In den ersten fünf Folgen haben wir die Corona-Sonderförderung von ihrer Ursprungsidee bis zur praktischen Umsetzung in der von uns so genannten Förderphase betrachtet. Der Prozeß der zunehmenden Entfernung von der Ursprungsidee setzte sich fort. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20240227b_Corona-Foerderung_6

Nach dem Ende der Antragsfrist (30. 4. 2021).

Mit der Billigung der veränderten Antragsbedingungen (B/17/0131-01) durch den Haupt- und Finanzausschuß (HFA) am 23. 11. 2020 waren sämtliche früheren Einschränkungen bei der Sonderförderung (B/16/5937-02) praktisch aufgehoben worden. Gleichzeitig unterlagen die beiden für die Anträge zuständigen Dezernenten – Tsalastras und Schmidt – durch die festgelegte Form des Vergabeverfahrens keinerlei Kontrolle, da die Dienststellungen von Kulturdezernent und Kämmerer in einer Person zusammenfielen.

In dieser Konstellation blieb der Rat als einzige Kontrollinstanz übrig. Wir haben dargelegt, daß die sogenannten „Kenntnisnahmen“ der Sonderförderung (M/17/0249-01 usw.) in ihrer konkreten Form nur geringe Aussagekraft besaßen und dem eigentlichen Ziel – die Kontrolle der Vergabe von Fördergeldern – nicht gerecht wurden.

Es war allein der Stadtverordnete Blanke (GRÜNE), der daraus die richtigen Konsequenzen zog und eine Liste aller Antragsteller einforderte. Praktische Änderungen ergaben sich dadurch nicht.

Mit der Beschlußvorlage B/17/0608-01, vom HFA am 3. 5. 2021 gebilligt, trat die Corona-Sonderförderung insofern in eine neue Phase, als der Ursprungsgedanke nun völlig aufgegeben wurde. Die Verwaltung war angehalten, mit der OWT GmbH folgende Maßnahmen umzusetzen:

  1. Einführung eines City-Gutschein-Systems für Gastronomie, Kultur- und Freizeitanbieter in Oberhausen mit einer Förderung in Höhe von 500.000,- EUR
  2. Einführung eines neuen Online-Erlebnis und Buchungsportals mit einer Förderung in Höhe von 50.000,- EUR
  3. Entwicklung und Durchführung einer Marketingkampagne zur Förderung des Freizeit- und Tourismusstandortes Oberhausen mit einer noch zu bestimmenden Förderhöhe.

Der Begründung waren folgende Sachverhalte zu entnehmen:

  • Im Haushaltsjahr 2020 waren von den 2 Mio. €, welche infolge der Haushaltsverfügung des Stadtkämmerers vom 17. 4. 2020 der Corona-Sonderförderung zugeführt worden waren, etwa 400.000 € verausgabt worden.
  • Bis zum 12. 4. 2021 wurden weitere Anträge mit einem Gesamtvolumen von ca. 0,5 Mio. € bewilligt, so daß noch 1,1 Mio. € aus der Sonderförderung zur Verfügung standen.
  • Bis zum Ende der nicht mehr verlängerten Antragsfrist – 30. 4. 2021 – rechnete die Verwaltung mit weiteren Anträgen in einer Gesamthöhe von maximal 850.000 €.

Aus der Begründung ist weiterhin zu entnehmen, daß die City-Gutscheine im Wert von 20, 50 oder 100 € zu einem Fünftel von der Stadt gefördert werden sollten:

Daraus können bei einem Volumen von 500.000 Euro aus der kommunalen Corona-Sonderförderung durch die Hebelwirkung zusätzliche Umsätze in Höhe von 2,5 Millionen Euro für besonders unter den behördlichen Corona-Einschränkungen leidende Betriebe generiert werden.“

Der Verkauf der City-Gutscheine sollte durch die OWT an zwei Stellen (Centro und Hauptbahnhof) und über ein Online-Portal erfolgen.

Die angestellte Berechnung (2,5 Mio. €) ist natürlich von zweifelhafter Qualität, da die Leute auch ohne Gutschein in Restaurants usw. gehen. Es gibt höchstens einen Mitnahmeeffekt, der eher minimal zu veranschlagen ist, da ein Interessent sich erst einmal mit den Bedingungen vertraut machen muß. Ferner wird jeder positive Effekt durch den Aufwand für die Einrichtung und Beibehaltung des Gutschein-Systems völlig in sein Gegenteil verkehrt.

