In der Ratssitzung vom 6. Februar wurde auch eine „Anregung des Integrationsrates nach § 27 Abs. 8 der Gemeindeordnung NRW“ gebilligt. Wir erklären, was es damit auf sich hat. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20230209b_Integrationsrat_Anregung
Etwas zur Stellung des Integrationsrates.
In § 27 der NRW-Gemeindeordnung sind die grundlegenden Rechte des Integrationsrates festgelegt. In Absatz 3 ist der privilegierte Kreis der deutschen Staatsangehörigen bezeichnet, die trotz der Bestimmung in Artikel 3 des Grundgesetzes („Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse… benachteiligt oder bevorzugt werden.“) ein besonderes Wahlrecht ausüben dürfen.
In § 27 Absatz 8 heißt es: „Rat und Integrationsrat sollen sich über die Themen und Aufgaben der Integration in der Gemeinde abstimmen. Der Integrationsrat kann sich darüber hinaus mit allen Angelegenheiten der Gemeinde befassen. Auf Antrag des Integrationsrates ist eine Anregung oder Stellungnahme des Integrationsrates dem Rat, einer Bezirksvertretung oder einem Ausschuss vorzulegen. Der Vorsitzende des Integrationsrates oder ein anderes vom Integrationsrat benanntes Mitglied ist berechtigt, bei der Beratung dieser Angelegenheit an der Sitzung teilzunehmen; auf sein Verlangen ist ihm dazu das Wort zu erteilen.“
Bei den Wahlen zum Integrationsrat im September 2020 erhielten von 2923 abgegebenen gültigen Stimmen bei 36504 Wahlberechtigten (3001 abgegebene Stimmen gleich 8,2% Wahlbeteiligung)
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Team Oberhausen 1818 Stimmen;
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Demokratische Immigranten-Liste (DIL) 888 Stimmen;
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Nigeria Voice in Diaspora (NIVID) 217 Stimmen.
Durch einen Ratsbeschluß (gegen die Stimmen der AfD) vom 20. 9. 2021 erhielt der Integrationsrat das Recht, in acht Ausschüsse und zwei Beiräte jeweils einen Vertreter mit beratender Stimme zu entsenden. Dieser Vertreter hat Rederecht, darf sich aber nicht an Abstimmungen beteiligen. Der Integrationsrat entsandte einen NIVID-, drei DIL- und sechs Team-OB-Vertreter in Übereinstimmung mit dessen prozentualem Stimmenverhältnis.
NIVID mit 217 Wählerstimmen erhielt also einen, DIL mit 888 drei Ausschußsitze. Über § 27 Abs. 8 der Gemeindeordnung erhalten sie insofern ein Antragsrecht, soweit sich der Integrationsrat einen Antrag, „Anregung“ genannt, von NIVID oder DIL zu eigen macht.
Offen für Bürger (OfB) erreichte bei der Kommunal- bzw. Ratswahl 2020 1151 Stimmen und ist im Rat nur durch den Stadtverordneten Horn vertreten, der kein eigenständiges Antragsrecht besitzt und einem einzigen Ausschuß als beratendes Mitglied (ohne Stimmrecht) angehört. OfB darf auch keine Vertreter in Ausschüsse entsenden.
Bei der Ratswahl erhielt die FDP 1988 Stimmen und BOB 1913 Stimmen; beide errangen je zwei Ratssitze. Sie sind damit zwar in jedem Ausschuß (sofern dieser eine gewisse Größe überschreitet) stimmberechtigt vertreten, besitzen aber im Rat ebenfalls kein eigenständiges Antragsrecht (wie bei OfB; allerdings sind Änderungsanträge – auch für OfB – möglich).
Team Oberhausen (1818 Wähler) kann zwar infolge der internen Vereinbarung nur sechs der dem Integrationsrat bewilligten Ausschüsse besetzen, besitzt aber wegen der absoluten Mehrheit im Integrationsrat durch § 27 Abs. 8 GO NRW faktisch ein eigenes Antragsrecht wie eine Ratsfraktion, auch wenn mit der vorgelegten „Anregung“ im Rat kein Stimmrecht des Antragstellers verbunden ist. Für den „Anregung“ genannten Antrag müssen sich dann allerdings Mehrheiten finden. Das gilt aber für Anträge generell.
Zum Inhalt von „Gemeinwesenarbeit als Demokratisierungsarbeit“.
