Was sagt die Verwaltung zu den Neuigkeiten zur Grundsteuer? Wenn man realistische Bewertungen ohne Rücksicht auf politische Wertungen sucht, findet man sie am ehesten im HFA. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20251216b_HFA_20251208_2
Zu den Grundsteuer-Hebesätzen.
Zum besseren Verständnis einige allgemeine Anmerkungen zum Thema.
Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2018 das überlieferte System der Grundstücksbewertungen als verfassungswidrig bezeichnet. Daraus ergab sich die Aufgabe für alle Kommunen, bis 2024 zunächst neue Grundstücksbewertungen vorzunehmen, um daran anschließend neue Hebesätze festzulegen. Dabei galt die Vorgabe, daß das Steueraufkommen in jeder Kommune nach der Reform das gleiche sein sollte wie im Stichjahr 2024.
NRW hat per Landesgesetz vom 4. 7. 2024 den Kommunen die Anwendung differenzierter Hebesätze je nach Grundstücksart erlaubt, um bei Bedarf die Belastung für Wohngrundstücke gering zu halten. Die differenzierten Hebesätze hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 4. Dezember verworfen, weil dieses Modell gegen den Verfassungsgrundsatz der Steuergerechtigkeit verstoße.
Hebesätze in Oberhausen
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Steuerart |
Hebesatz 1. 1. 2025 |
Hebesatz 1. 1. 2026 |
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Grundsteuer A |
282 v. H. |
330 v. H. |
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Grundsteuer B 1 |
727 v. H. |
750 v. H. |
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Grundsteuer B 2 |
1389 v. H. |
1417 v. H. |
Die Tabelle enthält die neuen Hebesätze ab dem 1. 1. 2026 gemäß der Verwaltungsvorlage B/18/0216, die aber nach den Ausführungen des Stadtkämmerers bereits jetzt vollkommen überholt ist.
Die Stellungnahme des Stadtkämmerers.
Stadtkämmerer Tsalastras:
Die Vorlage mit der Erhöhung der Hebesätze werde deshalb vorgelegt, weil mit den jetzigen Hebesätzen die Aufkommensneutralität der Grundsteuer nicht erreicht werde.
Aktuell gebe es ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, welches die differenzierten Hebesätze der Städte Dortmund, Gelsenkirchen, Essen und Bochum widerrufen und für rechtswidrig erklärt hat. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, da er davon ausgehe, daß die betroffenen Städte bis zur letzten Instanz klagen werden.
Zum Inhalt des Urteils könne man nichts sagen, da die Begründung noch nicht schriftlich vorliege. Er habe mit mehreren mit der Materie befaßten Personen gesprochen. Die Wahrscheinlichkeit, daß differenzierte Hebesätze Bestand haben, werde von allen als sehr gering eingeschätzt.
Da man den Sachverhalt momentan noch nicht abschließend einschätzen könne, empfehle er eine Vorberatung ohne Votum. Im Laufe der Woche werde man sich näher damit befassen, und zwar
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im Verwaltungsvorstand und
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am 12. Dezember in einer Sondersitzung des Finanzausschusses des Städtetages.
In der Ratssitzung am 15. Dezember werde man einen Verfahrensvorschlag zum Umgang mit der Grundsteuer und den Hebesätzen vorlegen.
Grundsätzlich kann der Grundsteuerhebesatz bis zum 30. Juni eines Jahres rückwirkend zum 1. Januar eines Jahres beschlossen werden. Man habe also bis Mitte des Jahres 2026 Zeit, eine Entscheidung zu treffen, und könne in Ruhe beraten. Allerdings wäre der Aufschub problematisch, weil dann die Liquidität im Haushalt fehlt.
In der laufenden Woche sei noch ein Urteil des Bundesfinanzhofes zur Grundsteuer insgesamt zu erwarten. Auch dieses Urteil müsse man abwarten, bevor man in der Ratssitzung eine Einschätzung abgegeben könne.
Im Schlußsatz folgte eine sehr wichtige Information des Kämmerers. Würde das Gelsenkirchener Urteil Bestand haben und alle Grundstücke einem einheitlichen Hebesatz unterworfen, dann seien einheitlich 917 Hebesatzpunkte notwendig für die vorgeschriebene Aufkommensneutralität.
Der aktuelle Hebesatz für Wohngrundstücke beträgt 727 v. H.
Die Debatte.
Zunächst stellte Herr Prohl (SPD) fest, man wolle ohne Votum vorberaten. Das Gelsenkirchener Urteil sei „eine Katastrophe“. Die differenzierten Hebesätze für Oberhausen seien nicht ohne Grund beschlossen worden, obwohl man sich des Risikos bewußt gewesen sei. Man würde sehr ungern die Hebesätze zweimal anpassen.
