Weitgehend unbeachtet von den Leitmedien fanden in Sachsen parallel zur Europawahl am 9. Juni auch Kommunalwahlen statt. Die Sitzverteilung in Stadt- und Kreisräten ist als Berichtsgegenstand wenig spektakulär. Dabei werden in den Kommunen die Grundlagen für die Verankerung und Etablierung der Parteien gelegt. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20240617b_Sachsen_2024_Kommunalwahl

Zur Gruppierung der Ergebnisse.

Die offiziellen Wahlergebnisse liegen leider nur in aggregierter, d.h. zusammengefaßter Form vor. So sind dort unter dem Begriff „Wählervereinigungen“ scheinbar all jene Gruppierungen vereinigt, die nur in einem Stadt- oder Landkreis angetreten sind. „Scheinbar“, weil der Begriff nirgends genauer umrissen wird. Deshalb ist auch nicht ersichtlich, ob und inwieweit eventuell Kleinparteien ebenfalls darunterfallen.

Wir bezeichnen Kleinparteien als diejenigen Parteien, welche eine wie auch immer geartete Organisationsstruktur von Bundes- bis hinunter zur Kommunalebene besitzen, sich aber nicht überall – mangels Masse – zur Wahl stellen.

Die offiziellen sächsischen Statistiken weisen für 2019 neben den etablierten Parteien CDU, AfD, LINKE, SPD, GRÜNE und FDP noch die Kleinparteien NPD, DSU, PIRATEN, Aufbruch deutscher Patrioten, III, Weg, Lausitzer Allianz (eine Vereinigung der Sorben) und Die Partei aus. Daneben gibt es noch die „Wählervereinigungen“, aber keine Rubrik „Übrige“.

Für 2024 kommt noch BSW zu den etablierten Parteien hinzu, da das „Bündnis“ trotz seines erst kurzen Bestehens recht erfolgreich den Aufbau bundesweiter Strukturen auf allen Ebenen vorantreibt (es trat 2024 in nur einem von 13 sächsischen Kreisen nicht an) und (je nach Sichtweise) als Nachfolgepartei oder Abspaltung der LINKEN zu gelten hat.

Als Kleinparteien sind 2019/2024 PIRATEN und Die Partei aufgeführt, während 2024 dieBasis, FREIE SACHSEN, Bündnis Deutschland und Volt erstmals aufgeführt sind. Die übrigen Gruppierungen tauchen als „Wählervereinigungen“ auf.

Für unsere Zwecke haben wir die Gruppierung aus Gründen der Übersichtlichkeit etwas verändert:

  • Für 2019 haben wir die Wählervereinigungen, Lausitzer Allianz, Piraten und Die Partei zu den „Übrigen“ zusammengefaßt.

  • Für 2024 haben wir unter „Übrige“ Wählervereinigungen, Volt, dieBasis, Piraten und Die Partei zusammengefaßt.

Das Problem ist, daß wir leider nicht sagen können, ob beispielsweise die Lausitzer Allianz sich 2024 ebenfalls zur Wahl gestellt hat und statistisch unter „Wählervereinigungen“ einbezogen worden ist oder ob umgekehrt Volt nicht schon 2019 in einigen Kreisen angetreten ist.

Es wäre zu mühsam gewesen, alle Ergebnisse bis hinunter auf Gemeindeebene manuell zusammenzutragen. Überdies sind teilweise die amtlichen Endergebnisse auf Kreisebene noch nicht (!) veröffentlicht.

Das Problem bei der Auswertung der Wahlergebnisse besteht also darin, daß durch den Charakter der amtlichen sächsischen Statistiken eine politische Einordnung der teilweise recht erfolgreichen regionalen Gruppierungen nicht möglich ist.

Um hier wenigstens etwas Abhilfe zu schaffen, haben wir als Notbehelf eine Gruppierung als „Rechtsparteien“ vorgenommen:

  • 2019 von NPD, DSU, Aufbruch deutscher Patrioten und III. Weg;

  • 2020 von Freie Sachen und Bündnis Deutschland.

Stimmenzahlen von der NPD-Nachfolgerin HEIMAT waren nicht zu ermitteln, obwohl diese in zwei Landkreisen (Zwickau und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) vereinzelt Kreistagsmandate erringen konnte. So ist auch hier eine exakte Gegenüberstellung von 2019 zu 2024 nicht bzw. nur unter Einschränkungen möglich.

Bei den Kleinparteien haben wir 1-Prozent-Ergebnisse oder weniger für Sachsen insgesamt, so daß andererseits diese statistischen Größen von nur geringem Gewicht sind.

