Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie willfährig die Ausländerbehörde ihr Handeln vor einer bestimmten Klientel rechtfertigt und Arbeitsaufträge mitnimmt. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20251221b_Int-Rat_Auslaenderbehoerde

Zur Ausgangslage.

In der ersten Sitzung des Ausschusses für Chancengerechtigkeit und Integration am 9. 12. 2025 stand auch ein Antrag auf Sachdarstellung A/18/0236 der LINKEN zur Situation im Fachbereich Ausländer- und Staatsangehörigkeitsangelegenheiten auf der Tagesordnung.

Unter TOP 14 aufgerufen, hatte Herr Karacelik (LINKE) als Antragsteller das erste Rederecht:

Dieser erklärte zunächst, wie intensiv der Wahlkampf war und man zudem noch die übliche Sozialberatung durchgeführt habe. Man habe mehrere Beschwerden besonders zur Einbürgerung erhalten. Dabei seien die langen Wartezeiten für Einbürgerungen, drei, vier Jahre, hervorgehoben worden.

Das sei ein strukturelles Problem bei der Ausländerbehörde. Ebenso die aus seiner Sicht erkennbare Überlastung der Fachbereichsleiterin u.a. Online-Beratungen in verschiedenen Bereichen. Das alles laßt. habe die LINKE zu dem vorliegenden Antrag veranlaßt.

Die Stellungnahme der Ausländerbehörde.

Der Bereichsleiter Ausländer- und Staatsangehörigkeitsangelegenheiten, Herr Nößler, nahm in einem sehr strukturierten und konzentrierten Vortrag zu allen Fragen des Antrages Stellung.

Zu 1: Wie viele Mitarbeitende arbeiten aktuell in der Abteilung für Einbürgerungsverfahren?

Bis zum Ende des Jahres 2024 waren es drei Mitarbeiter des gehobenen und vier im mittleren Dienst. Wegen der Belastungsanzeigen und der allgemeinen Tendenz wurde die Zahl im gehobenen Dienst auf sieben und im mittleren (sog. Front-Office) ebenfalls auf sieben erhöht. Damit sind 14 Mitarbeiter überwiegend mit Einbürgerungen beschäftigt.

Zu 2: Wie lauten die Prognosen für die Wartezeiten nach Antragsstellungszeitpunkt?

Die sog. Terminvorlaufzeiten betrugen ursprünglich

  • 12 bis 15 Monate in Oberhausen,

  • rund 23 Monate in Duisburg,

  • 18 Monate in Essen,

  • 12 bis 15 Monate in Mülheim.

Die Terminvorlaufzeit in Oberhausen wurde inzwischen auf 6 bis 7 Monate verringert.

Liegt ein vollständiger Antrag – mit wirklich allen Unterlagen – vor, beträgt die Bearbeitungszeit etwa drei bis sechs Monate, so daß im Regelfall die Einbürgerung bei den entsprechenden Voraussetzungen in etwa 12 Monaten erfolgt.

Zu 3: Wie viele Untätigkeitsklagen wurden wegen der langen Bearbeitungszeiten 2024 und 2025 eingereicht?

2024 wurden sieben und 2025 bisher vier Untätigkeitsklagen eingereicht. Alle Klagen wurden erfolgreich abgewehrt.

Zu 4: Was sind die Verzögerungsgründe?

Ganz allgemein und generell formuliert, liegen folgende Gründe für eine Verlängerung des gesamten Prozesses der Einbürgerung vor:

  • Eine erhebliche Antragssteigerung in den Jahren 2015, 2016.

  • Eine Verkürzung der Einbürgerungszeiten von acht auf sechs Jahren.

  • Ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz im Sommer 2024 mit einer weiteren Verkürzung der bisherigen Aufenthaltszeit auf fünf Jahre.

Die gesetzlichen Änderungen haben somit direkten Einfluß auf die Fragen zu Staatsangehörigkeiten. Der Verkürzung der Aufenthaltszeiten steht eine inzwischen deutliche Verschärfung der wirtschaftlichen Anforderungen gegenüber, wodurch sich die individuelle Antragsverarbeitung deutlich verlängert hat.

Statistisch läßt sich bei den Anträgen auf Einbürgerung eine Steigerung um rund 570% feststellen für die Jahre von 2021 bis 2025. Den 212 Anträgen 2021 stehen über 1040 Anträge 2024 und (bis zum 30. November) 2025 1169 Anträge gegenüber.

