Ein Vergleich der Kommunalwahlergebnisse in Thüringen mit denen von 2019 zeigt durchgehend starke Ergebnisse für die AfD. Wie wirkte sich das Antreten von BSW aus? Wir bringen die Ergebnisse der Wahlen für Stadträte und Kreisräte. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20240604b_Thueringen_Kommunal_Ergebnisse
Zur Gruppierung der Ergebnisse.
Von den bundesweit etablierten Parteien traten die GRÜNEN im Landkreis Hildburghausen nicht an.
Die FDP ging im Landkreis Sömmerda als FDP/FB eine Listenverbindung ein, die SPD in Saalfeld-Rudolstadt als SPD/Offene Liste und im Saale-Holzland-Kreis als UM UNS/SPD. In allen Fällen erfolgte eine Einbeziehung in die Gesamtergebnisse von FDP und SPD.
Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt traten zwei AfD-Listen (als AfD bzw. Alternative für den Landkreis) an. Auch hier wurden die Stimmen der „Landkreis-AfD“ zu den AfD-Stimmen gezählt.
BSW stellte insoweit eine Besonderheit dar, als die Partei wegen der kurzen Zeit ihres Bestehens nur in vier Kreisen zur Wahl antrat, dort allerdings zum Teil zweistellige Ergebnisse erreichte. Das reicht für einige interessante Feststellungen aus.
Von den Kleinparteien wurden nur NPD/Heimat und Piraten gesondert aufgeführt, weil sie mindestens zeitweise eine überregionale politische Bedeutung besessen haben. Letztere traten 2024 nur in Listenverbindungen mit anderen Kleinparteien an; z. B. in Weimar mit der Partei der Humanisten.
Ebenfalls gesondert aufgeführt wurden die Freien Wähler. Darunter fielen zunächst alle, die als „Freie“ oder „FREIE“ antraten bzw. als „Freie Wähler“ mit einer Ortsbezeichnung. Eine Überprüfung machte eine teilweise Umgruppierung erforderlich. So verstehen sich die „Freien Wähler“ im Weimarer Land und im Landkreis Eichsfeld ausdrücklich als parteipolitisch ungebunden und sind daher unter „Übrige“ zugeordnet.
Eine Einzelüberprüfung für 2019 wurde nicht vorgenommen, so daß ein Vergleich beider Wahlergebnisse nur mit einem Vorbehalt möglich ist.
Daneben trat eine Vielzahl örtlicher Bündnisse an, die unter „Übrige“ zusammengefaßt wurden. