In der Ratssitzung vom 5. Februar verabschiedete der Rat mit großer Mehrheit eine Grundsatzentscheidung, mit den Planungen zur Verlängerung der Linie 105 bis zur Neuen Mitte (sog. „Lückenschluß“) zu beginnen. Wir dokumentieren hier die Stellungnahmen der einzelnen Fraktionen. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20240314b_Rat_20240205_3
Die Anträge.
In der Verwaltungsvorlage B/17/4407-01 ging es um die „Grundsatzentscheidung zur Durchführung der Planungen und der notwendigen Verfahren für die Verlängerung der Straßenbahnlinie 105 von Essen nach Oberhausen“. Dazu sollten die Stadtverwaltung und die STOAG die erforderlichen Planungs- und Verfahrensschritte zur Inbetriebnahme der Straßenbahnstrecke VI und der Verlängerung der Straßenbahnlinie 105 gemäß dem Trassenvorschlag des Masterplans Neue Mitte unternehmen sowie die Bürgerbeteiligung entsprechend den geltenden Leitlinien organisieren.
Wir empfehlen jedem an dem Thema Interessierten eine Durchsicht der Vorlage (daher die Verlinkung), weil sie eine Beschreibung der Projekthistorie seit 1998 bietet und an einer Stelle Informationen aufbereitet, die man sich ansonsten mühsam zusammensuchen müßte.
Im Abschnitt 3.5 waren die erforderlichen Beschlüsse bis zum Baubeginn aufgelistet:
- Grundsatzentscheidung zur Durchführung der Planung und der Verfahren.
Hier vorliegende Beschlußvorlage [B/17/4407-01].
- Kommunikationskonzept / Öffentlichkeitsbeteiligung.
Beschluß über das noch zu erstellende Konzept.
- Beschluß zum Abschluß der Planungsphase (HOAI Leistungsphase 3) / Einleitung der Planfeststellung.
Die wesentlichen Ergebnisse der Planungsphase werden präsentiert und als Grundlage für das anschließende, durch die Bezirksregierung durchzuführende Planfeststellungsverfahren, beschlossen.Stellungnahme der Gemeinde zur Planfeststellung (im Rahmen des durch die Bezirksregierung durchzuführenden Planfeststellungsverfahren wird die Gemeinde selber dazu aufgefordert eine Stellungnahme abzugeben).
- Baubeschluß.
Die vorliegende Gesamtplanung wird dem Rat der Stadt zum Beschluß vorgelegt. Danach kann mit dem Bau begonnen werden.
Der Änderungsantrag A/17/4474-01 der SPD ergänzte den Beschlußvorschlag der B-Vorlage um folgende Passagen:
„Darüber hinaus beauftragt der Rat die Stadtverwaltung, folgende Beschlüsse zum jeweils notwendigen Zeitpunkt durch den Rat fassen zu lassen:
- Beschluß zum Abschluß der Planungsphase (HOAI Leistungsphase 3) / Einleitung der Planfeststellung
Der Rat beschließt die Ergebnisse der Planungsphase als Grundlage für das anschließende, durch die Bezirksregierung durchzuführende Planfeststellungsverfahren.
- Beschluß der Stellungnahme zur Planfeststellung
Der Rat beschließt die Stellungnahme der Gemeinde zur Planfeststellung im Rahmen des durch die Bezirksregierung durchzuführenden Planfeststellungsverfahren.
- Baubeschluß
Der Rat beschließt die vorliegende Gesamtplanung. Erst danach kann mit dem Bau begonnen werden.“
Wie man sieht, ging es um eine auf den ersten Blick unwesentliche Änderung, denn inhaltlich waren die vorgeschlagenen Änderungen dem genannten Abschnitt der Begründung der B-Vorlage entnommen worden. Der Stadtverordnete Real kam in seiner Rede auf den Sinn dieser Änderung zu sprechen.
