In der Ratssitzung vom 18. März hatte die Verwaltung ein „Leitbild“ für die Bebauung des Geländes der ehemaligen Zeche Sterkrade vorgelegt. Wir dokumentieren die Debatte. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20240410b_Rat_20240318_5_Zeche_Sterkrade

Zur Verwaltungsvorlage.

Bebauen oder nicht bebauen? Das ist hier die Frage. So könnte man die Debatte über das von der Verwaltung vorgelegte „Leitbild“ (B/17/4559-01) charakterisieren. Laut Beschlußvorschlag sollte die Verwaltung auf der Grundlage des vorgelegten „Leitbildes“ das öffentliche Bürgerbeteiligungsverfahren einleiten. Die Grundlage bildete eine Planungsvereinbarung der Stadt mit der RAG Montan Immobilien GmbH und der AREAL Wohnentwicklung GmbH & Co.KG. Die Vorschläge aus der Bürgerbeteiligung sollten in ihren Auswirkungen auf das „Leitbild“ geprüft und im Rahmen eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes den Gremien (Ausschüsse, Rat) zur Beschlußfassung vorgelegt werden.

Der Oberbürgermeister gab zunächst bekannt, daß er und der Baudezernent Dr. Palotz unmittelbar vor der Sitzung eine große Liste von Unterschriften der örtlichen Bürgerinitiative entgegen genommen haben.

Der Stadtv. Axt (GRÜNE) eröffnete die Debatte. Er betonte die Tatsache, daß seit dem Abschluß der Sanierung 2004 das Zechengelände zu einem Lebensraum für verschiedene bedrohte Tierarten geworden sei. Daher sei die Bebauung abzulehnen. Das Leitbild beinhalte aber durchaus Teilplanungen, die auch ohne Bebauung sinnvoll seien. Darunter fallen die Renaturierung des Alsbaches und die Belassung des Fördergerüstes, welches vielleicht als Raststation für die Radfahrer, welche die HOAG-Trasse nutzten, genutzt werden könne.

Auch sei die Brücke in Richtung Volkspark sinnvoll. Allerdings müßte beiderseits der Bahnstrecke ein größerer Bereich als geplant als „Offenland“ behalten werden. Alle diese Maßnahmen fänden ihre Berechtigung im Klimawandel, da das Zechengelände einen Frischluftkorridor für die erhitzte Sterkrader Innenstadt bieten würde.

Frau Hansen (LINKE) wies einleitend darauf hin, daß Oberhausen zu den Städten gehöre, die den höchsten Grad an Flächenversiegelung aufwiesen. Hier solle eine weitere Naturfläche einer hochpreisigen Wohnbebauung weichen. Auch sie betont den ökologischen Wert des „Naturgrundstücks“, führt aber darüber hinaus den Aspekt der Naherholung auf: Viele Menschen, die in kleinen Wohnungen lebten und über keinen eigenen Garten verfügten, nutzten das Gelände als grünen Raum mit hoher Aufenthaltsqualität.

Danach stellte sie, ähnlich wie ihr Vorredner, die Wichtigkeit des Zechengeländes als Frischluftkorridor im Rahmen einer weitergehenden Stadtbegrünung, mit Parks und Grünflächen, heraus. Man müsse die zahlreichen Studien zu Konzepten, mit denen man dem Klimawandel begegnen könne, verinnerlichen und endlich auch praktisch umsetzen. Daher lehne die LINKE das „Leitbild“ ab.

Für die AfD-Fraktion sprach der Stadtv. Lange. Auch er führte den bereits hohen Grad der Versiegelung als Argument an, bedauerte aber, daß der Erhalt des Zechengeländes in seinem aktuellen Zustand leider nicht zu Debatte stehe. Seine Hauptkritik richtete sich gegen das Nebeneinander von Wohnraum und Gewerbe, denn letzteres verursachte Lärm für die Anwohner. Zuletzt weist er auf die fehlenden Parkflächen für den Individualverkehr hin. Alle diese Punkte zusammen veranlaßten seine Fraktion zur Ablehnung der Vorlage.

Hinweis: Zur Rede des Stadtverordneten Lange siehe Anlage.

Herr Osmann (CDU) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zur Vorlage an. Hauptargument sei der nachweislich hohe Bedarf sowohl an Wohnraum als auch an Gewerbeflächen. Zu den Kritikpunkten: Es handele sich um sog. schonendes Gewerbe (Büros, Dienstleistungen), weshalb Lärmprobleme nicht zu erwarten seien. Zur Frage der Wohnbebauung: Man spreche hier über ein „Leitbild“ unter Beteiligung der Bürger. Erst danach folge das B-Plan-Verfahren, in dem wiederum eine Bürgerbeteiligung vorgesehen sei.

Er sehe in der Brücke eine Stärkung der Sterkrader Wirtschaft im Innenstadtbereich. Die HOAG-Trassen-Planungen seien zu begrüßen. Ferner ließe das „Leitbild“ eine Beachtung ökologischer Gesichtspunkte nach den neuesten Anforderungen (Quartiersparkhaus, Mobilitätsstation) erkennen und auch der Grünflächenanteil sei erheblich. Über diesen könne zudem im B-Plan-Verfahren im Sinne einer Ausweitung oder Verringerung entschieden werden.

Herr Real (SPD) sah sich veranlaßt, den Rat daran zu erinnern, was „Beschlußvorlage“ ist und was „Verantwortung von Politik“.