WAZ-Artikeln vom 9. und 28. 10. 2021 ist zu entnehmen, daß die Resonanz relativ gering war, weshalb die Dauer der Aktion bis Juni 2022 verlängert wurde. Um die Aktion überhaupt noch bekannter zu machen, hätte die Stadt mehr Personal und Geld in die Beratung und Werbung stecken müssen.

Soweit ersichtlich, existiert das City-Gutschein-System noch heute unter dem Namen „Stadtgutschein“ (siehe https://stadtgutschein-oberhausen.de/).

Das ganze System ist mit personellem, technischem und finanziellem Aufwand verbunden und gerade hinsichtlich der für die Stadt entstehenden Kosten vollkommen undurchsichtig. Das Angebot der City-Gutscheine ist letztlich nichts anderes als ein Eingriff der Kommune mit planwirtschaftlichen Elementen in einen freien Wettbewerb.

Was das „neue Online-Erlebnis- und Buchungsportal als wesentliches Instrument eines intensivierten Destinationsmarketings“ angeht, so ist einmal der inhaltliche Bezug zur Corona-Sonderförderung in keinster Weise mehr gegeben. Warum eine einzige Internetseite eine derartig belebende Wirkung auf die Tourismusbranche haben soll, daß man auf ihr eine „Marketing-Kampagne zur Unterstützung des Freizeit- und Tourismusstandortes Oberhausen zum Neustart nach Corona“ mit einer noch völlig offenen Kostenkalkulation aufbauen kann, ist völlig schleierhaft.

Die Vorlage B/17/0608-01 wurde am 3. 5. 2021 im HFA (Rat) mit folgender Ergänzung aus dem CDU-Änderungsantrag A/17/0646-01 einstimmig beschlossen:

„Darüber hinaus wird die Verwaltung gebeten zu prüfen, inwieweit die verbliebene Summe im Sofortprogramm Sonderförderung Corona durch Anpassung der Richtlinien zur Zweitförderung von Antragsstellern, die bereits einen positiven Bewilligungsbescheid erhalten haben, zur Verfügung gestellt werden kann. Die Ergebnisse der Prüfung sind dem Rat in der kommenden Sitzung zum Beschluß vorzulegen.“

Die transportable Bühne.

Auf eigentümliche Art und Weise mit der Corona-Sonderförderung verbunden war die Idee, auf städtische Kosten eine transportable Bühne anzuschaffen, um an geeigneten Plätzen Freiluftveranstaltungen durchzuführen und damit die Einschränkungen für den Kulturbetrieb in der Corona-Pandemie zu umgehen. Der entsprechende SPD-Antrag A/16/5952-01 war als Prüfauftrag formuliert und sowohl im Kulturausschuß am 10. 9. 2020 als auch vier Tage später im Rat einstimmig positiv vorberaten bzw. beschlossen worden.

Noch vor der Beantwortung durch die Verwaltung änderte die SPD am 18. 1. 2021 ihren eigenen Antrag mit dem Zweck, die Verwaltung zur Bereitstellung einer transportablen Bühne „für die freie kommunale Kulturszene“ zu verpflichten: „Zur Finanzierung sollte in erster Linie auf bestehende Fördertöpfe zurückgegriffen werden, das Volumen beläuft sich dabei auf rund 50.000 Euro. Zudem ist ergänzend zu prüfen, ob die Mittel aus dem Investitionshaushalt zu finanzieren sind.“

Am 1. 2. 2021 wurde im Haupt- und Finanzausschuß dieser SPD-Antrag A/17/0351-01 auf Veranlassung der CDU, die ihrerseits einen Änderungsantrag ankündigte, ohne Votum vorberaten.

Genau eine Woche später – der HFA tagte dieses Mal als Ersatz für den Stadtrat – übernahm die SPD diesen CDU-Änderungsantrag A/17/0396-01, der gegen die Stimme der AfD angenommen wurde.

Trickreich formulierte der CDU-Antrag, die Verwaltung habe „im Haushalt Mittel in Höhe von 50.000 Euro bereitzustellen, um für die freie und kommunale Kulturszene die Anschaffung einer transportablen oder einer fixen Bühne zu ermöglichen bzw. um mit den Mitteln die Ausleihe einer solchen Bühne bei regionalen Unternehmen zu unterstützen.“ Danach folgte eine detaillierte Anweisung zur Prüfung des Sachverhaltes: Es sollten die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung einer solchen Bühne festgestellt werden – unter Nennung einiger zu prüfender Kriterien, die Alternative der Ausleihe einer transportablen Bühne geprüft und Fördermöglichkeiten ermittelt werden. Abschließend waren „die Ergebnisse dem zuständigen Fachausschuß zur Beschlußfassung vorzulegen.“

In intelligenter Weise hatte die CDU also nur die Bereitstellung der von der SPD genannten Summe über 50.000 € (die Kalkulationsbasis dazu hatte die SPD nicht offen gelegt) als Haushaltsposten bewirkt und im übrigen der Verwaltung einen engmaschigen Katalog mitgegeben, der – als entscheidendes Detail im letzten Satz – dem Kulturausschuß zur Beschlußfassung vorzulegen war.