Es wurden in Oberhausen Einbürgerungen vollzogen (für 2025 bis 30. 11. 2025):

2021

291

2022

392

2023

476

2024

554

2025

358

Die gestiegenen Fallzahlen konnten auch durch den Personalzuwachs nicht vollständig aufgefangen werden, zumal im Bereich Einbürgerungen zwei erfahrene Mitarbeiter in andere Bereiche gewechselt sind. Die Qualifizierung der neuen Mitarbeiter nimmt demgegenüber viel Zeit in Anspruch.

Man hoffe, nach deren Einarbeitung die Zahlen effizient zu steigern.

Zu 5: Wie viele Personen stehen derzeit auf der Warteliste (bitte das Jahr der Antragseingänge mit angeben)?

Wenn man als „Warteliste“ die noch offenen, aber abschließend bearbeiteten Anträge bezeichnet, ergeben sich für die Jahre 2024 und 2025 noch 1165 offene Fälle.

Man vergleiche die Zahl mit der der gestellten Anträge auf Einbürgerung, nämlich 1169 bis zum 30. 11. 2025.

Zu 6: Liegt ein Konzept zur Senkung der Personalintensität pro Einbürgerungsfall vor?

Es liegt ein Konzept zur Senkung der Personalintensität pro Einbürgerungsfall vor. Die hohe Fallsteigerung ist im Bereich 4.1 Personal und Organisation zum Anlaß genommen worden, trotz der Haushaltslage das Personal im Bereich der Einbürgerungen zu verstärken. Insgesamt habe man acht neue Kollegen dort begrüßen dürfen [vgl. oben].

Mit der Einrichtung des Front-Office ab März 2024 sei die Entgegennahme von Anträgen neu organisiert worden. Mit der Einführung der digitalen Terminvergabe, wie sie auch im Bürgerservice eingesetzt wird, sei ebenfalls eine Entlastung verbunden.

Im Serviceportal der Stadt habe man einen „Quick Check“ angelegt, um diejenigen, die mit dieser Technik umgehen können, über die Voraussetzungen der Einbürgerung und über die notwendigen Unterlagen zu informieren.

Alles zusammen bilde das Konzept, mit welchem nach der internen Qualifizierung der neuen Mitarbeiter eine spürbare Entlastung zu erwarten ist und die deutlich schnellere Bearbeitung der vielen Anträge auch tatsächlich ermöglichen.

Die Debatte.

Herr Ejodamen (UFFO) erklärte, „die afrikanischen Völker hier in Oberhausen“ seien mit der Situation bei der Einbürgerung nicht zufrieden. Man rede immer von den Voraussetzungen der Einbürgerung, aber „viele Mitglieder“ hätten diese Voraussetzungen sogar übertroffen und würden dennoch abgelehnt. Es gebe keine konkreten Gründe dafür.

Frau Ojeabulu (UFFO) ergänzte, „bei uns in der Black Community“ sei die Situation für viele sehr belastend, weil sie die Voraussetzungen erfüllten. Sie würden, nach ihrer persönlichen Einschätzung, nicht wirklich wahrgenommen werden. Es liege ein persönliches Problem vor?!

Das Problem der Wartezeiten: Dokumente müssen im Herkunftsstaat beschafft werden, sind aber meistens nur für sechs Monate gültig und bei Wahrnehmung des Termins in der Behörde bereits verfallen.

In einem weiteren Fall habe sich jemand von seiner Frau getrennt und eine neue Beziehung begonnen, müsse aber für die Schulden seiner Ex-Partnerin in Höhe von 19.000 € einstehen und diese monatlich abzahlen. Die Voraussetzungen für die Einbürgerung lägen vor, aber wegen dieser Schulden sei der Antrag abgelehnt worden.

Die Vorsitzende Erdas erklärte, sie sei die Letzte, die für den Bereich Ausländerbehörde irgendeine Lanze brechen möchte. Es werde viel an sie herangetragen wegen des Personalmangels und wegen der Terminschwierigkeiten. Darüber brauche man nicht zu reden.

In etwas längeren Ausführungen wies sie darauf hin, daß der erste Fall – Terminvergabe und Gültigkeit eingereichter Dokumente – ein strukturelles Problem sei, welches der Bereichsleiter „mitnehmen“ können. Aber der zweite Fall sei ein Einzelfall; und solche könne man hier nicht besprechen.

Herr Karacelik (LINKE) erklärte in verschlungenen Wendungen, die in dieses Gremium gewählten Vertreter würden angesprochen: „Wir haben dich gewählt. Das sind unsere Probleme.“

Es habe sich seit dem letzten Mal (der Besuch Frau Dr. Huxhorns im Integrationsrat am 7. 5. 2024; wir berichteten) nichts geändert. Er habe Frau Dr. Huxhorn trotz ihres Angebotes seinerzeit, er könne sich melden, angeschrieben, ohne eine Rückmeldung zu bekommen.