Der AfD-Änderungsantrag A/17/4509-01 schlug stattdessen vor, die „erforderlichen Planungs- und Verfahrensschritte zur Inbetriebnahme der Straßenbahnstrecke VI und der Straßenbahnlinie 105 aus[zu]setzen und ein alternatives Gesamtkonzept, welches den Einsatz von Linienbussen vorsieht, [zu] erstellen.“
Antragsbegründung durch den Stadtv. Real (SPD).
Nachfolgend bringen wir die wichtigsten Passagen dieser zum Schluß unter Zeitdruck (wegen Überziehung der Redezeit) gehaltenen Rede. Traditionell gebührt dem Antragsteller die Eröffnung der Debatte:
„Wir machen einen kurzen Rückblick in das Jahr 2014. In der Stadtgesellschaft und im Rat der Stadt wird intensiv über den Bau der Linie 105 diskutiert. Große Ablehnung bei der CDU, ich zitiere: „Die Kosten dieser Linie sind mit acht [80] Millionen Euro, für 3 Kilometer Straßenbahnstrecke, die bei der STOAG 13 Millionen Euro zahlen muß, viel zu hoch.“ So der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Schranz.
Knapp zehn Jahre später. Wir schreiben das Jahr 2023. Der damalige Fraktionsvorsitzende Daniel Schranz trägt heute den Titel „Oberbürgermeister“. Und siehe: der Amtswandel bringt einen Perspektivwandel mit sich. Zitat: „Die Weiterführung der Linie 105 ist ein Baustein für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung in Oberhausen. Sie kann die Neue Mitte und angrenzende Stadtteile vom Autoverkehr entlasten. Gleichzeitig ist die Verlängerung der Linie 105 durch die Vernetzung mit unserer Nachbarstadt Essen ein Projekt, das die Mobilität in der ganzen Region befördern wird.“
Wir übertragen einmal den Zeitplan der Linie 105 heute auf das Jahr 2014. Hätte die CDU damals dem Bau der Linie 105 zugestimmt, würden wir heute schon lange an der Eröffnungsfahrt teilgenommen haben und die Strecke würde funktionieren und würde die Städte Oberhausen und Essen gewinnstiftend verbinden.
Hätte die CDU damals für den Bau der Linie 105 gestimmt, wäre der Bau der gesamten Linie 105 mit 80 Millionen [Euro] Kosten durchaus günstiger gewesen für die Stadt Oberhausen, als es heute sein wird.
Liebe CDU, … Opposition darf nicht heißen, daß man Anträge, die sinnvoll sind, einfach ablehnt. Auch von einer Opposition darf die Bürgerschaft konstruktive Mitarbeit erwarten und das habt Ihr 2014 der Bürgerschaft in Oberhausen verweigert.“
Nachdem Herr Real feststellte, daß die gegenwärtige Linienführung besser sei als vor zehn Jahren, kam er ausführlich auf den Kosten-Nutzen-Faktor – damals 2,04 – gegenüber von ihm prognostizierte 2,5 zu sprechen. Abschließend zur Begründung des SPD-Änderungsantrages:
„Dieser Ergänzungsantrag formuliert keine neuen Ziele, sondern er übernimmt das, was im Text steht, in der Begründung, in die Beschlußvorlage. Ich will auch kurz erläutern, warum das besonders wichtig ist.
Ich mache das deutlich an dem ersten Änderungspunkt. Der Rat der Stadt Oberhausen muß die Möglichkeit haben, am Ende des Verfahrens HOAI 3 hierüber zu befinden, ob wir diese Linie unter den dann bekannten Kosten, unter den dann bekannten Förderungsmöglichkeiten tatsächlich weiterführen wollen. Deshalb sind diese Ratsbeschlüsse so wichtig und deshalb kämpfen wir dafür, daß wir die Ratsbeschlüsse, die in der Begründung stehen, in den Beschlußteil überziehen.“
Nach einem launigen Dank des Oberbürgermeisters an den Redner, all diese Zitate viele Jahre aufbewahrt und gehegt zu haben, sprach der nächste Redner.
