Die AfD-Ratsfraktion Oberhausen/Rhld. ist vor Gericht mit ihrem Bemühen gescheitert, die Behauptung, es befänden sich in ihren Reihen bekennende Neonazis, zu unterbinden. Sie betrachtet den Ausgang des Verfahrens als bezeichnend für das politische Klima und die Rechtsprechung dieses Landes. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20230916b_PM_Meinungsfreiheit_Verleumdung
„Bekennende Neonazis“ im Stadtrat?!
Am 21. 8. 2023 hatten wir an dieser Stelle der Internetseite des AfD-Kreisverbandes Oberhausen angekündigt, daß die AfD-Ratsfraktion gegen eine Behauptung auf der Internetseite der örtlichen LINKEN Liste mit juristischen Mitteln vorgehen werde. Der Vorsitzende der Oberhausener LINKEN-Fraktion, Yusuf Karacelik, hatte in einem Artikel behauptet:
„Denn es ist ein großer Unterschied, im Rat zu einem Antrag gleich abzustimmen oder einem Antrag der AfD, in deren Reihen sich bekennende Neonazis befinden, aktiv zuzustimmen und damit ihre Politik aufzuwerten. Gleiches Abstimmungsverhalten kann vorkommen, weil das Abstimmungsverhalten der Ratsfraktionen nicht immer vorhergesehen werden kann.“
Auch der Nachsatz befaßte sich mit der Möglichkeit der Zustimmung zu einem Antrag im Rat trotz einer gegensätzlichen Weltanschauung und damit war eindeutig erkennbar, daß es sich um eine Tatsachenbehauptung über die AfD-Ratsfraktion handelte. Damals schrieben wir über das Ziel des Verfahrens:
„Es läuft darauf hinaus, die Grenze zwischen Verleumdung und Meinungsfreiheit an diesem einen Beispiel einer juristischen Prüfung zu unterziehen.“
Zur Begründung des Vorgehens der AfD-Ratsfraktion.
Um es gleich klarzustellen: Herr Karacelik und die LINKE sind völlig irrelevante Randfiguren des politischen Geschehens, die schon von selbst durch ihr Handeln ihre Wähler verscheuchen (in Oberhausen 2008 6492, 2020 3013 Stimmen bei den Kommunalwahlen). Und auch bundesweit betrachtet, wird die LINKE konsequent von den Wählern abgestraft und damit ein unbestechliches Urteil über die Qualität der politischen Arbeit dieses Sektierertums gefällt.
Die juristischen Schritte gegen die Äußerungen Karaceliks waren für die AfD-Ratsfraktion einfach nur ein Test; ein Test nämlich, inwieweit die Rechtsprechung dieses Landes noch in der Lage oder gewillt ist, elementare Persönlichkeitsrechte von Kommunalpolitikern zu schützen. Das kann bzw. will sie nicht immer.
Die Argumentation des LG Duisburg.
Allgemein bekannt ist, daß die GRÜNEN-Politikerin Künast zwei Jahre brauchte, bis sie in letzter Instanz um die Jahreswende 2021/22 Auskunft über die Verfasser übelster Beschimpfungen auf Facebook erhielt, um gegen diese juristisch vorzugehen. Den Juristen der Vorinstanzen, die Frau Künast das Recht auf die Wahrung ihrer persönlichen Ehre vorenthielten, ist offenbar nicht klar gewesen, daß sie sich damit selber moralisch den Boden unter den Füßen weggezogen haben.
Hier geht es darum, daß die Mitglieder der Oberhausener AfD-Ratsfraktion öffentlich als „bekennende Neonazis“ diffamiert wurden. Das Landgericht Duisburg hat sich alle Mühe gegeben, um zu „beweisen“, daß die o.g. Äußerungen auf die Gesamt-AfD bezogen waren.
In der Logik des Landgerichtes Duisburg hat die AfD-Ratsfraktion eine Einstweilige Verfügung gegen eine Äußerung erwirken wollen, die gar nicht gefallen sei; es wäre ja die Bundes-AfD gemeint gewesen. Daher sei der Antrag abzuweisen.
In einem vielbeachteten Urteil hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt im April 2023 festgestellt, daß allein eine AfD-Mitgliedschaft nicht ausreichend sei, um damit den Entzug einer Waffenbesitzkarte zu begründen. Das Verwaltungsgericht Gera folgte im August 2023 in einem vergleichbaren Fall für Thüringen der gleichen Linie, indem es ebenfalls die Behauptung des Verfassungsschutzes, der dortige AfD-Landesverband sei als „gesichert extremistisch“ zu gelten, als ungenügend begründet zurückwies.
In einem gewissen Gegensatz dazu hat das LG Duisburg behauptet, es sei nach wie vor juristisch ungeklärt, „ob Mitglieder der AfD als Neonazis bezeichnet werden dürfen, als auch, ob sich Mitglieder der AfD zum (Neo-) Nationalsozialismus ‚bekennen‘ in dem Sinne, dass sie sich selbst als Neonazis bezeichnen“, usw.
Das Gericht selbst ist offenbar davon ausgegangen, daß die bloße Mitgliedschaft in der AfD die Benennung der Person als „bekennender Neonazi“ rechtfertigt. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist es möglich, nach der u. E. willkürlichen Bezugnahme der „bekennenden Neonazis“ (Karacelik) auf die Gesamt-AfD das Argument des AfD-Rechtsbeistandes auszuhebeln, daß es in der AfD keine bekennenden Neonazis gebe.
Die Begründung des OLG Köln.
Das OLG Köln hat die Schwäche dieses Ansatzes wohl erkannt und ist in seiner Urteilsbegründung nicht näher darauf eingegangen. Es hob vielmehr darauf ab, die eingangs von uns zitierte Textpassage sei willkürlich aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Rechtsprechung setze aber die Betrachtung des Gesamtzusammenhanges bei der Beurteilung zwingend voraus.