Die Ratssitzung vom 6. Februar bot insofern eine Besonderheit, als hier erstmals (seit November 2020) unter TOP 28.1 eine „Anregung gemäß des Integrationsrates gemäß § 27 Abs. 8 der Gemeindeordnung NRW: Gemeinwesenarbeit als Demokratisierungsarbeit am Beispiel OB-Lirich (B/17/3074-01)“ vorgelegt wurde. Diese „Anregung“ war am 6. 12. 2022 vom Integrationsrat gegen die Stimme des AfD-Vertreters Noldus verabschiedet worden.
Da der Integrationsrat als Gast in den Räumen der Alevitischen Kulturgemeinde getagt hatte, und auch angesichts der vorweihnachtlichen Stimmung, hatte sich Herr Noldus seinerzeit nicht dazu geäußert. In der Ratssitzung war die Situation naturgemäß anders.
Frau Erdas (Vorsitzende des Integrationsrates / Team Oberhausen) stellte die Anregung des Integrationsrates unter der üblichen Bezugnahme auf die „demokratischen Parteien“ in längeren Ausführungen vor:
Die Liricher sind anfällig für Fremdenhaß und rechte Ideologien, weil sie arm sind, arbeitslos sind, in einem heruntergekommenen Stadtviertel leben, nicht wählen gehen, die falschen Parteien wählen.
Das ist die Perspektive von jemandem, der sich den Speck auf den eigenen Rippen leisten kann.
Ideologisch ist die Anregung dadurch gekennzeichnet, daß viel von Rechtsextremismus, aber nie von Linksextremismus die Rede ist. Mit „exkludierenden (d.h. ausschließenden) Ideologien“ ist nicht der Islam gemeint, der weltanschaulich die Menschen in zwei ungleichwertige Kategorien (Gläubige und Ungläubige) unterteilt und auch innerhalb seines eigenen logischen Denkgebäudes die Ungleichheit (so z. B. von Mann und Frau) theoretisch rechtfertigt.
In seiner Rede rechnete Herr Noldus mit jener gehässigen und bösartigen Vorlage ab, da sie die Liricher unter Generalverdacht stellte. Das jahrzehntelange Totalversagen der Sozialdemokraten, die das Verschwinden der Industrie und damit der Arbeitsplätze mit hohlen Phrasen begleitet hatten, wurde klar benannt; ebenso die linksextremistischen Hetzer, die mit „NRWeltoffen“ und „Demokratie leben“ ihre dubiose Existenzen finanzieren.
Es ist eine Sache, AfD-Ratsvertreter als Rassisten, Extremisten oder ähnliches zu bezeichnen. Wer für die AfD in der Öffentlichkeit steht, muß damit rechnen, daß sich ein gewisses Primatentum seiner begrenzten Ausdrucksmöglichkeiten gemäß artikuliert.
Wer aber Menschen denunziert, die ihr Recht auf Wahlfreiheit nutzen und sich von der SPD abwenden, nachdem sie jahrzehntelang betrogen worden sind (1985 in Lirich 72 Prozent SPD; und heute?), ist schlichtweg moralisch minderwertig.
Zum Schluß seiner Rede empfahl Herr Noldus den vernünftigen Mitgliedern des Integrationsrates, sich nicht von einem geltungssüchtigen Geschäftsführer des Integrationsrates dazu verführen zu lassen, politisch perspektivlosen Linksextremisten nachzulaufen. Zum Redetext siehe Anlage.
Frau Bongers (SPD) fühlte sich wohl verpflichtet, den Lirichern zu kondolieren. Sie sei glücklich, daß der Integrationsrat so demokratisch aufgestellt ist. Die Begründung des Antrages sei ausführlich genug, sie wolle da auch nichts ergänzen, zumal die Vorsitzende des Integrationsrates die Inhalte gut dargelegt habe. Alle Demokraten stünden zusammen gegen die Feinde der Demokratie.
Frau Baumann (GRÜNE) ergänzte etwas. Die Verwaltung werde genau prüfen, was im einzelnen bei der Umsetzung dieser Vorlage gemacht werden müsse.
Die Vorlage wurde also, wie nicht anders zu erwarten, vom Rat gebilligt.
Nachtrag:
In einer Pressemitteilung vom 7. 2. 2023 ließ die Vorsitzende des Integrationsrates, Frau Erdas, verlauten:
„Mit den Stimmen der demokratischen Fraktionen und Gruppen wurde die Verwaltung beauftragt, die Anregung unter der aktiven Beteiligung der Förderprogramme des Bundes „demokratie leben“ und des Landes „NRWeltoffen“ zu prüfen und den politischen Gremien einen Vorschlag vorzulegen.
