Auch in Sachsen-Anhalt fanden parallel zur Europawahl am 9. Juni Kommunalwahlen statt. In allen Stadt- und Kreisräten konnte die AfD erdrutschartige Siege verzeichnen. Auch ohne daß das BSW antrat, wurden LINKE und GRÜNE abgestraft. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20240619b_Sachsen-Anhalt_2024_Kommunalwahl

Zur Gruppierung der Ergebnisse.

Ein besonderes Kennzeichen für Sachsen-Anhalt ist die starke Zersplitterung der Parteienlandschaft. Neben den Etablierten (CDU, AfD, LINKE, SPD, GRÜNE, FDP) traten 2019 NPD, Tierschutzpartei, Tierschutzallianz, Die PARTEI, Gartenpartei, FBM (Freie Bürger Mitteldeutschland) und STATT-Partei an.

Von diesen Kleinparteien trat die STATT-Partei 2024 nicht mehr an, während dieBasis und Volt neu dazukamen. Von diesen erreichte FBM mit landesweit 0,58% im Jahre 2019 das beste Ergebnis. Daher schien es gerechtfertigt, diese in „Kleinparteien“ zusammenzufassen (nur die STATT-Partei haben wir für 2019 den Wählergemeinschaften zugeordnet).

2019 gab es sieben Wählergemeinschaften und zwei Einzelbewerber, 2024 gab es deren 46 bzw. 13, die wir zu „WG und EB“ zusammengefaßt haben. Alle Wählergemeinschaften besaßen einen ausgesprochen regionalen Zuschnitt.

Es wäre im Rahmen einer ausführlichen Analyse interessant zu untersuchen, warum gerade in Sachsen-Anhalt die Zahl der Wählergemeinschaften so außerordentlich groß ist. Stichproben in dieser Gruppe aus Sachsen und Thüringen zeigen mehrfach in der Selbstdarstellung dieser regionalen Zusammenschlüsse, daß sie für sich den Anspruch haben, eben keine Partei zu sein.

BSW trat in Sachsen-Anhalt nicht zu den Stadt- und Kreistagswahlen an, obwohl vereinzelte Äußerungen auf Vorarbeiten dazu hinwiesen. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, daß der Personalaufwand (und damit der Aufwand für die Beschaffung der Wahlunterlagen) erheblich ist, was für kleine oder im Aufbau befindliche Parteien erhebliche praktische Schwierigkeiten mit sich bringt.

Von den 1,880 Mio. Wählern gingen 2019 1,007 Mio. zur Wahl (Wahlbeteiligung 53,6%), 2024 waren es 1,808 bzw. 1,101 Mio., was eine Wahlbeteiligung von 60,9% bedeutet.

Gewählt wurde in drei kreisfreien Städten (Dessau-Roßlau, Halle/Saale, Magdeburg) und 11 Landkreisen. In Magdeburg und in den Landkreisen Börde, Burgenland, Harz und Wittenberg lag die CDU vorne, in den anderen Städten bzw. Kreisen die AfD.

In den Graphiken repräsentieren die hellen (oberen) Balken jeweils das Ergebnis von 2019.


Drei erfolgreiche ortsspezifische Wählergruppen sind ein Alleinstellungsmerkmal: Pro Dessau-Roßlau steigerte sich von 8,6% auf 12,6%, Forum – Bürger gab leicht nach (8,4% zu 7,1%), Freie Fraktion Dessau-Roßlau blieb gleich (je 4,9%). Auffallend starke Verluste für GRÜNE und LINKE.


Überall zu beobachten: Starke Verluste von GRÜNEN und LINKEN (jeweils bestes Ergebnis landesweit!), moderate (im Landesschnitt) bei der SPD. Rückgang von 45,3% auf 35,6% bei diesen drei Parteien.


Kleinparteien als Spezialität der Landeshauptstadt: Gartenpartei (4,6%) und Tierschutzpartei (4,5%). Zweitbestes Ergebnis für die SPD in Sachsen-Anhalt und größter Zugewinn an Stimmen für die CDU.


Die Landkreise zeigten die größten Zugewinne für die AfD. Aber selbst die 12,4% hier liegen nur leicht über dem Landesdurchschnitt an Zugewinnen. Die SPD erzielte hier ihren Spitzenwert.


Obwohl die Ampelkoalition hier nur 16% erzielte, schafften die Landkreise Burgenland, Mansfeld-Südharz, Stendal und Wittenberg noch nicht einmal das.


Einer der wenigen Landkreise, in welchem die CDU ihre Spitzenposition behaupten konnte. Die LINKE nahezu halbiert, was ziemlich genau dem Landesdurchschnitt entspricht.


13,95% für die Ampelkoalition sind das schlechteste Ergebnis landesweit. Ansonsten entsprechen die relativen Verluste und Gewinne dem Landesdurchschnitt.


Relativ stark: Die Freien Wähler holten nach den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg ihr drittbestes Ergebnis.


Angesichts der Verdoppelung des AfD-Ergebnisses (stärkster relativer Zuwachs) fragt man sich, wie denn im einzelnen die Wählerwanderungen ausgesehen haben. In absoluten Zahlen wies nur der Landkreis Stendal einen höheren Zugewinn auf (15,3%).


Von dem Ergebnis der GRÜNEN kann man hier nur träumen!


Die CDU holte hier ihr bestes Ergebnis in Sachsen-Anhalt, mußte sich aber dennoch mit dem zweiten Platz begnügen.


Das beste Ergebnis für die FDP in Sachsen-Anhalt. Relativ starke Verluste für die SPD und noch soeben zweistellig.


Die Zahlen machen hier eine starke Wählerwanderung von den LINKEN zur AfD plausibel. Nachzuprüfen wäre, ob sich mit statistischen Methoden der Nachweis führen ließe, daß die AfD vom Nichtantreten des BSW (15,0% in Sachsen-Anhalt bei der Europawahl) profitiert hat.


Auch dieser Landkreis liegt bei den relativen Gewinnen und Verlusten für die etablierten Parteien ziemlich genau im Landesschnitt.


Auch die CDU blieb ziemlich konstant mit 24,6% bzw. jetzt 26,8%, während die GRÜNEN mit 8,4% gegen 4,5% und die LINKEN mit 15,1% gegen 8,3% die größten Verluste hinnehmen mußten.

Interessant sind die nur moderaten Verluste der SPD, die sich etwas vom Bundestrend abkoppeln konnte und damit die Tendenz der Kommunalwahlen in Thüringen und Sachsen bestätigte. Bekanntlich hat die SPD in der sog. Sonntagsfrage schon seit längerer Zeit stabil ein Drittel ihrer Wähler der Bundestagswahl 2021 verloren.

Relativ stabil der Anteil der Kleinparteien (ohne Freie Wähler), Wählergemeinschaften und Einzelbewerber. Bei diesen ca. 15 Prozent dürfte die Entscheidung liegen, ob die CDU oder die AfD bei Landtags- oder Bundestagswahlen die stärkste Partei wird. Wir sehen darin ein Anzeichen der Entfremdung von den etablierten Parteien, da die Wählergemeinschaften oft ausdrücklich betonen, keine Partei zu sein bzw. „überparteilich“.

Die erheblichen Verschiebungen zu Gunsten der AfD, die ihr landesweites Ergebnis von 2019 (16,4%) auf sage und schreibe 28,1% steigern konnte, fanden innerhalb der etablierten Parteien statt.