Das OLG Köln hat in langatmiger Zusammenfassung der im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässigen und folglich von der AfD-Ratsfraktion nicht angegriffenen Äußerungen des Beklagten Karacelik den Kern der Sache vernebelt. Es hat nicht näher bezeichnete Sommerinterview-Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Merz und Erklärungen des Oberhausener CDU-Politikers Hausmann herangezogen, um dann zu schlußfolgern, „eine Auslegung dahingehend, dass die angegriffene Passage (auch) eine Sachaussage zur konkreten Zusammensetzung der Mitglieder der Antragstellerin enthalten soll, [ist] fernliegend.“ Damit seien also die Grundsätze der sog. Stolpe-Rechtsprechung nicht anwendbar.
Demgegenüber bleibt festzuhalten, daß das OLG Köln gerade auf diejenigen Äußerungen des Stadtverordneten Karacelik (LINKE) überhaupt nicht eingegangen ist, die beanstandet worden sind. Es hat auch den explizit kommunalpolitischen Kontext der diffamierenden Tatsachenbehauptung völlig außer Acht gelassen; und das u. E. ganz bewußt.
Das eingangs genannte Ziel des juristischen Vorgehens der AfD-Ratsfraktion Oberhausen ist erreicht, indem es den wahren Charakter der herrschenden Rechtsauffassung jedermann vor Augen geführt hat.
Ungeachtet der Diffamierungen, denen man sich ausgesetzt sieht, gilt es Haltung zu bewahren und derartige Methoden denen zu überlassen, bei denen fraglich ist, wo die Grenze zwischen politischem und pathologischem Denken verläuft.
Wir leiten daraus den Auftrag ab, noch mehr und noch härter für unsere Wähler zu arbeiten – immer an der Sache orientiert und ohne Diffamierungen des politischen Gegners.
Oberhausen, den 16. 9. 2023
Erich Noldus
(AfD-Stadtverordneter Oberh./Rhld.)
Anhang:
Vorbemerkung: Dieser Anhang enthält eine vertiefende Beschreibung des Verfahrens unter Hinzuziehung der Schriftsätze des beteiligten Rechtsbeistandes der AfD-Fraktion.
Die fraglichen Beschlüsse sowohl des Landgerichtes Duisburg als auch des Oberlandesgerichtes Köln sind in ihrem vollen Wortlaut und mit allen notwendigen Zusatzangaben versehen beigefügt. Die Juristen unter den Lesern können den Sachverhalt eigenständig prüfen und weiter verwenden.
Ferner hat jeder die Möglichkeit, die Genauigkeit der Kurzfassung zu prüfen oder zu modifizieren, um sie unter Nennung der Quelle weiter zu geben oder zu bearbeiten.
Die Verleumdung als das hohe Gut der Meinungsfreiheit (2).
(Von E. Noldus.)
Im Rahmen der politischen Arbeit der Oberhausener AfD-Fraktion bot eine u. E. diffamierende Behauptung den Anlaß, den Charakter der vorherrschenden Rechtsauffassung aufzudecken. Die Person selbst ist eine Randfigur des politischen Lebens und irrelevant wie die Partei, der er angehört.
„Bekennende Neonazis im Stadtrat?!“
Am 21. 8. 2023 hatten wir an dieser Stelle darüber berichtet, daß die AfD-Ratsfraktion gegen eine Behauptung auf der Internetseite der LINKEN Liste mit juristischen Mitteln vorgehen werde. Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Yusuf Karacelik, hatte behauptet:
„Denn es ist ein großer Unterschied, im Rat zu einem Antrag gleich abzustimmen oder einem Antrag der AfD, in deren Reihen sich bekennende Neonazis befinden, aktiv zuzustimmen und damit ihre Politik aufzuwerten. Gleiches Abstimmungsverhalten kann vorkommen, weil das Abstimmungsverhalten der Ratsfraktionen nicht immer vorhergesehen werden kann.“
Auch der Nachsatz befaßte sich mit der Möglichkeit der Zustimmung zu einem Antrag im Rat trotz einer gegensätzlichen Weltanschauung und damit war eindeutig erkennbar, daß es sich um eine Tatsachenbehauptung über die AfD-Ratsfraktion handelte. Damals schrieben wir über das Ziel des Verfahrens:
„Es läuft darauf hinaus, die Grenze zwischen Verleumdung und Meinungsfreiheit an diesem einen Beispiel einer juristischen Prüfung zu unterziehen.“
Der Antrag auf eine Einstweilige Verfügung.
Die Ratsfraktion stellte am 24. 8. 2023 einen Antrag auf einstweilige Verfügung mit dem Inhalt:
- Dem Antragsgegner wird untersagt, gegenüber Dritten zu behaupten, in den Reihen der Antragstellerin befänden sich „bekennende Neonazis“.
- Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht.
- Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Verfügungsanspruch wurde wie folgt begründet:
„Die Behauptung, in den Reihen der AfD befänden sich „bekennende Neonazis“, ist keine Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung… Die Frage, ob jemand sich zu einer bestimmten Weltanschauung bekennt, [ist] nicht nur eine immer ernstzunehmende Selbstdefinition, sondern vor allem dem Beweis zugänglich. Wer sich zu einer Weltanschauung „bekennt“, muß dies notgedrungen offen getan haben.
Die Aussage ist also nicht anders zu verstehen als Behauptung, daß sich in den Reihen der Antragstellerin Personen befänden, die sich selbst ernsthaft als Neonazi oder Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes bezeichnen würden.
