Erstmals ist die AfD-Ratsfraktion mit einem stimmberechtigten Delegierten beim Städtetag NRW vertreten. Was war für das Parteienkartell schiefgelaufen? Von E. Noldus.
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Städtetag NRW 2024: Jörg Lange ist Delegierter!
Bei seiner Haushaltsrede unterlief dem Stadtverordneten Lütte (BOB) eine Freudsche Fehlleistung, als er mit der Anrede begann: „Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Partei!“
Die „demokratische Partei“ sorgt bekanntlich durch Leihstimmen dafür, daß Fraktionen bzw. Gruppen, welche kleiner als die AfD sind und nach beispielsweise dem Hare-Niemeyer-Verfahren nicht in kleinere Gremien gehören, trotzdem hineingewählt werden. Vertreter der „demokratischen Partei“ werden einwenden, daß Leihstimmen nicht verboten sind.
Natürlich sind sie nicht verboten. Genauso wenig ist es irgendwo schriftlich niedergelegt, daß jede Bundestagsfraktion einen Vizepräsidenten stellt; wie Schäuble einst feststellte. Sie halten sich für Demokraten, sind aber in Wahrheit nur arme Figuren, die vor den Wählern ihre Hosen herunterlassen…
Unter TOP 5 ging es um die Entsendung von stimmberechtigten Delegierten und Gästen ohne Stimmrecht zur Mitgliederversammlung des Städtetages NRW 2024 ((B/17/4406-01).
Der Oberbürgermeister gab bekannt, daß Stadt Oberhausen aus der Mitte des Rates sechs stimmberechtigte Mitglieder plus einen Vertreter nach § 113 GO NRW zum nächsten Städtetag entsenden durfte. Es liegen folgende Wahlvorschläge vor:
Stadtv. Nakot und Höppner (CDU), Stadtv. Dr. Jacobs und Sahin (SPD), Stadtv. Gödderz (GRÜNE) und Stadtv. Hoff (FDP).
Herr Kempkes (AfD) schlug Herrn Jörg Lange (AfD) vor und beantragte eine geheime Wahl, da es sich um eine Personalwahl handele. Es gehe um die Stärkung der Rechte der Ratsmitglieder und darum, daß die Oberhausener Vertreter mit einem „satten stabilen Votum“ ausgestattet werden.
Da man inzwischen den Grundsatz der AfD-Fraktion, wonach Personalwahlen hat immer geheim durchzuführen sind, kennt, ist die Sitzungsorganisation entsprechend vorbereitet und auch die anderen Fraktionen haben eine inzwischen reibungslose Routine entwickelt.
Zuerst bittet der Oberbürgermeister die Fraktionen und Gruppen um die Nominierungen für die Wahlkommission. Danach ruft er die Fraktionen, ihrer Stärke nach geordnet, zur Abstimmung auf; und innerhalb der Fraktionen die Stadtverordneten nach der alphabetischen Reihenfolge.
Das Ergebnis brachte eine Überraschung:
CDU 19 Stimmen, SPD 15 Stimmen, GRÜNE 8 Stimmen, FDP und AfD je 4 Stimmen, ungültig 4 Stimmen.
Durch Losentscheid zwischen FDP und AfD wurde Herr Lange (AfD) bestimmt.
Oberbürgermeister und Stadtkämmerer sind durch ihre Amtsstellung stimmberechtigte Delegierte des Städtetages. Ferner ist ein Vertreter der Stadt nach § 113 GO NRW zu entsenden. Der Beigeordnete Jehn wurde durch offene Abstimmung einstimmig gewählt.
Städtetag: Wer nimmt als Gast teil?
Nach dem Fehlgriff des Oberbürgermeisters in die Lostrommel ging es betont schnell weiter mit der Frage, wer als Gast am Städtetag teilnehmen sollte. Es wurden vorgeschlagen Herr Karacelik (LINKE), Herr Hoff (FDP) und Frau Grothe (BOB). Es liegt dem eine langjährige Praxis zugrunde, wonach Fraktionen bzw. Gruppen ohne stimmberechtigtes Mitglied jeweils einen Gast benennen dürfen.
Herr Kempkes (AfD) brachte diese geübte Praxis ins Wanken, als er seinen Fraktionskollegen Mumm als weiteren Gast vorschlug. Den Hinweis des Oberbürgermeisters auf die „geübte Praxis“ beantwortete Herr Kempkes damit, er bestehe „auf unserem Gast“ und wenn es nicht anders gehe, müsse man Gäste auch wählen – in geheimer Wahl.
Der Oberbürgermeister bot an, Herrn Mumm in die Gästeliste aufzunehmen und es dem Städtetag zu überlassen, etwaige Einwände vorzubringen. Dennoch beharrte Herr Kempkes auf einer geheimen Abstimmung als dem einzig richtigen Verfahren.
Der Beigeordnete Motschull stellte daraufhin fest, daß es hier nicht um eine Verfahrensfrage gehe, sondern es werde dem Recht der AfD-Fraktion, Herrn Mumm zu benennen, nachgekommen. Falls der Städtetag das ablehne, sei völlig egal, in welchem Verfahren das zustande gekommen sei. Dann gehe es eben nicht. Das was gerade (durch den Oberbürgermeister) festgestellt worden sei, habe die AfD erreicht und dafür brauche man keinen formalen Akt.