Danach spricht Herr Karacelik über ein ehemaliges Mitglied des Integrationsrates und dessen Schwierigkeiten bei der Einbürgerung. Wenn man sich nicht hier damit beschäftige, wo sonst? Hier wurde etwas über die Struktur gesagt, aber das interessiere ihn nicht. Es müsse etwas passieren, damit die Menschen nicht jahrelang warten.

Die Vorsitzende Erdas stellte klar, daß niemand einen dieser vorgetragenen Fälle als unwichtig abgetan habe, aber in diesem Gremium würden Einzelfälle nicht besprochen.

Der Beigeordnete Schmidt stellt angesichts der aufkommenden Kritik klar, daß die Verwaltung das Thema aufgenommen habe, sonst wäre der Personalbestand nicht verdoppelt worden. Jedoch würden die Abläufe durch neue Regelungen bzw. Rahmenbedingungen jedesmal erschwert.

Ja, das Gremium solle dazu dienen, für Sensibilität zu sorgen und nachzusteuern, wenn die Möglichkeiten organisatorisch bestehen. Neben dem Arbeitskreis Flucht und Migration, dem Lenkungskreis Integration gebe es „ganz viele Gremien“, wo man Einzelfälle anspreche, was dann wiederum Einfluß auf die Gestaltung der Arbeit der Ausländerstelle habe.

Er bitte also darum, von der Besprechung von Einzelfällen abzusehen; dafür gebe es die Einzelfallberatung. Aber in manchen Fällen, die auch bei ihm angekommen seien, könne man als Verwaltung einerseits nicht eine Ablehnung aussprechen, um dann sozusagen – als Verwaltung – gegen sich selber vorzugehen. Um gegen Ablehnungen vorzugehen, gebe es die rechtlichen Rahmenbedingungen, die man nutzen könne.

Dieses Gremium könne sicher sein, daß man sensibel mit dem Thema umgehe. Daher habe man auch mit dem Kommunalen Integrationsmanagement geregelt, daß von dort Personal in die Arbeit der Ausländerstelle eingebunden ist.

Herr Basoglu (Gerechte) schlug vor, analog zu seiner Firma eine „Community“ aufzubauen, welche – auch anonyme – Verbesserungsvorschläge entgegennehme. Jeder Vorschlag sei durch eine Nummer zu identifizieren, so daß man dazu bei der Verwaltung oder dem Betriebsrat vorsprechen könne.

Herr Noldus (AfD) fragte nach, ob die acht neuen Mitarbeiter, die bis September 2025 eingestellt worden sind, innerhalb der Stadtverwaltung umgesetzt worden sind oder ob es sich um neue Stellen handelte.

Antwort des Bereichsleiters: Es handelte sich um Auszubildende der Stadt, die nach ihrer Ausbildung dort angefangen haben. Es seien keine externe Einstellungen.

Wegen der Überlastungen und der Fallzahlsteigerung habe man das neue Personal zunächst für zwei Jahre bekommen. Dann werde man prüfen, ob diese Personalressourcen noch dauerhaft notwendig sind. In Zusammenarbeit mit dem Bereich 4.1 habe man die Personalplanung so vorgenommen, um die Anforderungen im Bereich der Einbürgerungen zu bewältigen.

Der Beigeordnete Schmidt ergänzte, es handele sich um ein übliches Verfahren. Der Verwaltungsvorstand entscheide im Hinblick auf Themenfelder oder Aufgabenbereiche mit besonderen Herausforderungen, wo die Nachwuchskräfte eingesetzt würden.

Ein Schwerpunktthema sei die Unterstützung der Ausländerstelle, weshalb dort zusätzliches Personal außerplanmäßig eingesetzt werde. Nach einer gewissen Zeit wird geprüft: Besteht der Bedarf dauerhaft oder sind Belastungsspitzen abgearbeitet worden, so daß man das Personal wieder reduzieren könne.

Herr Prohl (SPD) legte ausführlich dar, warum der Ausschuß weder das Recht noch die Möglichkeit habe noch mache es Sinn, über Einzelfälle zu sprechen. Er kritisierte Herrn Karacelik (LINKE), weil dieser nach seiner Ansicht ständig über Einzelfälle spreche, um eine öffentliche Wirkung zu erzielen. Eine Einzelfallbetrachtung sei in keinster Form Teil der kommunalen Willensbildung; für letztere sei dieses Gremium ja geschaffen worden.