Die Behauptung ist falsch. Es gibt in den Reihen der AfD keine Nationalsozialisten, keine Neonazis, und ein Bekenntnis hierzu hätte den sofortigen Parteiausschluß zur Folge. Insbesondere gibt es in den Reihen der Antragstellerin niemanden, der sich auch zu nationalsozialistischem Gedankengut (weder altem noch neuem) bekennen würde.
Die Behauptung war ausdrücklich auf die Antragstellerin bezogen. Es ging dem Antragsgegner um die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Er bezog sich auf kommunale Vorgänge, auf den örtlichen Vorsitzenden der CDU, die eigene Fraktion im Rat und deren Positionierung im Rat der Stadt Oberhausen.
Die Behauptung ist selbstredend auch geeignet, die Antragstellerin in den Augen Dritter herabzusetzen und zu entwürdigen.“
Der Verfügungsgrund legte in juristischer Terminologie dar, aus welchen Gründen es aus der Sicht der AfD-Fraktion notwendig sei, den Artikel zu entfernen.
Das Urteil des Landgerichts Duisburg.
Unter dem Aktenzeichen 10 O 187/23 wies die 10. Zivilkammer beim Landgericht Duisburg am 29. 8. 2023 den Antrag auf Einstweilige Verfügung kostenpflichtig ab:
„Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG auf Untersagung der Behauptung, in ihren – der Antragstellerin – Reihen befänden sich bekennende Neonazis.
Der Antrag scheitert bereits daran, daß der Antragsgegner nicht behauptet hat, in den Reihen der Antragstellerin befänden sich bekennende Neonazis. Die Behauptung, die nach dem vorliegenden Antrag der AfD-Ratsfraktion in Oberhausen unterlassen werden soll, wurde nicht wie vorgetragen getätigt.
Die auf der Homepage veröffentlichte Aussage ist insoweit nicht isoliert, sondern im Kontext des gesamten Beitrags „‚Brandmauer‘ der CDU kurz vor dem Einsturz“ zu sehen.
In diesem werden Äußerungen des Oberhausener CDU-Vorsitzenden Wilhelm Hausmann kritisiert. Herr Hausmann soll dabei die Antragstellerin als „Rechtsaußen Partei“, die „nur herummaule“ bezeichnet haben. Sodann rügt Herr Karacelik, daß Herr Hausmann keinen Unterschied mache zwischen einem gleichlaufenden Abstimmungsverhalten und einer aktiven Zustimmung zu AfD-Anträgen.
Innerhalb dieser Bewertung des Antragsgegners findet sich dann der Einschub zur „AfD, in deren Reihen sich bekennende Neonazis befinden“. Diese vollkommen pauschale Angabe bezieht sich offensichtlich nicht auf die Antragstellerin selbst oder konkret auf ihre vier Mitglieder, sondern auf die Gesamtheit der Partei „Alternative für Deutschland“. Daß eines oder mehrere der vier Mitglieder der Antragstellerin bekennender Neonazi sei, wird gerade nicht behauptet.
Es kann vorliegend also sowohl dahinstehen, ob Mitglieder der AfD als Neonazis bezeichnet werden dürfen, als auch, ob sich Mitglieder der AfD zum (Neo-) Nationalsozialismus „bekennen“ in dem Sinne, daß sie sich selbst als Neonazis bezeichnen, oder ob die Bezeichnung „bekennender Neonazi“ nur darauf hinweisen will, daß aus gewissen öffentlichen Äußerungen auf eine Verbindung zur Neonazi-Szene oder auf eine Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie geschlossen werden kann.
Jedenfalls hat der Antragsgegner bezogen auf die Antragstellerin, also die konkrete AfD-Fraktion im Rat der Stadt Oberhausen, die gerügte Behauptung nicht getätigt.“
Das LG Duisburg erklärte also, es sei eine juristisch offene Frage, ob Mitglieder der AfD als Neonazis bezeichnet werden dürften usw. Im übrigen sei die Aussage Karaceliks auf die AfD allgemein bezogen und die dem Antrag auf Einstweilige Verfügung zugrunde liegende Behauptung also nicht getätigt worden. Damit sei der Antrag abzulehnen.
Die Beschwerde beim OLG Köln.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß legte die AfD-Fraktion am 30. 8. 2023 Beschwerde beim OLG Köln ein. Zur Begründung legte der Rechtsbeistand der Fraktion dar:
„Die Entscheidung macht leider den Eindruck, daß es der Kammer nur darum ging, irgendeine Begründung für eine anderweitig motivierte Ablehnung des Antrages zu finden. Das zeigt sich auch an der Hilfsbegründung, wonach die Kammer – gegen den völlig eindeutigen Wortlaut – in den Raum stellt, daß mit der Behauptung „bekennend“ auch eine Fremdzuschreibung gemeint sein könne.
Der Unterlassungsanspruch besteht.
Zum einen wäre auch die Behauptung, in den Reihen der AfD (Partei, nicht Fraktion) befänden sich „bekennende Neonazis“, falsch. Auch das ist nicht der Fall. Der Antragsgegner trägt die Darlegungslast für eine solche Behauptung, nicht die Antragstellerin für das Gegenteil.
Zum anderen ist die Auffassung des Gerichts, der Antragsgegner habe die Partei und nicht die Fraktion gemeint, klar falsch – und die Behauptung, das sei „offensichtlich“, ihrerseits abwegig.
Es handelt sich um einen Text des örtlichen Fraktionsvorsitzenden, der sich mit einer Aussage des örtlichen Parteivorsitzenden und mit der Tätigkeit der eigenen Fraktion im Rat befaßt. Es ist abwegig zu meinen, daß mit den Reihen der AfD in diesem Kontext irgend jemand anderes gemeint sein könnte als die Antragstellerin.
