Änderungen den Kommunen ein Schönschreiben der Bilanzen, um den sog. Nothaushalt zu vermeiden.
Diese Änderungen sind
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die Corona-Isolierung 2021;
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die Ukraine-Isolierung 2022;
-
der globale Minderaufwand 2024.
Zur Sicherung eines geordneten Finanzhaushaltes sind verschuldete Städte zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes gehalten. Einen kurzen Überblick zum sog. HSK findet man in unserem Bericht vom 17. 2. 2024 zur Ratssitzung vom 5. 2. 2024.
Wer etwas tiefer in die Materie einsteigen möchte, dem empfehlen wir unseren zweiten Bericht vom 9. 2. 2024 über die HFA-Sitzung vom 29. 1. 2024.
Wer sich speziell über die Einschränkungen des sog. Nothaushaltes näher informieren möchte, kann in einer Veröffentlichung der Stadt Münster zum Nothaushaltsrecht die Einzelheiten nachlesen. Dadurch wird auch erklärlich, warum der Landesgesetzgeber das Abgleiten der Kommunen in den Nothaushalt unbedingt vermeiden möchte. In die gleiche Richtung weist die formal notwendige Zustimmung der Bezirksregierung zum Haushaltssicherungskonzept. Die Genehmigung ist ein rein formaler Verwaltungsakt ohne tatsächliche Prüfung. Das ergibt sich schon aus dem Begleitschreiben der Bezirksregierung zur erteilten Genehmigung. Die einzige Einrichtung, die wirkliche Prüfungen vornimmt und die zugleich den Kommunen konkrete Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung vorschlägt, ist die Gemeindeprüfungsanstalt NRW.
Zur Haushaltslage.
Dennoch hat sich die Stadt Oberhausen in den letzten fünf Jahren neu verschuldet; die Ausnahme war 2022 mit einem Schuldenabbau um 14 Mio. €.
Jahr |
Neuverschuldung |
2021 |
91 Mio. € |
2022 |
– 14 Mio. € |
2023 |
27 Mio. € |
2024 |
101 Mio. € |
2025 |
226 Mio. € |
Bei 2024 ist der globale Minderaufwand nicht (!) aus der Schuldenlast herausgerechnet worden, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Für 2025 handelt es sich um Zahlen des Haushaltsplans (Haushaltsrede vom 23. 9. 2024 des Stadtkämmerers).
Die Schulden einer Kommune setzen sich aus zwei Arten von Krediten zusammen; so auch in Oberhausen. Es betrugen
Jahr |
Investitionskredite |
Kassenkredite |
Summe |
2024 |
485 Mio. € |
1602 Mio. € |
2087 Mio. € |
2025 |
602 Mio. € |
1711 Mio. € |
2313 Mio. € |
Aus der Vorlage B/7114, die am 28. 9. 2025 vom Rat gegen die Stimmen der AfD angenommen worden ist, geht hervor, daß nach einer vorgegebenen Berechnung der Kassenkredite von 1530 Mio. € die Stadt um 1192 Mio. € entlastet wird.
Aus der beigefügten Zinsplanung ergibt sich, daß der jährliche Aufwand für die Zinstilgung
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2026 ca. 36,0 Mio. € und
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2027 ca. 16,8 Mio. €
beträgt mit vergleichbaren Größenordnungen in den Folgejahren.
Die Kernpunkte der Altschuldenlösung.
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Die Altschuldenlösung besteht nun darin, die Kassenkredite auf dem Papier von 1,53 Mrd. € auf ca. 338 Mio. € zu verringern.
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Das führt zu einer Entlastung bei der Zinstilgung um etwa 20 Mio. € ab 2027.
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Dem stehen die Neuverschuldungen 2024 und 2025 in dreistelliger Millionenhöhe € gegenüber.
Fazit:
Die Altschuldenlösung löst die oben skizzierten Grundprobleme nicht und führt für sich genommen weder zu einem ausgeglichenen Haushalt noch in Zukunft zu einem größeren finanziellen Handlungsspielraum.