Zunächst reichen wir den Bericht über die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 29. 1. 2024 mit einer Beschränkung auf die Tagesordnungspunkte von allgemeinem Interesse nach. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20240206b_HFA_Antraege_20240129
Sachstand zum Decathlon-Verfahren
Bekanntlich wehrt sich die Stadt Bottrop seit Jahren mit allen juristischen Mitteln gegen die Ansiedlung der Sportartikel-Handelskette Decathlon im Centro, weil die Stadtväter ein Abwandern der Kaufkraft ins Centro fürchten. Der vom Beigeordneten Motschull in dieser Sache mündlich vorgetragene Bericht enthält Aspekte, die von grundsätzlicher Bedeutung für alle künftigen Bauprojekte oder -planungen sein könnten. Wir geben den unter TOP 2 der Sitzung abgegebenen Bericht wieder:
Dezernent Motschull berichtet über den Stand des Verfahrens der Stadt Bottrop gegen die Ansiedlung von Decathlon; jetzt in der 3. Instanz. Das OVG habe der Stadt Oberhausen in der 2. Instanz (Berufungsverfahren) recht gegeben: Das Verfahren könne durchgeführt werden; eine Revision sei nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision habe die Stadt Bottrop mit Erfolg geklagt (Nichtzulassungsbeschwerde). Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig habe am 8. Dezember der Beschwerde stattgegeben und eine Revision zugelassen. Der Erfolg von Nichtzulassungsbeschwerden sei recht selten und darin begründet, daß eine juristische Grundsatzfrage zu klären sei.
Im Baugesetzbuch § 2 Absatz 2 Satz 1 heißt es: „Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen.“ Das sei ein schon immer im Baugesetzbuch vorhandenes Gebot gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich jetzt mit dieser Norm sehr intensiv beschäftigt und stelle die Rechtsfrage, die jetzt zur Klärung zugelassen wird: Sei das nur ein Gebot oder sei daran zu knüpfen, daß jede Gemeinde gegenüber einer anderen Gemeinde einen materiellen Anspruch darauf habe; zitierend, „zu Gunsten der Nachbargemeinde ein Abwehranspruch gegen ein Einzelvorhaben im unbeplanten Innenbereich.“
Das bedeute eine Verstärkung des Gebotes und dann ergäbe sich für eine Gemeinde in einem jeden Bauleitplanverfahren gegenüber der anderen Gemeinde einen möglichen Abwehranspruch. Das sei viel weitergehender als daß man sich darüber unterhielte und sage, „wir stimmen uns darüber etwas ab“. Das sei jetzt die zu klärende Rechtsfrage. Eine Besprechung im Verwaltungsvorstand habe festgestellt, daß, sollte eine solche Entscheidung gefällt werden, nicht nur die Stadt Bottrop im Rahmen der Ansiedlung von Decathlon eine Rolle spielen könne, sondern das sei dann auch in allen anderen künftigen abzustimmenden Verfahren auch der Fall. Das hieße, jede Gemeinde könne dann mit diesem Abwehranspruch wesentlich mehr Einfluß bei der Nachbargemeinde bei der Aufstellung solcher Bauleitpläne nehmen. Ob das dann für das kommunale Miteinander sinnvoll sei, werde man dann künftig sehen. Das Gericht wolle diese Frage jetzt grundsätzlich klären lassen und habe daher die Revision zugelassen.
Hinweis: Der unbeplante Innenbereich bezeichnet einen innerhalb eines Ortes gelegenen zusammenhängenden Bereich, für den es keinen Bebauungsplan gibt (siehe § 34 Baugesetzbuch). Die Zulässigkeit von neuen Bauvorhaben richten sich nach den Bestimmungen von § 34 I und II. Der Abschnitt I regelt ganz allgemein Art und Maß der Bebauung (z. B. Gewerbebetrieb oder Wohnbebauung als Art und Bauhöhe als Maß), Abschnitt II enthält spezielle Bestimmungen über die Art der Bebauung Siehe als Überblick
https://jura-online.de/lernen/unbeplanter-innenbereich-34-baugb/863/excursus/.