Mindestens hat der Antragsgegner hier bewußt einen zweideutigen Eindruck hinterlassen wollen.“
Nach der Rechtsprechung kommt es zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruches nur darauf an, ob die „tatbestandsbegründende Auslegung“ ernsthaft in Betracht komme und nicht etwa nur die einzig mögliche darstellt. Bei Werturteilen kann also eine von mehreren möglichen Auslegungen herangezogen werden, um Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz gegeneinander abzuwägen.
Bei Tatsachenbehauptungen hingegen muß der Wahrheitsbeweis gelingen.
Sei der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, bestehe kein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulasse, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führten.
Eine auf Unterlassung zielende Verurteilung kann der Äußernde vermeiden, indem er erklärt, die Äußerung nicht zu wiederholen oder Klarstellungen vornimmt, die den persönlichkeitsverletzenden Inhalt ausschließen. Der Äußernde könne sein Äußerungsanliegen in freier Selbstbestimmung in einer das Persönlichkeitsrecht nicht verletzenden Art und Weise weiterverfolgen. Sehe er sich dazu nicht in der Lage, treffe er auf die im Persönlichkeitsschutz begründete Schranke der Meinungsäußerungsfreiheit. Dazu der Rechtsbeistand der AfD-Fraktion:
„Mindestens das ist hier klar der Fall. Der Antragsgegner hätte sich ohne Weiteres auch anders äußern können.“
Das Urteil des OLG Köln.
Am 4. 9. 2023 hat der 15. Zivilsenat des OLG Köln die Beschwerde der AfD-Fraktion vom 30. 8. 2023 gegen den am Vortage ergangenen Beschluß des LG Duisburg kostenpflichtig zurückgewiesen.
Nach einer Feststellung und Begründung der Zuständigkeit hat das OLG festgestellt, der Antrag sei unbegründet. Daher sei es auch nicht notwendig zu klären, ob einer „Gemeinderatsfraktion“ der volle Schutz des Persönlichkeitsrechtes überhaupt zukomme. Ein Verfügungsanspruch der AfD-Ratsfraktion bestehe „wegen der trotz der abstrakten Antragstellung letztlich hier als Verletzungsform allein angegriffenen Passage aus der Internetveröffentlichung“ nicht.
„Der Senat teilt dabei die Würdigung des Landgerichts im angefochtenen Beschluß vom 29. August 2023 (Bl. 30 ff. d.A.) und im Nichtabhilfebeschluß vom 31. August 2023 (Bl. 46 f. d.A.), wonach dort gar keine konkrete Sachaussage unmittelbar zur Antragstellerin getätigt worden ist. Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muß die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Januar 2018 – VI ZR 498/16 NZG 2018, 797 Rn. 20).
Gemessen daran ist die Antragstellerin selbst durch die angegriffene Äußerung nicht betroffen…“
Hier ist nun interessant, daß es ein zusammenhängendes Zitat der die AfD-Ratsfraktion betreffenden Stelle nicht gibt. Es werden Inhalte des Artikels referiert, die im Sinne des Rechts auf freie Meinungsäußerungen nicht zu beanstanden sind, um dann fortzufahren:
„Im Gesamtkontext wird – mit dem Landgericht – damit aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten an der angegriffenen Stelle keine konkrete Zusammensetzung gerade der Antragstellerin als Ortsfraktion behauptet, sondern nur mit Blick auf die AfD als Gesamtpartei die klare Abgrenzung der CDU nach rechtsaußen (Stichwort: „bröckelnde Brandmauer“) kritisiert. Der Senat verkennt nicht, daß schon wegen der Äußerungen lokaler Politiker und des Bezugs auch zur Kommunalpolitik ein gewisser örtlicher Bezug besteht.
Nichtsdestotrotz geht es in der angegriffenen Berichterstattung darum, daß die CDU als Partei (und speziell der kritisierte Lokalpolitiker) mit ihren Thesen im Ergebnis die Politik einer „ Rechtsaußen-Partei…, die stets im Sinne des Großkapitals (abstimme) und deren Programmatik starke Bestandteile gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (enthalte)“ aufzuwerten drohe, ohne daß man damit eine konkrete Sachaussage gerade zu der genauen personellen Zusammensetzung der Antragstellerin in Oberhausen verbunden hat, weil man eben jedwede Zusammenarbeit mit der AfD bundesweit und in allen kommunalen Gremien schon kategorisch ablehnt. Die angegriffene Äußerung hat keinen konkreten Bezug zur Oberhausener Kommunalpolitik. Sie bezieht sich auf die von einem lokalen CDU-Politiker „ins Spiel“ gebrachte Möglichkeit einer Zustimmung zu AfD-Anträgen. Diese in der Veröffentlichung wiedergegebene und vom Antragsgegner aufgegriffene Äußerung des lokalen CDU-Politikers betrifft – ebenso wie die Äußerung des CDU-Bundesvorsitzenden im Sommerinterview – die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD aus kommunaler Ebene im Allgemeinen und gerade nicht speziell den Oberhausener Rat. Vielmehr wird der lokale CDU-Politiker in der angegriffenen Veröffentlichung dahingehend zitiert, daß „dies“ – also offenbar die Möglichkeit einer Zustimmung zu AfD-Anträgen – in Oberhausen gerade „nicht der Fall“ sei, da die AfD dort nur „herummaule“.
In Ansehung dessen wäre eine Auslegung dahingehend, daß die angegriffene Passage (auch) eine Sachaussage zur konkreten Zusammensetzung der Mitglieder der Antragstellerin enthalten soll, fernliegend. Daher ändert sich am hier gefundenen Ergebnis auch nichts, wenn man – mit der Beschwerdeschrift (Bl. 39 ff. d.A.) – die Grundsätze der sog. Stolpe-Rechtsprechung (BVerfG, Beschluß vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98, BVerfGE 114, 339 ff.) auch bei der Prüfung der Betroffenheit heranziehen würde.“
Zur eigenständigen Überprüfung des Sachverhaltes sind die Beschlüsse des LG Duisburgs und des OLG Köln als Anlagen beigefügt.