Entgegnung des Stadtv. Osmann (CDU).
Der CDU-Vertreter Osmann sprach nicht gegen den Antrag, sondern wandte sich gegen die Art und Weise, wie sein Vorredner die damalige Haltung der CDU zur Linie 105 dargestellt hatte:
„Nach dem Ende der Rede von Uli Real brauche ich eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Also, die Zitate, die hier mehrfach auch genannt worden sind [weist in Richtung Oberbürgermeister], sind ja alle richtig; und heute noch genau so richtig wie damals. Ich möchte aber erst mal vorab sagen, bevor ich dazu komme: Dem SPD-Antrag werden wir natürlich zustimmen. Das haben wir ja im Haupt- und Finanzausschuß schon gesagt. Es ist ja letztlich nur eine Präzisierung – Sie haben es ja ausgeführt – der Formulierung auch in der Begründung. Von daher stimmen wir dem Antrag sehr gerne zu.“
Danach kam der Redner zur Vergangenheit, die er eigentlich gar nicht mehr bemühen wollte, es aber nach der Haushaltsrede von Frau Bongers und jetzt von Herrn Real doch mache. Er wies darauf hin, daß die CDU seinerzeit nicht gegen den Lückenschluß an sich gewesen sei, sondern nur gegen die Form. Sein Vorredner habe ja selbst von einem gegenwärtigen „optimierten Plan“ gesprochen.
„Und ich möchte noch einen Schritt weiter gehen: Vielleicht ist der Unterschied auch, das damals aus SPD-Sicht geplant wurde und heute aus CDU-Sicht geplant wurde [Gelächter]. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur erinnern an: Skihalle, Flugzeugfabrik, Gläserner Mensch. Alles Dinge, die aus der sozialdemokratischen Ideenschmiede stammen und – in keinster Weise realisiert werden konnten.
Wir haben jetzt eine Planung vorliegen von einem renommierten Planungsbüro, Albert Speer und Partner, was absolut realisiert werden kann. Wir haben eine Streckenführung, die nicht über einen menschenleeres Niemandsland führt, sondern geplant ist, auf nicht aufgestellter Bauweise, auch das ist vollkommen richtig, – geplant ist, in einer Gesamtplanung, wo wir von Wohnen ausgehen, wo wir von Gewerbe ausgehen, wo wir neue Arbeitsplätze schaffen können, und wo wir einen absoluten Mehrwert für unsere Stadt Oberhausen erreichen werden. Der Masterplan Neue Mitte, ich habe es ja auch schon mehrfach erwähnt, ist ein absoluter Meilenstein für die Entwicklung der Stadt Oberhausen, und ein großer Baustein, ein wichtiger Baustein dafür ist die Linie 105 und der Lückenschluß. Und ich glaube auch, der Kosten-Nutzen-Faktor wird sicherlich höher werden und dementsprechend auch eine Realisierung der Linie rechtfertigen. Von daher nochmal: Wir freuen uns, daß wir uns jetzt sozusagen zusammenschließen können, daß die Pläne jetzt besser geworden sind und freuen uns auf eine Realisierung der Straßenbahnlinie.“
Stellungnahme der LINKEN (Stadtv. Hansen).
Die Stadtverordnete Hansen nutzte ihre Redezeit für ein allgemeines Plädoyer zum Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV):
„Wir begrüßen den Neubau der Straßenbahnlinie 105 auf Oberhausener Stadtgebiet. Der Anschluß der in Essen endenden Linie 105 an das vorhandene Oberhausener Straßenbahnnetz ist ein erster notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Denn eine Straßenbahn ist ein ökologisches, benutzerfreundliches und zukunftsorientiertes Verkehrsmittel.