Die Stellungnahme der Verwaltung lag als Vorlage B/17/0529-01 (ab dem 20. 4. 2021 im Unterschriftengang) dem HFA (Rat) am 3. 5. 2021 direkt zur Beschlußfassung vor. Entscheidend war der einleitende Vorschlag, „auf die Anschaffung einer eigenen kompletten transportablen Bühne (Trailerbühne) zu verzichten und stattdessen Mobiles Equipment für verschiedene Veranstaltungsorte zu beschaffen und für die freie und kommunale Kulturszene zur Verfügung zu stellen.

Für die Beschaffung des mobilen Equipments stehen im Haushalt 2021 Mittel in Höhe von 50.000 EUR unter der Finanzstelle 860004070300000, Finanzposition 783100 zur Verfügung.“

Dann folgte ein zweiter Beschlußvorschlag, der nichts mit der mobilen Bühne zu tun hatte, aber plötzlich den eigentlichen Kern der Angelegenheit bildete:

Darüber hinaus ist eine dezentrale Veranstaltungsreihe für die Oberhausener Kulturszene kurzfristig zu planen und unter Rücksichtnahme auf die dann geltende Coronaschutzverordnung durchzuführen.

Für die Veranstaltungsreihe wird ein Antrag für das Förderprogramm „Kultursommer 2021“ der Kulturstiftung des Bundes erstellt. Sollte der Förderantrag nicht bewilligt werden, stehen Restmittel aus der Rückstellung der Corona-Sonderförderung zur Verfügung.“

Zur HFA-Sitzung am 3. 5. 2021 lag auch ein FDP-Antrag vor, der im ersten Teil ein Konzept zur Anschaffung von Equipment forderte und im zweiten Teil der genannten Verwaltungsvorlage zur Planung einer Veranstaltungsreihe entsprach. In der Debatte setzte sich die CDU mit ihrer von Frau Stehr vorgetragenen Argumentation durch, nicht über die Beschaffung von Equipment zu entscheiden, so daß nur der Verzicht auf die Anschaffung einer transportablen Bühne beschlossen wurde. Weiter folgte die Beschlußfassung dem Vorschlag eines Antrages für das Förderprogramm „Kultursommer 2023“. Sollte der Förderantrag abgelehnt werden, kamen „Restmittel aus der Rückstellung der Corona-Sonderförderung“ zur Verwendung.

Es wäre interessant gewesen, wie hoch die veranschlagten Beträge für den „Kultursommer“ gewesen wären. Zum Glück konnte der Kämmerer (und Kulturdezernent) Tsalastras in der Sitzung des Kulturausschusses am 8. 6. 2021 berichten, daß der Antrag bewilligt worden war:

Dieser Antrag wurde mit einer Fördersumme i.H.v. 451.600 EUR bewilligt. Der Eigenanteil beträgt 120.400 EUR. Zudem werden mit Einnahmen i.H.v. 30.000 EUR gerechnet. Somit stehen für das geplante „Freistil“-Festival Mittel i.H.v. 602.000 EUR zur Verfügung.“

Mit anderen Worten: Die Förderung betrug 572.000 €, darin den städtischen Eigenanteil (120.400 € gleich 21%) inbegriffen und oben drauf kamen noch 30.000 € an Eintrittsgeldern. Wie diese Kalkulation zustande kam, ist nicht ersichtlich.

Der Niederschrift ist nicht zu entnehmen, aus welchem Etat der städtische Eigenanteil zu leisten war. Wir werden weiter unten darauf eingehen.

Die Verwendung der Restmittel.

Mit der Vorlage B/17/0814-01 legte die Verwaltung in der Ratssitzung am 28. 6. 2021 einen „Sachstandsbericht und Beschluß über die Verwendung der Restmittel des Sofortprogramms Sonderförderung Corona der Stadt Oberhausen“ vor. Auch hier war die Umkehrung der normalen Beratungsfolge erfolgt: Die Ausschüsse Wirtschaft/Digitalisierung, Sport und Kultur sollten zwischen dem 26. August und 15. September die Vorlage lediglich noch zur Kenntnis nehmen. Der eigentliche Zweck des Ausschußsystems wurde wieder einmal ad absurdum geführt.