Anlage 1:
Landgericht Duisburg, 10 O 187/23
Datum: 29. 8. 2023
Spruchkörper: 10. Zivilkammer
Entscheidungsart: Beschluß
Aktenzeichen: 10 O 187/23
Tenor: Der Antrag vom 25.08.2023 auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt. Der Verfahrenswert wird auf 10.000,- € festgesetzt.
Gründe
I
Die Antragstellerin ist eine Fraktion (AfD) gem. § 56 GO-NRW im Rat der Stadt Oberhausen (Rheinland). Der Antragsgegner ist Vorsitzender der Fraktion „Die Linke.Liste Fraktion“ im Rat der Stadt Oberhausen.
Er veröffentlichte am 25.07.2023 auf der Homepage der Fraktion unter der URL
https://www.linkelisteob.de/linksbewegt/brandmauer-der-cdu-kurz-vor-dem-einsturz/
einen Text mit der Überschrift „Brandmauer“ der CDU kurz vor dem Einsturz“. Dieser handelt von der sog. „Brandmauer“ der CDU und deren angeblicher Bereitschaft zu einem Zusammenwirken mit der AfD auf kommunaler Ebene.
Dabei befasst sich der Text mit Aussagen des örtlichen CDU-Vorsitzenden Hausmann und lautet wie folgt:
„Laut WAZ Bericht hat der lokale CDU-Vorsitzende Wilhelm Hausmann die politischen Entgleisungen von CDU-Chef Friedrich Merz verteidigt. Merz hatte sich im Sommerinterview unter bestimmten Bedingungen für eine Zusammenarbeit von CDU und AfD auf kommunaler Ebene ausgesprochen.
Hausmann interpretiert diese Aussagen anders und spricht erst von gemeinsamem Abstimmungsverhalten, um dann direkt auch die Möglichkeit von der Zustimmung zu AfD-Anträgen ins Spiel zu bringen.
Angeblich sei dies aber in Oberhausen nicht der Fall, da die Rechtsaußen Partei nur herummaule. Gleiches wirft Hausmann im selben Satz auch unserer Fraktion DIE LINKE.LISTE vor, um sich dann mit der Behauptung zu beeilen, keine Gleichsetzung betreiben zu wollen.
Hierzu erklärt Yusuf Karaçelik, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE.LISTE:
„Es ist wirklich keine Überraschung, dass Herr Hausmann die Aussagen von Friedrich Merz zu relativieren versucht. Dabei übt Hausmann sich offensichtlich in Irreführung.
Denn es ist ein großer Unterschied, im Rat zu einem Antrag gleich abzustimmen oder einem Antrag der AfD, in deren Reihen sich bekennende Neonazis befinden, aktiv zuzustimmen und damit ihre Politik aufzuwerten.
Gleiches Abstimmungsverhalten kann vorkommen, weil das Abstimmungsverhalten der Ratsfraktionen nicht immer vorhergesehen werden kann. Außerdem ist es möglich einem kommunalen Antrag aus verschiedenen Gründen und trotz einer diametral entgegen gesetzten Weltanschauung zuzustimmen. Einem Antrag der AfD hingegen zuzustimmen, bedeutet eine aktive Kooperation mit Rechtsaußen, welche DIE LINKE.LISTE kategorisch ausschließt. Dieser Unterschied müsste Herrn Hausmann eigentlich bekannt sein.“
Wegen der Details wird auf die Anlage K1, Bl. 9 ff. d. A. verwiesen.
Die Antragstellerin begehrt die Unterlassung dieser Äußerungen. Sie mahnte den Antragsgegner mit Schreiben vom 16.08.2023 ab und forderte ihn erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf (Anlage K 2). Der Beitrag ist unverändert abrufbar.
Die Antragstellerin behauptet, die Aussage sei unwahr. Es befänden sich weder in den Reihen der AfD insgesamt noch in den Reihen der Antragstellerin „bekennende Neonazis“. Die Frage, ob jemand sich zu einer bestimmten Weltanschauung bekenne, sei nicht nur eine immer ernstzunehmende Selbstdefinition, sondern vor allem dem Beweis zugänglich. Die Aussage sei also nicht anders zu verstehen als die Behauptung, dass sich in den Reihen der Antragstellerin Personen befänden, die sich selbst ernsthaft als Neonazi oder Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes bezeichnen würden.
Die Behauptung sei auch ausdrücklich auf die Antragstellerin bezogen. Es gehe dem Verfasser des Beitrages um die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Er beziehe sich auf kommunale Vorgänge, auf den örtlichen Vorsitzenden der CDU, die eigene Fraktion im Rat und deren Positionierung im Rat der Stadt Oberhausen.
Die Behauptung sei auch geeignet, die Antragstellerin in den Augen Dritter herabzusetzen und zu entwürdigen.
Die Antragstellerin beantragt,
- dem Antragsgegner zu untersagen, gegenüber Dritten zu behaupten, in den Reihen der Antragstellerin befänden sich „bekennende Neonazis“,
- für den Fall der Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft anzudrohen.
II
Der Antrag auf Erlass der begehrten Einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG auf Untersagung der Behauptung, in ihren – der Antragstellerin – Reihen befänden sich bekennende Neonazis.