Nachdem Herr Kempkes unter Anführung von Gründen immer noch auf einer Abstimmung bestand, meldete sich Frau Opitz (GRÜNE) zu Wort. Offenbar gehe es um eine Grundsatzentscheidung; der Oberbürgermeister habe von einer 50jährigen Praxis gesprochen. Also solle der Rat darüber abstimmen, wieviele Gäste jeder mitbringen kann.
Auf Verlangen des Herrn Kempkes wurde die geheime Wahl der Gäste des Städtetages vorbereitet und nach Beendigung des TOP 9 durchgeführt; wie auch die Wahl zu TOP 7.
In der Zwischenzeit hatten Angehörige der Stadtkanzlei Recherchen angestellt, um die Frage nach der Zahl der zugelassenen Gäste zu klären. Der Oberbürgermeister erklärte, es gebe beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) Informationen zur rechtlichen Beurteilung im Hinblick auf den Städtetag NRW. Dazu zitierte er aus der LVR-Vorlage 15/780 vom 14. 1. 2022:
„Neben der Entsendung der stimmberechtigten Vertreter besteht die Möglichkeit, Gäste zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung des Städtetages NRW zu entsenden. Die Anzahl der zu entsendenden Gäste ist nach Auskunft des Städtetages NRW nicht auf eine bestimmte Zahl begrenzt…
Vor diesem Hintergrund muß der Landschaftsausschuß selbst mit einfacher Mehrheit darüber beschließen, ob und ggf. wie viele Vertreter des LVR als Gäste entsandt werden.“
Und weiter:
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- „Soll nur eine Vertretung (als Gast) entsandt werden, erfolgt die Benennung durch den Landschaftsausschuß im Rahmen einer Mehrheitswahl gemäß § 50 Absatz 2 GO NRW i. V. m. §§ 10, 14 Absatz 3 LVerbO.
- Soll mehr als eine Vertretung (als Gäste) entsandt werden, kann dies durch Einigung auf einen einheitlichen Wahlvorschlag erfolgen.
- Kommt kein einheitlicher Wahlvorschlag zu Stande, ist, ausgehend von der vom Landschaftsausschuß zu benennenden Anzahl der Vertreter, das Verhältniswahlverfahren nach Hare-Niemeyer anzuwenden (vgl. § 50 Absatz 4 GO NRW i. V. m. § 10 Absatz 6, § 14 Absatz 3 LverbO).“
Der Stadtverordnete Axt (GRÜNE) erfaßte die Situation am raschesten und machte der aufkommenden Ratlosigkeit ein Ende, indem er den Antrag stellte, daß der Rat drei Gäste benenne. Herr Kempkes stellte den weitergehenden Antrag, sechs Gäste zu entsenden. In offener Abstimmung stimmte der Rat gegen die Stimmen der AfD für den Vorschlag der GRÜNEN.
Bei der anschließenden geheimen Wahl standen die Herren Karacelik (LINKE), Hoff (FDP) und Mumm (AfD) sowie Frau Grothe (BOB) mit Ja – Nein – Enthaltung zur Wahl. Das Ergebnis lautete: AfD 4, LINKE 18, FDP 20 und BOB 11 Stimmen.
Damit waren die drei Gäste Karacelik, Hoff und Grothe gewählt worden.
Weitere Personenwahlen.
Unter TOP 6 ging es um die Entsendung eines Vertreters in die Generalversammlung der regio iT Beteiligungsgenossenschaft eG (B/17/4449-01). Die Verwaltung schlug den aktuellen Chief Information Officer vor. Andere Vorschläge gab es nicht und der Rat billigte ohne Wortmeldungen den Vorschlag der Verwaltung einstimmig.
Die Verwaltung schätzt sich offenbar glücklich, mit der englischen Sprache ein Werkzeug zu besitzen, welches unserer geistig engen Muttersprache ungeahnte neue Möglichkeiten bietet. Anders ist der „Chief Information Officer“ zu erklären. Allerdings scheint uns nicht das Deutsche geistig eng zu sein, sondern die Verwaltung.
Unter TOP 7 wurden drei Ratsmitglieder als Mitglieder und Stellvertreter für die Jury des Wettbewerbs Unternehmenswert:Familie (B/17/4090-01) bestellt.
Der Oberbürgermeister gab die Vorschläge für die drei Ratsmitglieder, welche drei ordentliche Mitglieder in der Jury vertreten, vor. Es waren dies von der CDU Frau Willing-Spielmann als ordentliches Mitglied und als deren Stellvertreterin Frau Schmidt. Die SPD schlug Frau Salwik bzw. Frau Heitmann als deren Stellvertreterin vor, die GRÜNEN Frau Opitz bzw. Herrn Dobnik.
Auf Nachfrage des Oberbürgermeisters schlug Herr Lange (AfD) Herrn Kempkes und als dessen Stellvertreter Herrn Mumm für die Jury vor. Herr Kempkes bestand auf geheimen Wahlen. Auch hier wurde der Punkt der Tagesordnung unterbrochen, um die Jury-Wahl vorzubereiten.
Nach Beendigung des TOP 9 erfolgten die Wahlen und die Bekanntgabe des Ergebnisses. Die Vorschläge der Fraktionen erhielten folgende Stimmen: CDU 21, SPD 18, GRÜNE 10 und AfD 4. Damit waren Frau Willing-Spielmann, Frau Salwik und Frau Opitz als ordentliche Mitglieder gewählt.