Wie erinnerlich, hatte die Vorlage B/17/0608-01 vom 3. 5. 2021 drei Elemente aufgelistet: den City-Gutschein, ein Online-Portal und die Marketing-Kampagne. Durch den CDU-Änderungsantrag war noch ein weiteres Element hinzugekommen: die Prüfung der Möglichkeit einer Zweitförderung von Antragstellern.

Die Vorlage B/17/0814-01 machte folgende Beschlußvorschläge als Ergänzung der am 3. 5. 2021 beschlossenen Vorlage:

  • Es gibt keine weitere Förderrunde im Rahmen der Sonderförderung (Begründung Zeilen 71ff der Vorlage; zum CDU-Änderungsantrag).
  • Die nicht ausgeschöpften Restmittel, über deren Verwendung noch nicht entschieden ist, werden wie folgt verwendet:
    • 194.000 € für eine Marketing-Kampagne;
    • 71.000 € zur Sicherstellung des Eigenanteils am „Kultursommer 2021“.

Die neue Vorlage hatte also die Förderhöhe für die angekündigte Marketing-Kampagne festgelegt und die Finanzierung des „Kultursommers 2021“ zum Gegenstand.

Im Abschnitt über die transportable Bühne hatten wir gesehen, daß gemäß der Vorlage B/17/0529-01 „für die Beschaffung des mobilen Equipments im Haushalt 2021 Mittel in Höhe von 50.000 EUR unter der Finanzstelle 860004070300000, Finanzposition 783100 zur Verfügung“ standen. Ferner sollte das Projekt „Kultursommer 2021“ aus Restmitteln der Sonderförderung finanziert werden. Dieses Projekt tauchte plötzlich als isoliertes Versatzstück in einem Antrag auf, der die transportable Bühne zum Gegenstand hatte. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Sonderförderung immer diffuser wurde.

Mit dem positiven Förderbescheid, so B/17/0814-01, vom 25. 5. 2021 über 451.600 € wurde der „Kultursommer“ gefördert. Der zusätzliche Eigenanteil der Stadt in Höhe von 120.400 € wurde durch „im Rahmen der Haushaltsplanung“ bereitgestellte 50.000 € plus Restmittel der Corona-Sonderförderung (maximal 71.000 €) sichergestellt.

Die Vorlage enthielt folgende abschließenden Aufstellungen, die wir etwas zusammengefaßt wiedergeben:

Antragskategorie

Anzahl Anträge

Bewilligte Summe

Verfügbar
(Rat 14. 9. 2020)

Projektförderung

48

675.000 €

700.000 €

Härtefallfonds

12

65.500 €

300.000 €

Notfallfonds

26

375.500 €

900.000 €

Eigenanteilsförderung

1

5.000 €

100.000 €

Summe

87

1.121.000 €

2.000.000 €

Es befanden sich noch vier Anträge im Bearbeitungsstadium, so daß mit einer Erhöhung des Bewilligungsbudgets um 64.000 € zu rechnen war. Daraus ergeben sich folgende Restmittel:

Verfügbar

Bewilligt

Bearbeitung

Restmittel

2.000.000 €

1.121.000 €

64.000 €

815.000 €

Daraus ergab sich folgende Aufstellung zur Verwendung der Restmittel:

Posten

Etat

Vorlage

City-Gutschein

500.000 €

B/17/0608-01

Online-Erlebnis-Portal

50.000 €

B/17/0608-01

Marketing-Kampagne

194.000 €

B/17/0814-01

Kultursommer 2021

71.000 €

B/17/0814-01

gesamt

815.000 €

Der Rat billigte die Vorlage am 28. 6. 2021 einstimmig. In der Debatte machte der Stadtverordnete Krey (SPD) darauf aufmerksam, daß in der HFA-Sitzung am 3. 5. 2021 über ein – so die Niederschrift – „Vier-Säulenmodell zur Corona-Förderung der Freizeit- und Tourismuswirtschaft aus Restmitteln gesprochen wurde, (City-Gutscheinsystem, Online-Erlebnis und Buchungsportal, Durchführung einer Marketingkampagne zur Förderung des Freizeit- und Tourismusstandortes Oberhausen und die Anpassung der Richtlinien zur Zweitförderung).“

Da die Verwaltungsvorlage 814 nur Aussagen zu einer der vier Säulen machte, bat Krey um Informationen zum Abarbeitungsstand der anderen drei Säulen. Der Oberbürgermeister sicherte zu, er werde „die Frage in der nächsten Sitzung des Verwaltungsvorstandes thematisieren und eine Beantwortung in den zuständigen Gremien veranlassen.“