Der Antrag scheitert bereits daran, dass der Antragsgegner nicht behauptet hat, in den Reihen der Antragstellerin befänden sich bekennende Neonazis. Die Behauptung, die nach dem vorliegenden Antrag der AfD-Ratsfraktion in Oberhausen unterlassen werden soll, wurde nicht wie vorgetragen getätigt.
Die auf der Homepage veröffentlichte Aussage ist insoweit nicht isoliert, sondern im Kontext des gesamten Beitrags „ „Brandmauer“ der CDU kurz vor dem Einsturz“ zu sehen.
In diesem werden Äußerungen des Oberhausener CDU-Vorsitzenden Wilhelm Hausmann kritisiert. Herr Hausmann soll dabei die Antragstellerin als „Rechtsaußen Partei“, die „nur herummaule“ bezeichnet haben. Sodann rügt Herr Karaçelik, dass Herr Hausmann keinen Unterschied mache zwischen einem gleichlaufenden Abstimmungsverhalten und einer aktiven Zustimmung zu AfD-Anträgen.
Innerhalb dieser Bewertung des Antragsgegners findet sich dann der Einschub zur „AfD, in deren Reihen sich bekennende Neonazis befinden“. Diese vollkommen pauschale Angabe bezieht sich offensichtlich nicht auf die Antragstellerin selbst oder konkret auf ihre vier Mitglieder, sondern auf die Gesamtheit der Partei „Alternative für Deutschland“. Dass eines oder mehrere der vier Mitglieder der Antragstellerin bekennender Neonazi sei, wird gerade nicht behauptet.
Es kann vorliegend also sowohl dahinstehen, ob Mitglieder der AfD als Neonazis bezeichnet werden dürfen, als auch, ob sich Mitglieder der AfD zum (Neo-) Nationalsozialismus „bekennen“ in dem Sinne, dass sie sich selbst als Neonazis bezeichnen, oder ob die Bezeichnung „bekennender Neonazi“ nur darauf hinweisen will, dass aus gewissen öffentlichen Äußerungen auf eine Verbindung zur Neonazi-Szene oder auf eine Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie geschlossen werden kann.
Jedenfalls hat der Antragsgegner bezogen auf die Antragstellerin, also die konkrete AfD-Fraktion im Rat der Stadt Oberhausen, die gerügte Behauptung nicht getätigt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert beruht auf § 3 ZPO, § 53 Abs. 1 GKG.
Anlage 2:
Oberlandesgericht Köln, 15 W 94/23
Datum: 4. 9. 2023
Spruchkörper: 1. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluß
Aktenzeichen: 15 W 94/23
Tenor: Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 30. August 2023 gegen den Beschluss des Landgerichts Duisburg vom 29. August 2023 (10 O 187/23) wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe:
Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Köln. Die Zuständigkeitsregelung in § 1 der nordrhein-westfälischen Konzentrations-Verordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen vom 1. Oktober 2021 (GV. NRW. S. 1156) erfasst auch Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen im Internet (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2023 – VI ZB 75/22, juris).
In der Sache hat die Beschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg:
1. Der Zivilrechtsweg (§ 13 GVG) ist – was der Senat in teleologischer Reduktion der Regelung in § 17a Abs. 5 GVG im Verfahren einer sog. Beschlussverfügung jedenfalls bei fehlender Anhörung des Gegners selbst zu prüfen hat (Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 17 Rn. 28 m.w.N.) – eröffnet.
Es geht vorliegend nicht um angeblich rechtswidrige Äußerungen einer Fraktion bzw. eines Fraktionsmitglieds im Rahmen der originär öffentlich-rechtlichen Fraktionsarbeit wie bei Äußerungen unmittelbar in Ratssitzungen (dazu LG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Juli 2008 – 3 O 35/07, juris) inklusive einer etwaigen „Parlamentsberichterstattung“ darüber (zu den Grenzen am Beispiel der Abgeordnetenindemnität etwa BGH, Urteil vom 18. Dezember 1979 – VI ZR 240/78, NJW 1980, 780). Es geht auch nicht um Äußerungen in von der Fraktion oder ihren Mitgliedern erstellten Unterlagen aus der kommunalen Tätigkeit (zu Ausschussberichten und Äußerungen in Ausschusssitzungen etwa VG Gießen, Urteil vom 31. Januar 2013 – 8 K 3461/11.GI, juris). Vielmehr geht es um eine in eher offenem Zusammenhang mit der eigentlichen Fraktionsarbeit im Rat (§ 56 GO NRW) stehende Äußerung des Antragsgegners zu der öffentlich diskutierten Frage nach einer kommunalen Kooperation der CDU mit Ratsmitgliedern bzw. Ratsfraktionen der AfD, wobei diese hier nur im Rahmen der ganz allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion bzw. – das fließt hier ineinander – der Partei des Antragsgegners diskutiert wird. Insofern ist jedoch weitgehend anerkannt, dass für Streitigkeiten aus diesem Bereich im Zweifel trotz des öffentlich-rechtlichen Charakters der Fraktionen im Regelfall der Zivilrechtsweg eröffnet ist (vgl. etwa für Unterlassungsansprüche gegen Passagen einer Pressemitteilung einer Landtagsfraktion bzw. ihrer Mitglieder OLG München, Urteil vom 22. Juni 1988 – 21 U 2954/88, NJW 1989, 910 und explizit aus dem Schrifttum Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, Verwaltungsgerichtsordnung, § 13 5. Rn. 362; Aufl. Sodan, 2018, § in: 40 Sodan/Ziekow, Rn. 427; Schoch/Schneider/Ehlers/Schneider, 43. EL August 2022, VwGO § 40 Rn. 437; anders nur im Einzelfall wegen dort bindender Rechtswegverweisung OVG Weimar, Beschluss v. 18. Februar 2019 – 3 EO 350/18, LKV 2019, 328; für einen Rechtsstreit zwischen zwei Landtagsfraktionen über Äußerungen in Informationsschriften zur Öffentlichkeitsarbeit auch OLG Dresden, Urteil vom 9. Mail 2017 – 4 U 102/17, NJW-RR 2017, 1254; für Äußerungen einer Fraktion in einem sogar nur der Fraktionsarbeit vorbehaltenen Teil des Gemeindeblatts VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 1 S 2410/01, juris = DÖV 2002, 348; für Äußerungen in einem Parteigremium BGH, Urteil vom 20. Juni 1961 – VI ZR 210/60, NJW 1961, 1625 und selbst für Äußerungen in eine Ratssitzung vorbereitenden Fraktionssitzungen LG Dortmund, Urteil vom 1. August 2014 – 3 O 500/13, BeckRS 2014, 15685 Rn. 15). Auch der Senat hat für Angriffe gegen Pressemitteilungen eines Gemeinderatsmitglieds über die ihm in dieser Eigenschaft bekannt gewordenen beamtenrechtlichen Personalangelegenheiten (Senat, Beschluss vom 29. April 1999 – 15 W 28/99, juris) und für Unterlassungsansprüche gegen allgemeine Informationen auf Internetseiten von Landtagsfraktionen (Senat, Urteil vom 11.07.2019 – 15 U 24/19, BeckRS 2019, 14461 Rn. 11) den ordentlichen Rechtsweg als eröffnet angesehen.