Frau Stehr (CDU) schloß sich ihrem Vorredner inhaltlich an und lieferte eine Erläuterung zum besagten „Anpassen“: Man wolle es eigentlich nicht; auch wäre es „nicht ideal“, gleich in der ersten HFA-Sitzung die Steuern zu erhöhen.
Herr Lütte (FOB) fragte nach, ob nach dem Gang durch die Instanzen, wenn das Urteil rechtskräftig sei, rückwirkend zum 1. 1. 2025 eine Neuberechnung erfolgen werde.
Stadtkämmerer Tsalastras stellte zweierlei fest: Es seien sehr wenige Klagen in Oberhausen eingereicht worden. Es sei davon auszugehen, daß in diesen Fällen die geringeren Hebesätze für Wohngrundstücke zur Anwendung kämen (Mindereinnahmen 30.000 €).
Ferner müsse man bei der Neufestsetzung natürlich das Gerichtsurteil berücksichtigen, weil man keine rechtswidrigen Hebesätze beschließen könne. Er persönlich gehe davon aus, daß es keine rückwirkende Neuberechnung gebe, sondern nur eine mit Wirkung für die Zukunft. Aber das hänge davon ab, wie die Gerichte in weiteren Verfahren entscheiden. Man könne letztlich nur abwarten.
Vielleicht könne er zur Ratssitzung die finanziellen Auswirkungen des Urteils näher darstellen, damit man diese bei künftigen Entscheidungen berücksichtigen könne. Er biete den Fraktionen an, diese im neuen Jahr über den Haushalt und auch über die Grundsteuer zu informieren und beraten.
Zur Problematik der Bewertung.
Herr Noldus (AfD) wies auf die Vorlage B/17/1061-01 hin, die am 15. November 2021 dem Rat vorgelegt worden war (wir berichteten am 19. 11. 2021). Zum seinerzeitigen Sachstand zur Grundsteuerreform heißt es da:
„Da Experten davon ausgehen, daß sämtliche Bewertungsverfahren frühestens im Kalenderjahr 2027 abgeschlossen sein werden, kann auch erst zu diesem Zeitpunkt festgestellt werden, ob mit den angewandten Hebesätzen das Ziel der aufkommensneutralen Neufestsetzung der Grundsteuer erreicht wurde.“
Die Frage sei nun, ob diese Aussage nach wie vor gültig sei, nämlich daß praktisch die Bewertungsverfahren noch nicht komplett abgeschlossen sind und daß damit gewissermaßen die Festsetzung von Hebesätzen noch einen Unsicherheitsfaktor enthält.
Der Beigeordnete Tsalastras meinte, das gelte nach wie vor. Ferner wisse man durch Rückmeldungen des Finanzamtes, daß man mit ungefähr einer Million Euro unterhalb der Schwelle zur Aufkommensneutralität liege. Dieser Betrag könne sich noch erhöhen.
Das sei zu erwarten, wenn das Finanzamt nach Einsprüchen die Meßwerte nach unten korrigiere. Bisherige Erfahrungen zur Bearbeitung von Widersprüchen deuteten an, daß grundsätzlich die Werte nach unten korrigiert würden. Die Folge sein ein nochmals verringertes Grundsteueraufkommen.
Wenigstens sei davon auszugehen, daß ein großer Teil dieser Einsprüche abgearbeitet worden ist. Der verbliebene Rest würde wahrscheinlich im Laufe des Jahres 2026 abgearbeitet werden.
Nachfrage von Herrn Noldus (AfD), ob also bis 2027 oder bis zu dem Zeitpunkt, wo die sämtlichen Bewertungsverfahren abgearbeitet sind, ein Schwebezustand bestehe, was die Festsetzung der Hebesätze zur Gewährleistung der Aufkommensneutralität angeht.
Der Beigeordnete erklärte nach einem rhetorischen Schlenker („Es gibt immer einen Schwebezustand…“), daß man so lange die Hebesätze anpassen würde, bis die Aufkommensneutralität erreicht sei. Er gehe davon aus, daß der Großteil der Bewertungsverfahren 2025 bereits erledigt worden ist und ein Teil noch 2026 abgearbeitet wird. Er glaube nicht, daß es bis 2027 dauern werde.
Er befürchte etwas ganz anderes; nämlich daß man wegen des Gelsenkirchener Urteils eine völlig andere Ausgangssituation bekomme und eine vollständige Neuberechnung werde vornehmen müssen. Er verwies auf seine eingangs gemachten Erklärungen, daß man zunächst abwarten müsse, bis das Urteil vorliege, weil man erst dann wisse, was konkret beschlossen worden ist. Und wenn das Urteil Bestand habe, werde man im nächsten Jahr eine Neuberechnung vornehmen müssen.
Der Ausschuß beriet die Vorlage ohne Votum vor.