Seit Jahren beobachten wir eine stetige Verschlechterung der Bedingungen für die Nutzerinnen des ÖPNV‘s. Beklagt werden unter anderem die Fahrzeit-Taktung sowie die Verläßlichkeit der städtischen Linien. Auch sehen wir eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen vieler STOAG-Mitarbeiter, wie die Warnstreiks der letzten Zeit belegen.
Daher fordern wir nicht nur den Ausbau der Straßenbahn, sondern auch eine grundsätzliche Stärkung des ÖPNV in Oberhausen. Einen wirklich guten Personennahverkehr für alle Menschen Oberhausens, denn alle Oberhausenerinnen haben ein Anrecht auf eine gute, verläßliche Versorgung durch den öffentlichen Personennahverkehr, der im innerstädtischen Bereich dem motorisierten Individualverkehr überlegen sein muß.“
Speziell zur Neuen Mitte merkte sie an, es reiche nicht aus, ausschließlich über die Verkehrsanbindungen für die geplanten Gewerbe- und Wohngebiete nachzudenken. Solange in der Neuen Mitte kostenlose Parkplätze angeboten würden, würden die Besucher in ihren eigenen Fahrzeugen anreisen und es bliebe der ÖPNV stets zweite Wahl.
„Um eine wirkliche Verkehrswende in Oberhausen zu erreichen, müssen wir hier Überlegungen anstellen, wie wir Parkraum auch in der Neuen Mitte in der Zukunft bewirtschaften und zur Verfügung gestellt wird. Wir meinen, diese Straßenbahnlinie kann ein Baustein für eine wirkliche Verkehrswende sein.
Um das zu erreichen, müssen wir jedoch über weitergehende Maßnahmen nachdenken und entscheiden. Maßnahmen, die zu einer Privilegierung der Nutzerinnen des öffentlichen Personennahverkehrs führen. Denn nur ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr schafft die Voraussetzungen für die Reduzierung des Autoverkehrs und somit für die Verkehrswende.“
Ablehnung der Linie 105 durch die AfD (Stadtv. Kempkes).
Der Stadtverordnete Kempkes begründete für seine Fraktion die Ablehnung der Straßenbahnlinie wie folgt:
„Wenn die Begeisterung für eine solche Linie 105 allgemein aufschlägt, heißt es, besonders vorsichtig zu sein. Wir lehnen das Projekt Linie 105 ab – und das aus folgenden Gründen:
Wir gehen davon aus, daß die geschätzten Gesamtherstellungskostenkosten von 132 Millionen sehr sehr positiv gerechnet wurden. Wahrscheinlich werden wir irgendwo im 150-Millionen-Bereich landen.
Folgende Risiken schlagen jetzt hier auf: Wenn die Gesamtherstellungskosten nicht eingehalten werden und wir natürlich von Förderung abhängig sind – wer schießt hier Geld nach, und wo sind die Grenzen des Geldnachschießens? Weiterhin unterhalten wir uns über eine Streckenführung über Grundstücke, die nicht alle der Stadt Oberhausen gehören. Ob diese Grundstücke überhaupt zu erwerben sind und zur Verwendung stehen, steht noch auf einem anderen Blatt.
In dem Antrag, der hier vorliegt, hat man sich für die Straßenbahn ausgesprochen und hat das „Konzept Bus“ aufgrund eines schwachen Arguments „Stauvermeidung“ abgelehnt.
Wir haben uns jetzt auch mit Hilfe des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages mal mit der Thematik Bus beschäftigt, denn unser Ziel ist es – und da sind wir uns im Endergebnis ja einig, wir wollen Personen vernünftig transportieren – und da sage ich, wir sollten uns nochmal mit der „Thematik Bus“ beschäftigen.