Nichts anderes gilt dann hier. Es überzeugt in Ansehung des Vorgenannten jedenfalls nicht, mit der Kritik an der zuletzt genannten Senatsentscheidung von Kalscheuer (https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/olg-koeln-15u24-19-spd-fraktion-aeusserung-website-afd-grundrechte/) allein darauf abzustellen, ob eine Äußerung als Organ/Organmitglied (z.B. als Fraktionssprecher) unter Rückgriff auf staatliche Ressourcen (hier: eine Homepage jedenfalls auch der Fraktion) gemacht worden ist, denn es muss – wie gezeigt – auf den konkreten Zusammenhang ankommen, in dem die inkriminierte Äußerung gefallen ist. Daher überzeugt es auch nicht, die gesamte Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion oder – hier – ihrer Mitglieder pauschal dem öffentlichen Recht zuzuordnen (so aber wohl ohne Auseinandersetzung mit der vorstehenden Rechtsprechung BeckOK-KommunalR NRW/Heusch, Ed. 24, § 56 Rn. 57).
2. Der Antrag ist zulässig. Der Senat geht von der Prozessfähigkeit der – auch sonst im Zivilrechtsverkehr weitgehend als Rechtsträger nach außen hin anerkannten (dazu BeckOK-KommunalR NRW/Heusch, Ed. 24, § 56 Rn. 57; für Subsumtion unter § 54 BGB Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 5, 5. Aufl. 2021, § 9 Rn. 32 ff. und dezidiert für kommunale Ratsfraktion etwa auch LAG Hamm, Urteil vom 12. Dezember 2002 – 1 (11) Sa 1813/01, BeckRS 2003, 40776 mwN) – antragstellenden Fraktion aus, dies jedenfalls über § 50 Abs. 2 ZPO.
3. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Dabei bedarf keiner Klärung durch den Senat, inwieweit einer Gemeinderatsfraktion über Art. 19 Abs. 3 GG überhaupt der volle Schutz des Persönlichkeitsrechts insbesondere auch gegen Äußerungen anderer Fraktionen bzw. von deren Organen/Organwaltern zukommen kann (zu Landtagsfraktionen zwar bejahend Senat, Urteil vom 11.07.2019 – 15 U 24/19, BeckRS 2019, 14461 Rn. 14/18; kritisch dazu etwa Kalscheuer a.a.O. und für bloße Grundrechtsverpflichtung einer Fraktion allgemein etwa auch Heusch a.a.O.) und/oder ob äußerungsrechtliche Unterlassungsansprüche – wie etwa bei Behörden (dazu zuletzt Senat v. 18.10.2018 – 15 U 21/18, n.v. – Jugendamt) – ggf. nur in Betracht kommen, wenn eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung der kommunalen Arbeit der Fraktion droht.
b) Denn darauf kommt es vorliegend nicht an. Selbst wenn man allgemeine äußerungsrechtliche Grundsätze anwendet, besteht kein Verfügungsanspruch der Antragstellerin wegen der trotz der abstrakten Antragstellung letztlich hier als Verletzungsform allein angegriffenen Passage aus der Internetveröffentlichung in Anlage K 1, Bl. 9 ff. d.A. (= Bl. 7 ff. des Senatshefts als pdf-Ausdruck der über § 291 ZPO aufgerufenen Internetseite https://www.linkeliste-ob.de/linksbewegt/brandmauer-der-cdu-kurz-vor-dem-einsturz/ ).
Der Senat teilt dabei die Würdigung des Landgerichts im angefochtenen Beschluss vom 29. August 2023 (Bl. 30 ff. d.A.) und im Nichtabhilfebeschluss vom 31. August 2023 (Bl. 46 f. d.A.), wonach dort gar keine konkrete Sachaussage unmittelbar zur Antragstellerin getätigt worden ist. Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Januar 2018 – VI ZR 498/16 NZG 2018, 797 Rn. 20).