Herr Kempkes (AfD) fragt nach den praktischen Konsequenzen für den Fall, wenn das Gericht ein Einspruchsrecht zuließe, da Oberhausen ja mehrere Nachbargemeinden habe. Wären dann in jedem Verfahren alle Gemeinden anspruchsberechtigt? Dann müsse sich die Stadt jeweils mit mehreren Gemeinden auseinandersetzen. Das arte dann gewissermaßen aus.
Dezernent Motschull: Genau so sei es; diese Entscheidung könne ein Pyrrhus-Sieg sein, indem die Ansiedlung von Decathlon verhindert werde, aber zum Preis eines generellen Abwehranspruches gegen andere Kommunen bei allen künftigen Planverfahren. Aber ob das dem Miteinander der Kommunen förderlich sei, bliebe abzuwarten. Bei Einzelverfahren im unbeplanten Innenbereich könne dann jede Gemeinde einen Einspruch geltend machen. Das Baugesetzbuch sei ein Bundesgesetz; und daher liege in dieser Frage ein gewisser Sprengstoff.
Elternbeiträge im Ferienangebot des Offenen Ganztages.
Unter TOP 11 debattierte der Ausschuß über die Finanzierung der Ferienangebote im Offenen Ganztag. Eine Verwaltungsvorlage war in der vorangegangenen Sitzung des Schulausschusses einer eingehenden Kritik unterzogen worden und zudem Gegenstand von Gesprächen zwischen Verwaltung und Fraktionen gewesen. Die Debatte:
Dezernent Schmidt unterbreitet dem Ausschuß einen neuen Vorschlag nach der Auswertung der Vorberatungen im Schulausschuß. Auf dieser Basis habe man mit den Trägern Gespräche geführt und Änderungen eingearbeitet bei den Einzelpunkten höhere Elternbeiträge, Befreiungstatbestände für Einkommensschwache, Blockbelegung als dauerhafte Nutzung über die gesamte Dauer der Ferien oder in den Sommerferien für die ersten drei Wochen und Anmeldeverfahren. Die Träger waren trotz der bis dahin bereits erfolgten Planung mit einer wochenweisen Belegung einverstanden.
Nicht umsetzbar war die gewünschte Staffelung der Beiträge nach Einkommen. Man habe sich nicht durchringen können wegen des höheren Personalaufwandes infolge der Prüfung der Einkommensverhältnisse. Die möglichen Mehreinnahmen wären durch den zusätzlichen Personalaufwand „kompensiert“ worden.
Herr Tsalastras erklärt, daß diese Vorlage auch in der Kämmerei sehr kurzfristig angekommen sei und in dieser Größenordnung nicht vorhergesehen werden konnte; sie finde sich in dieser Größenordnung auch im Haushalt nicht wieder.
Als Kämmerer tue er sich mit der Entwicklung bei den Ferienspielen sehr sehr schwer. Als Stadt Oberhausen habe man in den letzten Jahren die Ferienspiele mit knapp unter 200.000 € und davor mit weit unter 200.000 € bezuschußt. Jetzt erfolge eine Vervierfachung des Beitrages auf 800.000 € und mehr. Bei einer freiwilligen Angelegenheit, die jetzt demnächst gesetzlich geregelt werde und die dann eine Verpflichtung darstelle, der die Stadt im Rahmen der dann geltenden gesetzlichen Regelungen nachkommen müsse.
In der Vergangenheit habe man durch Fördermittel verschiedenster Art diesen Betrag so erhalten können; diese fielen jetzt weg und die Stadt müsse in vollem Umfange einspringen. Und das in einer Finanzsituation, wo er sich als Kämmerer sehr schwer tue. Er habe diese Vorlage trotzdem unterschrieben in Kenntnis der Entwicklung, weil sonst die Ferienspiele in der Form nicht hätten stattfinden können. Er kündige aber hier bereits an, daß er diesen Bereich einem intensiven Controlling unterziehen werde, um Möglichkeiten der Einsparungen und des Indengriffbekommens der Entwicklung zu erkunden.