„Ich freue mich über diesen Beschluss. Damit wird dort angesetzt, wo auffällige Entwicklungen sind, um Demokratie vor Ort zu stärken. Die niedrige Wahlbeteiligung, der Zuspruch für demokratiefeindliche Gruppen sowie soziale Probleme erfordern ein schnelles Handeln. Die demokratische Phalanx in Oberhausen steht. Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen in die Oberhausener Stadtgesellschaft.“
Wir bedauern, daß hier der Stadtverordnete Horn als Einzelvertreter nicht zu den „Stimmen der demokratischen Fraktionen und Gruppen“ gezählt wurde, obwohl er in der Ratssitzung brav zustimmte.
Frau Erdas freut sich auf einen Beschluß, der allen Menschen in Oberhausen bedeutet: Wer arbeitslos ist, wer arbeitslos wird, wer nur eine kleine Rente bezieht, ist möglicherweise ein Feind der Demokratie, den es umzuerziehen gilt.
Wir freuen uns ebenfalls auf diesen Beschluß, da wir das städtisch geförderte Denunziantentum bei seiner Arbeit begleiten werden.
Anlage:
Rede des Stadtverordneten Noldus (AfD) in der Ratssitzung am 6. 2. 2023 zur Ablehnung der Vorlage B/17/3074-01 „Anregung des Integrationsrates gem. § 27 Abs. 8 der GO NRW: Gemeinwesenarbeit als Demokratisierungsarbeit am Beispiel OB-Lirich“.
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete!
„Lirich is schmierich“, sagte man früher oft. Aber Lirich war auch Zuhause. Ein Zuhause für Menschen, die hart gearbeitet haben und die sich dennoch nur wenig leisten konnten.
Früher, da hat man in Oberhausen SPD gewählt. 1980 zum Beispiel 60 Prozent, 1985 sogar 66 Prozent, bei Landtagswahlen! Und in Lirich sowieso: 1985 zwischen 72 und 73 Prozent in allen Liricher Wahlkreisen. Und, meine Damen und Herren von der SPD: Wo sind eure Wähler heute?
Als die Zechen starben, sagtet ihr: „Das ist der Strukturwandel!“
Als in den 80er und 90er Jahren die Stahlindustrie nach und nach verschwand, hieß es: „Das ist die Globalisierung!“
Und als dann nach der Jahrtausendwende die versprochenen, guten Arbeitsplätze ausblieben, hieß es nur: „Das ist die Digitalisierung!“
Ihr habt einfach nur zugesehen, wie die Arbeitsplätze kaputt gegangen sind. Erst habt ihr den Menschen die Arbeit genommen, jetzt nehmt ihr den Menschen die Würde!
Über 70 Prozent haben euch damals in Lirich ihr Vertrauen geschenkt! Und jetzt?
Diese erbärmliche Vorlage ist eine einzige Beschimpfung, eine einzige wüste Beschimpfung eurer ehemaligen Stammwähler. Auf Leute, die schon halb am Boden liegen, – da könnt ihr gut herumtreten. Das ist die SPD von heute!
Wer steht denn nun hinter dieser Vorlage?
Frau Erdas tritt hier für den Integrationsrat auf, für „Team Oberhausen“. Was ist denn „Team Oberhausen“? 20 Türken und ein Bosnier – soviel zum Thema „Rassismus“!
Wer sind denn die Leute, die an diesen langfristigen Projekten interessiert sind?
Da ist ein Herr Wilger, hauptberuflich arbeitslos; er nennt das Erwachsenenbildung! Er möchte auf Kosten des Steuerzahlers seine eigene finanzielle Situation langfristig stabilisieren.
Da ist ein Herr Paasch von „Demokratie leben“, der die DKP öffentlich als seine geistige Heimat bezeichnet hat. Dann lassen Sie sich mal von diesem Kommunisten „Demokratie“ erklären. Sie machen das schon!
Sie werden auch dieser erbärmlichen Vorlage zustimmen. Schließlich finanzieren sie ja auch Linksextremisten und Antisemiten. Das hat ja nun – leider – schon Tradition in Oberhausen.
Zuletzt möchte ich den vernünftigen Mitgliedern des Integrationsrates empfehlen: Schauen Sie genau hin, wessen Interessen Sie vertreten! Lassen Sie sich nicht von einem geltungssüchtigen Geschäftsführer des Integrationsrates dazu verführen, politisch perspektivlosen Linksextremisten nachzulaufen!“