Danach sprach der Stadtverordnete in allgemeiner Form über die Eckdaten des Antrages, aus denen hervorging:
„Die Fixkosten werden ziemlich identisch sein, die Personalkosten, da werden sich Bus und Straßenbahn auch nicht viel tun. Wir haben uns auch nicht festgelegt auf die Antriebsart, denn wir sprechen von „Treibstoff“ bei den Fahrzeugen. Wie auch immer diese Busse angetrieben sein mögen, das wird die Zukunft bringen. Aber wir sagen:
Unterm Strich ist die Busvariante die wesentlich günstigere und in der jetzigen Finanzsituation der Stadt Oberhausen sollten wir uns eine solche wacklige Geschichte nicht antun. So schön das alles ist, aber 132 Millionen für dreieinhalb Kilometer Streckenführung, meine Damen und Herren!
Ich habe damals schon, als es zur Bürgerabstimmung zur Linie 105 kam, bei einer ganz anderen Summe schon gefragt, ob damals die Stelzen aus Gold erstellt werden. 132 Millionen für eine solche Strecke – rechnen Sie es um: Da kommen Sie mit den Bussen besser weg.“
Stellungnahme der GRÜNEN (Stadtv. Dobnik).
Die kürzeste Rede zum Thema hielt der Stadtverordnete Dobnik, der prägnant die Leitideen der Verkehrspolitik seiner Fraktion darlegte:
„Natürlich befürworten wir GRÜNEN dieses Projekt. Wir haben dieses vor zehn Jahren getan und wir werden dies auch weiterhin tun.
Wir haben im letzten Stadtplanungs- und Mobilitätsausschuß sehr eindrücklich von der STOAG … die Fakten um dieses Projekt herum vorgestellt bekommen. Der Kosten-Nutzen-Faktor dieses Projekts wurde bereits vor zehn Jahren als außergewöhnlich hoch berechnet – und dieser Kosten-Nutzen-Faktor wird heute vermutlich noch besser ausfallen. Wir brauchen dieses Projekt für den ÖPNV, den Lückenschluß zu unseren Nachbarstädten, gegen das Verkehrschaos am Centro und für die Mobilitätswende heute; auch ohne die Umsetzung des Masterplans Neue Mitte – und auch schon vor zehn Jahren.
Und so ehrlich sollte man sich machen: Die Welt hat sich weiter gedreht. Wir haben zehn Jahre später – nach der letzten Planung – und die [wie den] Bürgerinnen und Bürger stehen jedem Menschen und auch uns Erkenntnisse und Meinungsänderungen zu nach dieser Zeitspanne. Und wir benötigen diese Linie 105 nicht nur, weil wir den Masterplan Neue Mitte haben.
Wir hätten ihn damals benötigt – die Umsetzung – und wir würden heute schon in dieser Straßenbahn fahren. Und jeder der dort in diesem Stadtgebiet wohnt, der diese Linie 105 hätte nutzen können heute, würde sich heute schon darüber freuen.
Die Linie 105 war und bleibt ein sehr kosteneffizientes Mobilitätskonzept. Es wird unserer Stadt gut tun.“
Die Haltung der GRÜNEN zu einem Nebenaspekt der Pläne kam später – unter TOP 20.1 mit der Vorlage B/17/4174-01 – zum Vorschein. Vor der vom Rat gegen die Stimmen von GRÜNEN und LINKEN beschlossenen Nichtanwendung des Bebauungsplans Nr. 465 für das ehemalige Stahlwerksgelände stellte der Stadtverordnete Dobnik fest:
„Durch diese Nichtanwendung kann der Masterplan Neue Mitte schneller und mit deutlich weniger Beteiligung des Rates der Stadt Oberhausen umgesetzt werden.