Herr Hoff (FDP) bedankt sich bei Herrn Schmidt für die Vorlage, da diese einen Quantensprung gegenüber der ersten Version darstelle. Die drei wichtigsten Punkte – Kosten für die Eltern, „Windhundverfahren bei der Anmeldung“ und Blockbuchung – seien signifikant verbessert worden. Auch daß die Kosten der Ferienspiele nicht mehr von der Mycard abgezogen würden, sei ein weiterer großer Vorteil.
Das einzige Manko sei, wie in dem Gespräch von Frau Opitz (GRÜNE) geäußert, die Tatsache, daß die Beiträge für jeden gleich seien. Dezernent Schmidt habe gerade dargestellt, daß man das schwer umsetzen könne. Sein Vorschlag wäre nicht eine Staffelung der Beiträge nach der Einkommenssituation, die man extra ermitteln müsse. Vielmehr sei die Staffelung nach den OGS-Gebühren vorzunehmen, die ja in Abhängigkeit von der Einkommenshöhe anfielen und bekannt seien. Dann könnte man, sollte das EDV-technisch abbildbar sein, einen prozentualen Anteil der OGS-Gebühren als Elternbeitrag für die Ferienspiele ansetzen, der als Mittelwert die Beitragshöhe ergebe, die hier angesetzt sei. Das würde Familien mit niedrigem Einkommen entlasten und sei auch für diejenigen, die mehr bezahlen könnten, der gerechtere Weg. Insgesamt stimme man der Vorlage, die sehr gut sei, natürlich zu.
Frau Opitz (GRÜNE) erklärt, sie sei nicht wirklich glücklich mit der Vorlage und mit ihrer Herangehensweise. Ein Manko sei, daß die Verwaltung nicht in der Lage sei, die Staffelung der Beiträge umzusetzen. Auch die Geschwisterpauschale liege schwer im Magen, da es anderswo auch möglich sei, in den Fällen den Beitrag zu reduzieren. Daher melde sie Beratungsbedarf an und kündige einen Änderungsantrag an.
Herr Kempkes (AfD) will der Vorlage nicht zustimmen, da die Reduzierung der Elternbeiträge nicht weit genug ging. Kinder und Jugend sollen Priorität haben sowie der Bereich Schule und Freizeit. Vor allem Berufstätige mit geringem Einkommen würden stark beansprucht.
Frau Hausmann-Peters (CDU) lobt die Arbeit der Verwaltung, welche die im Schulausschuß und im Jugendhilfeausschuß geäußerten Kritikpunkte aufgenommen habe. Man werde sich den Vorrednern anschließen. Speziell zum finanziellen Aspekt: Man rede von einem hochwertigen Angebot, was mehr darstelle als eine Bespaßung, da die Kinder auch pädagogisch betreut würden. Damit würde letztlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert. Auch im Hinblick auf die Struktur der Kinder in Oberhausen sei das Angebot sehr wichtig.
Eine Abstimmung unterbleibt wegen des von Frau Opitz (GRÜNE) angemeldeten Beratungsbedarfes.
Kommt die Linie 105?
Die Debatte unter TOP 13 über die „Grundsatzentscheidung zur Durchführung der Planungen und der notwendigen Verfahren für die Verlängerung der Straßenbahnlinie 105 von Essen nach Oberhausen“ (B/17/4407-01) war insofern von Interesse, als sie die Mehrheitsverhältnisse in dieser Frage offen darlegte. Ein Änderungsantrag der SPD (A/17/4474-01) brachte keine neuen Aspekte, sondern nur eine inhaltliche Ergänzung, um die Zuständigkeit des Rates für Beschlüsse im Rahmen des Projektes unzweideutig festzuhalten. Wie üblich, begann der Antragsteller die Aussprache:
Herr Real (SPD) erklärt, als er ganz jung in den Stadtrat eingezogen sei, habe es ganze Papierstöße an Unterlagen gegeben und er habe einen älteren Kollegen gefragt, ob man das alles lesen müsse. Die Antwort war: Die Begründung ist nicht wichtig, sondern nur das mußt du lesen, was beschlossen werden soll.