Eine polemisch angehauchte Schlußbemerkung nahm Herr Noldus (AfD) zum Anlaß, die von Herrn Prohl gewählte Form gegenüber Herrn Karacelik zu kritisieren, was ihm einen Hinweis der Vorsitzenden eintrug, für die Feststellung eines unangemessenen Tonfalles sei sie zuständig. Herr Aksünger (DIL) äußerte sich seinerseits kritisch zum Wortbeitrag von Herrn Prohl.

Herr Babic (CDU) merkte an, nach seinem Kenntnisstand brauche ein neuer Mitarbeiter in der Ausländerbehörde etwa zwei Jahre, um die juristischen Hintergründe des Einbürgerungsverfahrens zu verstehen und umzusetzen. Was die immer wieder aufkommende, auch emotionale Diskussion des Themas angehe:

Könne man nicht die „Einzelfälle“ sammeln, damit die Geschäftsführung und die Vorsitzende ein Austauschformat mit der Ausländerbehörde findet, um diese zu besprechen?! Das wäre ja eine Idee, um nicht immer in irgendwelche Einzelfälle abzudriften. Oder man setzte sich mit dem hier anwesenden Bereichsleiter oder mit Frau Dr. Huxhorn und dem Beigeordneten Schmidt zweimal im Jahr hin, um aus den Communities auftauchende besondere Fälle zu besprechen.

Die Vorsitzende merkte mit Blick auf die letzte Äußerung an, daß man „genau an so einem Thema dran“ sei. Auch wenn die Umstände in der Ausländerbehörde „nicht schön“ seien, müsse sie den anwesenden Bereichsleiter in Schutz nehmen und nannte einen positiv hervorstechenden Einzelfall, von dem sie persönlich erfahren habe. Auch habe man viel mehr als in Essen, Mühlheim, Duisburg. Der Bereichsleiter habe zudem dieses Gremium aufgesucht, obwohl alles sehr kurzfristig gewesen sei.

Und was „diese Fälle“ angehe, so sei es an den langjährigen Mitgliedern des Ausschusses, in die Geschäftsstelle zu kommen, um ein Projekt dazu zu starten, obwohl es aus datenschutzrechtlichen Gründen schwierig sei, Einzelfall-Daten zu sammeln.

Man werde auch weiterhin an dem Thema dran bleiben, weil es eine Situation sei, die „auf der anderen Seite“ wie ein Mißstand erlebt werde.

Frau Ojeabulu (UFFO) kam wieder auf „zwei, drei Vorfälle bei uns“ zu sprechen. Jemand habe den Wartebereich für einen Gang zur Toilette verlassen und sei „drei bis fünf Minuten“ zu spät zurückgekommen. Die Annahme von Dokumenten sei verweigert worden. Ob das erlaubt sei?

Bereichsleiter Nößler erklärte, dazu gebe es keine gesetzlichen Regelungen. Es gebe eine eng getaktete Terminvergabe mit vorgegebenen Zeitkorridoren. Wenn man zu dem Termin nicht erscheint, das passiere leider sehr häufig, kommt der Nächste dran. 20 Minuten zu spät bedeutet „Termin verpaßt“, aber bei drei bis fünf Minuten…

Herr Demirci (Team) hatte eine spezielle Frage zum Thema „Verlängerung von Aufenthaltstiteln“; Herr Nößler stellte eine Reorganisation auch in diesem Sektor in Aussicht. Und weiter:

Beschwerden und Nachfragen von Anwälten stellten zunehmend ein Problem dar. Die Bearbeitung des juristischen Schriftverkehrs nehme die Arbeit von zwei Planstellen in Anspruch, weil die Sachverhalte immer komplex und individuell seien. Dazu gehöre auch die Abwehr verwaltungsrechtlicher Klagen, hier sei in erster Linie Frau Dr. Huxhorn zuständig, welche die Behörde im Regelfall gewinne. Das stelle besonders hohe Anforderungen an die neuen Mitarbeiter, sich einzuarbeiten.

Herr Babic (CDU) erklärte, die von Frau Ojeabulu (UFFO) vorgetragenen Beispiele seien genau das, was man brauche. Die könne Herr Nößler in seiner nächsten Teambesprechung ansprechen.

Danach beantwortete der Bereichsleiter eine Frage von Herrn Karacelik (LINKE) zur Arbeit des Sicherheitsdienstes, der anläßlich der Corona-Krise eingeführt worden war.

Zwei Fragen von Herrn Basoglu (Gerechte) konnte er nicht mit Sicherheit beantworten. Die Vorsitzende merkte an, daß man das mit dem Protokoll nachreichen werde und schloß den Tagesordnungspunkt.