Eine gewisse Ausnahme bilden die FREIEN SACHSEN, die in 10 von 13 Kreisen angetreten sind und landesweit 2,1 Prozent erzielten. Sie scheinen ein Sammelbecken für die 2019 einzeln ausgewiesenen rechten Kleinparteien (landesweit seinerzeit zusammen 1,1 Prozent) geworden zu sein. Demgegenüber hat es das Bündnis Deutschland nicht geschafft, flächendeckend und mit Erfolg anzutreten. Es stellte sich in zwei Kreisen zur Wahl und erzielte nur im Landkreis Meißen ein lediglich statistisch wahrnehmbares Ergebnis mit 0,4 Prozent.

Sachsen hat drei Stadtkreise (Chemnitz, Dresden, Leipzig) und zehn Landkreise mit insgesamt 3,257 Mio. Wahlberechtigten 2024 gegenüber 3,342 Mio. Wahlberechtigten 2019. Die Wahlbeteiligung stieg von 62,6 auf 67,9 Prozent.

Nachfolgend bringen wir die Einzelergebnisse der einzelnen Kreise (in Prozent) in der Reihenfolge der amtlichen Darstellung. In den Graphiken repräsentieren die hellen (oberen) Balken jeweils das Ergebnis von 2019 der betreffenden Partei.


Unter den kreisfreien Städten hat Chemnitz nun die geringste „urbane“ Ausprägung mit starken LINKEN und GRÜNEN. BSW holte hier – als regionale Besonderheit – ihr mit Abstand bestes Ergebnis.


Selbst in ihrer Hochburg konnten sich die GRÜNEN dem Negativtrend nicht entziehen. Bei CDU und AfD haben sich die relativen Stärkeverhältnisse umgekehrt. Eine unbekannte Größe: Die „Übrigen“.


Die linksgrüne Vorherrschaft in Leipzig ist, als große Ausnahme, nach wie vor ungebrochen, verteilt sich aber (wegen BSW) etwas anders. Auch hier (wie überall in Sachsen) verdeutlichen die starken relativen Verluste bei der FDP, daß die Bundes-FDP nicht die politischen Inhalte ihrer Wählerklientel vertritt.


In den Landkreisen spielen SPD, LINKE und GRÜNE überhaupt keine Rolle mehr, BSW im Landkreis-Vergleich relativ schwach. Mit 4,6% Hochburg der FREIEN SACHSEN.


Insgesamt gute Zuwächse für das Milieu von AfD/CDU mit einer Verschiebung der Stärkeverhältnisse zu Gunsten der AfD. Diese in allen Landkreisen zu beobachtende Tendenz wird dann bundespolitische Auswirkungen haben, wenn sich bei den kommenden Landtagswahlen sachsenweit das gleiche Bild ergibt.


Einem starken Start von BSW steht der Absturz der LINKEN gegenüber. Mit Ausnahme von Nordsachsen und Mittelsachsen in allen Landkreisen zu beobachten.


Hier wäre eine detaillierte Analyse der Wählerwanderungen interessant, um festzustellen, woher der enorme Zuwachs für die AfD herkommt. Auch in den Landkreisen Erzgebirge, Mittelsachsen, Vogtland und Nordsachsen zu beobachten.


Bautzen steht für die Landkreise mit vergleichsweise moderatem Zuwachs, weil die AfD dort bereits 2019 gute Ergebnisse holte.


Die regierende Ampelkoalition holte hier „rekordverdächtige“ 7,3 Prozent! Glückliches Görlitz!

Die AfD erzielte in fünf Landkreisen über 30 Prozent und hier ihr bestes Ergebnis überhaupt.


Mit geringen Abweichungen das gleiche Bild wie im Landkreis Görlitz.


Mit 3,9 Prozent holten hier die FREIEN SACHSEN ihr landesweit zweitbestes Ergebnis. Zugleich waren hier die stärksten CDU-Verluste zu verzeichnen.


Trotz CDU-Gewinnen gelang es auch hier der AfD, zur stärksten Partei aufzusteigen. Der stärkste Zuwachs für die AfD überhaupt und der einzige Landkreis, in dem BSW nicht antrat.


1,1 Millionen Wahlberechtigte in den drei kreisfreien Städten stellten ein Drittel der Wähler und sorgten dafür, daß die Zugewinne der AfD und die Verluste der LINKEN landesweit etwas moderater ausfielen als in den Landkreisen. Für die CDU ist das Ergebnis eine Niederlage, weil es ihr nicht gelang, von dem schlechten Abschneiden der Parteien der Ampelkoalition zu profitieren.