Wir befürchten vorhabenbezogene Projektplanungen ohne aufeinander abgestimmte Gesamtanforderungen und -ziele für dieses Gesamtgelände. Eine abgestimmte und zielgerichtete Geländeentwicklung ist durch dieses Vorgehen stark gefährdet. Wir befürworten eine Korrektur des vorliegenden B-Plans und dessen Beratung und Beschluß in den entsprechenden Gremien, auch wenn dies den Masterplan Neue Mitte gegebenenfalls verzögern würde.“
Dieses Eintreten für die – vereinfacht ausgedrückt – Planungshoheit des Rates durch Beratung und Beschluß in den vorgeschalteten Ausschüssen entsprach prinzipiell der Absicht des SPD-Änderungsantrages zur Linie 105. Hier versagte sich allerdings die Ratsmehrheit den GRÜNEN.
Die allgemeine Aussprache.
Der Stadtv. Bruckhoff (BOB) beschränkte sich mit Blick auf die Ausführungen Herrn Reals über die seinerzeitige Rolle der CDU auf die Anmerkung, daß unter Oberbürgermeister Wehling die Mehrheitsverhältnisse für die „Ampelkoalition“ so eindeutig gewesen seien, daß das Abstimmungsverhalten der CDU bei einer Befürwortung der Linie 105 keine Rolle gespielt hätte.
Auch der Stadtv. Hoff (FDP) äußerte sich zum damaligen Verhalten der Fraktionen in dieser Frage und zur Vorgeschichte des Bürgerentscheids. Aber jetzt müsse der Rat es besser machen. Wenn der Kosten-Nutzen-Faktor tatsächlich so gut sei, müsse man zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Dem SPD-Antrag werde er zustimmen.
Herr Real (SPD) bedankte sich für die allgemeine Zustimmung zum SPD-Antrag, wollte aber noch kurz auf den AfD-Antrag eingehen. Wenn man Neukunden für den ÖVPN gewinnen wolle, müsse man ein attraktives Angebot vorhalten. „Attraktiv“ sei es nicht: Mit der Essener Straßenbahn an die Stadtgrenze Oberhausen fahren, in einen Bus umsteigen, weiterfahren und möglicherweise wieder in eine Straßenbahn einsteigen. Das sei ein „restlos unattraktives Angebot“ und aus diesem Grunde werde man dem AfD-Vorschlag auch nicht zustimmen können. Weiterhin: In eine Straßenbahn passen 180 Leute, in einen Gelenkbus 120. Wenn also irgendwo eine Großveranstaltung stattfindet, müßten an dieser Haltestelle zwei Gelenkbusse stehen, um alle Fahrgäste, die mit der Straßenbahn kommen, weiterzubefördern. Das sei unrealistisch. Am Ende habe man eine Buslinie eingerichtet, die nicht genutzt werde. Das könne nicht das Ziel sein. Ziel sei es vielmehr, mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 2,4 bzw. 2,5 das Beste für die Oberhausener Bürger herauszuholen.
Herr Kempkes (AfD) stimmte Herrn Real zu, daß das Umsteigen nicht optimal sei. Der Wechsel Straßenbahn – Bus habe unbestrittene Schwächen. Wenn man allerdings ein alternatives Konzept zur Buslinie vorlegen würde, könnte man direkt den finanziellen Aufwand vergleichen: 132 Millionen gegen ein paar Busse. Personalkosten, Anschaffung und Wartung würden finanziell vergleichbar aufwendig sein. Ein nicht angesprochenes Problem: Wer zahle denn, wenn das Projekt teurer werde als kalkuliert. Man sei sich darin einig, daß Personen befördert werden müßten, aber bei der jetzigen Finanzsituation der Stadt sei es besser, das Umsteigen in Kauf zu nehmen als gar nichts zu machen. Das hänge von der Taktung ab, wie lange man dort warten müsse. Im Preis-Leistungsverhältnis komme man an einem Bus nicht vorbei.