Es sei nun doch angebracht, an der einen oder anderen Stelle die Begründung genauer zu lesen. Was unter Punkt 3.5 „Entscheidungsfahrplan der Beschlüsse“ stehe, wird nach der alten Vorlage formal nicht mitbeschlossen. Der Rat sei allerdings das höchste Gremium der Stadt und es sei der SPD wichtig, daß er eingebunden wird in alle Beschlüsse. Der Änderungsantrag stelle keine inhaltliche Änderung dar, weil er das in den Beschlußvorschlag hereinziehe, was schon unter der Begründung stehe. Das stelle das Beteiligungsrecht des Rates sicher.
Ferner gebe es bezüglich der „übergeordneten Einbeziehung in den Masterplan-Prozeß drei oder vier Punkte, die noch nicht deutlich genug formuliert sind. Auf der einen Seite soll es eine Projektgruppe „Verlängerung der Straßenbahnlinie 105“ geben, auf der anderen Seite ein übergeordnetes Projektmanagement. Vergaben sollen durch die STOAG durchgeführt werden. Dann soll es noch im Bereich 5-6 „zusätzliche Aufgaben“ geben. Und dann soll dem Rat ein Projektmanagement vorgeschlagen werden, welches alle diese Aufgaben bezüglich der Straßenbahnlinie 105 bewältigen soll. Er würde gerne festhalten lassen, daß dem Rat in einer der nächsten Sitzungen vorgelegt werde, wer denn für die Gesamtleitung des Projektes verantwortlich sein solle. Ob das die Verwaltung sei, die STOAG oder ein wie auch immer geartetes Projektmanagement. Er schlage vor, eine Präzisierung für die übernächste Ratssitzung vorzunehmen.
Herr Bruckhoff (BOB) erklärt, BOB sei noch zu keiner Entscheidung gekommen; dann sei noch der Änderungsantrag dazu gekommen. Er melde daher Beratungsbedarf an.
Baudezernent Dr. Palotz weist auf die Zeilen 447 und 528 der Vorlage hin. Man habe bereits im Planungsausschuß sowohl den Beschluß für das notwendige Kommunikationskonzept für den inhaltlichen wie auch den Auftrag des Konzeptes (Zeile 447) sowie ggf. den Beschluß zur Bereitstellung der notwendigen Personalressource (Zeile 528) in Aussicht gestellt. Man werde diese beiden angekündigten Vorlagen zum Anlaß nehmen, die geplante Organisationsstruktur genauer darzustellen.
Frau Opitz (GRÜNE) erklärt, sich Herrn Bruckhoff anschließen zu wollen.
Herr Osmann (CDU) möchte sich angesichts des Beratungsbedarfes kurz zufassen. Man stimme, wie schon im Planungsausschuß, dem Bau der Linie 105 zu, weil die Linie ein integraler Bestandteil des Masterplans Neue Mitte sei. Dem SPD-Antrag werde man ebenfalls zustimmen, weil dieser ja nichts neues bringe, sondern lediglich eine Präzisierung darstelle.
Herr Kempkes (AfD) führt seine Bedenken an, die ihn gegen die Vorlage stimmen lassen. Die Gesamtherstellungskosten werden mit 110 bis 132 Millionen € angegeben; dazu kämen Gesamtbetriebskosten und Folgekosten. Es gebe also zahlreiche kalkulatorische Risiken in einer Größenordnung, die es angezeigt ließen, darüber nachzudenken, ob die STOAG die Strecke nicht mit Bussen abdecken könne. Die Kosten wären wesentlich geringer und die kalkulatorischen Risiken ebenfalls. Die Aufstellung enthalte Zahlen, die schwerlich einer Prüfung standhielten. Beispielsweise seien bei den Planungskosten Zinsaufschläge in Höhe von 4 Prozent angesetzt. Niemand könne Aussagen über das zukünftige Zinsniveau treffen. Die Kalkulation sei von Wunschdenken geprägt. Angesichts des Volumens könne man sagen, man lege sich einen Strick um den Hals, denn wenn das Projekt einmal begonnen sei, werde man nachschießen müssen; egal, wie teuer es dann noch werde. Das sei unabhängig von der Herkunft der Gelder. Man höre vielleicht etwas von dem geringen Eigenanteil der Stadt, aber es handele sich um Steuergelder, die egal von wo ins Projekt fließen und man habe eine Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit Steuergeldern.
Wegen des angemeldeten Beratungsbedarfes unterbleibt eine Abstimmung.