Man beauftrage gerade die Verwaltung mit der Durchführung eines öffentlichen Beteiligungsverfahrens. Alles, was genannt worden sei, gehöre zu einem Beteiligungsverfahren; so z. B. die von Herrn Axt genannten Punkte. Dazu kämen sicherlich Familien, die sich vorstellen könnten, dort zu wohnen, weil ihnen die enge Bebauung oder die alten Wohnungen in Sterkrade nicht gefallen. Am Ende des Beteiligungsverfahrens, so stehe es im Beschlußvorschlag, gebe es eine städtebauliche Rahmenplanung bzw. ein Konzept, worüber der Rat zu entscheiden habe. An dieser Stelle komme die Verantwortung der Politik zum Tragen, nämlich alle positiven und negativen Punkte abzuwägen und eine fundierte Entscheidung für die Bürger der Stadt zu fällen. Genau dieser Verantwortung stelle man sich heute.

Herr Bruckhoff (BOB) erklärte, nach der Zeichnung sei eine sehr dichte Bebauung zu erwarten. Es gebe, wie Herr Axt gesagt habe, sinnvolle Ansätze, aber der Bebauung falle eine große Grünfläche zum Opfer. Es habe sich zwischenzeitlich eine Protestbewegung gegen die Bebauung gebildet. Eine Unterschriftenliste sei bereits übergeben worden. Das dürfe nicht unbeachtet bleiben. Solange die Akzeptanz der Bürger nicht gegeben sei, werde BOB dem Vorhaben nicht zustimmen. Der Rat der Stadt dürfe nicht etwas gegen den Willen der Bürger entscheiden. Bevor etwas geschehe, sei die Akzeptanz der Bürger anzustreben.

Herr Karacelik (LINKE) fühlte sich von Herrn Real angesprochen und erklärte langatmig, was er für „Verantwortung in der Politik“ hielt. Er legte dar, was die Politik in der Vergangenheit bereits entschieden habe in Bezug auf Stahlwerksgelände, Grabeland usw., ohne daß man eine Vision habe. Auch für Sterkrade fehle es an Visionen, obwohl es Flächen gebe, wie zum Beispiel Finke. Die Vision der LINKEN sei eine städtische Wohnungsbaugesellschaft. Man habe die Flächen für bezahlbaren Wohnraum. Aber die Ratsmehrheit folge nur den Interessen der Investoren. Die Pläne stünden im Prinzip bereits fest. Die LINKE werde die Proteste gegen die Bebauung unterstützen.

Herr Hoff (FDP) faßte sich auf eigenen Wunsch kurz und stimmte in allem Herrn Osmann zu. Man stimme über ein Leitbild ab, nicht über einen B-Plan. Er vertraue darauf, daß es im Planverfahren eine breite Bürgerbeteiligung gibt, wo dann über die Einzelheiten der Bebauung entschieden werde. Zu Herrn Karacelik: Die Bürgerbeteiligung stelle sicher, daß im Interesse der Bürger gehandelt werde, nicht im Sinne von irgendwelchen Investoren. Daher werde die FDP dem Leitbild zustimmen.

Der Rat beschloß die Vorlage gegen die Stimmen von GRÜNEN, AfD, LINKEN und BOB.



Anlage

Rede des Stadtverordneten Lange (AfD) zu TOP 14 „Leitbild der Stadt Oberhausen für die Entwicklung des Geländes der ehemaligen Zeche Sterkrade als Grundlage für einen öffentlichen Beteiligungsprozeß (Zukunft.Quartier.Sterkrade) (B/17/4559-01).“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!

Wieder einmal möchte man ein Stück freie Natur in ein versiegeltes Wohngebiet transformieren. Dabei sollte nach außen transparent kommuniziert und bedacht werden, daß Oberhausen schon heute eine dicht bebaute und damit versiegelte Stadt ist und nur München in dieser unrühmlichen Rangfolge noch vor uns steht.

Aufgrund dieser Bauwut muß klar erwähnt werden, daß das Gelände der Zeche Sterkrade aufgrund aufwendiger Sanierungen inzwischen zu einem ökologischen Wert gekommen ist und man daher dieses Gebiet im Kontext mit dem Volkspark in Sterkrade betrachten sollte.

Beide Gebiete werden nur durch eine Bahnlinie voneinander getrennt und wünschenswert wäre es daher, wenn man das Gelände der alten Zeche im natürlichen Ursprung belassen oder es in einen parkähnlichen Zustand verwandeln würde. Dies steht aber heute leider nicht zur Debatte.

Wie ich es schon in der Bezirksvertretung Sterkrade erläutert habe, sieht es meine Fraktion zudem sehr kritisch, wenn Wohnraum zusammen mit Gewerbe angesiedelt werden soll. Dies würde nur den Lkw-Verkehr in diesem Gebiet fördern und zu mehr Lärm für die Anwohner führen. Dasselbe Problem dürften die kommenden Anwohner auch durch das Gewerbe zu erwarten haben, wobei man heute noch nicht einmal genau sagen kann, welches Gewerbe sich überhaupt hier ansiedeln möchte. Aber eines ist gewiß: Lärm wird es garantiert irgendwie produzieren. Denn im Umkreis gibt es schon sehr viele Gewerbeflächen und damit auch Belastungen durch Emissionen und Lärm.

Darüber hinaus sieht die Planung visuell wie ein schönes Werbeprospekt aus, in dem man bewußt Parkplätze aus ideologischen Gründen für den Individualverkehr nicht mit einberechnet hat und daher stimmt die AfD-Ratsfraktion diesem Beschluß nicht zu.