Herr Lütte (BOB) fragte Herrn Real, wo er denn seine Zahlen her habe. Er wohne an der Stadtgrenze; und auch dieses Jahr habe man die Umsteiger dort gezählt. Es gebe so gut wie keine Umsteiger zum Hauptbahnhof mehr. Wenn Herr Real ihm erzählen würde, das werde durch die Straßenbahn besser – wunderbar! Er bleibe dabei, daß er die Linie ablehne. Nicht nur wegen der enorm hohen Kosten, sondern auch deswegen, weil er immer wieder feststellen konnte, daß die Straßenbahn am Frintroper Berg – aus welchen Gründen auch immer – nicht fahren kann oder mit 20 Minuten Verspätung an der Endhaltestelle ankommt. Die Straßenbahn sei einfach unflexibel. Er habe mehrfach um eine Prüfung gebeten, ob man nicht an der Haltestelle Aktienstraße, wo die Linien 104 aus Mülheim und die 105 aus Essen enden, eine Bushaltestelle für einen Anschlußbus zu bauen. Das sei erstens flexibler, zweitens gebe es nicht diese enorm hohen Baukosten und drittens die Probleme [die Verkehrsproblematik] vereinfachen könne. Wenn die Straßenbahn jedes mal voll wäre, würde er dem Herrn Real folgen können. Aber wo und wann habe er denn das letzte Mal eine volle Straßenbahn gesehen? Er jedenfalls habe in den letzten sechs Monaten keine gesehen; auch nicht in der Hauptverkehrszeit.
Eine Zwischenbemerkung des Stadtkämmerers.
Zwischenbemerkungen gehen oft unter, enthalten aber manchmal wichtige Aspekte, die sonst keiner beachtet hätte. Stadtkämmerer Tsalastras erläuterte einen kaum beachteten Sachverhalt:
Die neue Linie werde die Betriebskosten der STOAG belasten. Dennoch habe man aus zwei Gründen darauf verzichtet, diese Betriebskosten in die langfristige HSK-Planung aufzunehmen.
Erstens befinde man sich gerade in der Grundsatzentscheidung und noch fehlten die notwendigen Planungsunterlagen, um die Höhe der Betriebskosten mit einiger Sicherheit angeben zu können. Auch fehlten die Grundlagen für eine Angabe der möglichen Erträge, die mit den Kosten gegengerechnet werden. Die genaue Dauerbelastung sei also noch nicht abschätzbar.
Zweitens könne man nur vermuten, wann diese Belastung auftrete. Das hänge vom Planungsprozeß ab. Wenn die Planung ausgereift ist und vorliegt, wenn ein Förderantrag gestellt werden könne, werde man das entsprechend konkretisieren und entsprechend in die Gesamtplanung für die nächsten Jahre aufnehmen. Das sei als Information für den Rat zu verstehen, warum diese Belastung in der langfristigen Planung nirgendwo auftaucht.
Herr Kempkes (AfD) fragte im Anschluß, ob angesichts der vielen Fragezeichen die Stadtverwaltung bereit wäre, ein alternatives Buskonzept auszuarbeiten, damit man eine Vergleichsmöglichkeit habe. Die Kostenkalkulation müßte jeweils den gleichen Planungsstand aufweisen wie die Straßenbahnlinie. Es wäre schön, zwei Konzepte auf dem Tisch liegen zu haben, um dann zu vergleichen und eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen.
Der Oberbürgermeister merkte an, daß man darüber gleich abstimme, da der AfD-Antrag ja genau diese Grundsatzentscheidung zum Inhalt habe.
Die Abstimmungen.
Der Rat lehnte gegen die Stimmen der AfD und des Stadtv. Lütte (BOB) den AfD-Änderungsantrag A/17/4509-01 ab.
Der Rat stimmte dem SPD-Änderungsantrag A/17/4474-01 gegen die Stimmen der AfD bei Enthaltung des Stadtv. Lütte (BOB) zu.
Der Rat beschloß gegen die Stimmen der AfD bei Enthaltung des Stadtv. Lütte (BOB) die durch den SPD-Änderungsantrag geänderte Verwaltungsvorlage B/17/4407-01.