Gemessen daran ist die Antragstellerin selbst durch die angegriffene Äußerung nicht betroffen. Die Veröffentlichung setzt sich insgesamt kritisch mit in einem WAZ-Bericht behandelten Äußerungen eines lokalen CDU-Politikers auseinander, welcher angeblich zu den – vom Antragsgegner als „politische Entgleisung“ eingestuften – Interviewäußerungen des CDU-Bundesvorsitzenden im sog. Sommerinterview zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene Stellung genommen habe. In der Veröffentlichung heißt es, der namentlich genannte lokale CDU-Politiker interpretiere die Aussagen des Vorsitzenden anders und spreche erst von gemeinsamem Abstimmungsverhalten, um dann direkt auch die Möglichkeit einer Zustimmung zu AfD-Anträgen ins Spiel zu bringen; in Oberhausen sei dies aber – so die in der Veröffentlichung wiedergegebene angebliche Äußerung des lokalen CDU-Politikers – nicht der Fall. Diese Äußerungen des lokalen CDU-Politikers werden sodann u.a. als „Irreführung“ kritisiert, weil es aus Sicht des Antragsgegners ein „großer Unterschied“ sei, im Rat zu einem Antrag nur (mehr oder weniger zufällig) gleich abzustimmen oder eben aktiv „einem Antrag der AfD, in deren Reihen sich bekennende Neonazis befinden, aktiv zuzustimmen und damit ihre Politik aufzuwerten.“ Denn gleiches Abstimmungsverhalten könne in einem Rat auf kommunaler Ebene vorkommen, zumal man das Abstimmungsverhalten nicht immer vorhersehen könne und es außerdem möglich sei, einem kommunalen Antrag aus verschiedenen Gründen und trotz einer diametral entgegengesetzten Weltanschauung zuzustimmen. Aber aktiv einem Antrag aus Reihen der AfD zuzustimmen, bedeute „eine aktive Kooperation mit Rechtsaußen“, welche die Fraktion des Antragsgegners kategorisch ausschließe. Deswegen zieht man den Schluss, dass die politisch vielfach beschworene „Brandmauer“ der CDU gegen Rechtsradikale nicht nur bröckele, sondern „kurz vor dem Einsturz“ stehe. Soweit der lokale CDU-Politiker die Antragstellerin zudem mit dem Verdikt belegt habe, dass diese „nur herummaule“ , gleiches aber für die Fraktion des Antragsgegners gelte, wird das als „gezielte Provokation“ verstanden, weil man selbst dafür einstehe, dass „alle Menschen und ihre Lebensentwürfe ihren gleichberechtigten Platz“ erhalten, was das „genaue Gegenteil einer Rechtsaußen-Partei (sei), die stets im Sinne des Großkapitals (abstimme) und deren Programmatik starke Bestandteile gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (enthalte).“
Im Gesamtkontext wird – mit dem Landgericht – damit aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten an der angegriffenen Stelle keine konkrete Zusammensetzung gerade der Antragstellerin als Ortsfraktion behauptet, sondern nur mit Blick auf die AfD als Gesamtpartei die klare Abgrenzung der CDU nach rechtsaußen (Stichwort: „bröckelnde Brandmauer“) kritisiert. Der Senat verkennt nicht, dass schon wegen der Äußerungen lokaler Politiker und des Bezugs auch zur Kommunalpolitik ein gewisser örtlicher Bezug besteht. Nichtsdestotrotz geht es in der angegriffenen Berichterstattung darum, dass die CDU als Partei (und speziell der kritisierte Lokalpolitiker) mit ihren Thesen im Ergebnis die Politik einer „ Rechtsaußen-Partei…, die stets im Sinne des Großkapitals (abstimme) und deren Programmatik starke Bestandteile gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (enthalte)“ aufzuwerten drohe, ohne dass man damit eine konkrete Sachaussage gerade zu der genauen personellen Zusammensetzung der Antragstellerin in Oberhausen verbunden hat, weil man eben jedwede Zusammenarbeit mit der AfD bundesweit und in allen kommunalen Gremien schon kategorisch ablehnt. Die angegriffene Äußerung hat keinen konkreten Bezug zur Oberhausener Kommunalpolitik. Sie bezieht sich auf die von einem lokalen CDU-Politiker „ins Spiel“ gebrachte Möglichkeit einer Zustimmung zu AfD-Anträgen. Diese in der Veröffentlichung wiedergegebene und vom Antragsgegner aufgegriffene Äußerung des lokalen CDU-Politikers betrifft – ebenso wie die Äußerung des CDU-Bundesvorsitzenden im Sommerinterview – die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD aus kommunaler Ebene im Allgemeinen und gerade nicht speziell den Oberhausener Rat. Vielmehr wird der lokale CDU-Politiker in der angegriffenen Veröffentlichung dahingehend zitiert, dass „dies“ – also offenbar die Möglichkeit einer Zustimmung zu AfD-Anträgen – in Oberhausen gerade „nicht der Fall“ sei, da die AfD dort nur „herummaule“.
In Ansehung dessen wäre eine Auslegung dahingehend, dass die angegriffene Passage (auch) eine Sachaussage zur konkreten Zusammensetzung der Mitglieder der Antragstellerin enthalten soll, fernliegend. Daher ändert sich am hier gefundenen Ergebnis auch nichts, wenn man – mit der Beschwerdeschrift (Bl. 39 ff. d.A.) – die Grundsätze der sog. Stolpe-Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98, BVerfGE 114, 339 ff.) auch bei der Prüfung der Betroffenheit heranziehen würde.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
5. Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO ausgeschlossen.
6. In verfassungskonformer Reduktion von §§ 936, 922 ZPO (vgl. BVerfG v. 30.09.2018 – 1 BvR 2421/17, NJW 2018, 3634 Rn. 36; Mantz, NJW 2019, 953, 958 f.; G. Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 922 Rn. 18) erhält der Antragsgegner – der schon vom Landgericht über das Verfahren und dessen erstinstanzlichen Ausgang informiert worden ist – auch eine Ablichtung dieses Senatsbeschlusses zur Kenntnisnahme.
Beschwerdewert:10.000,00 EUR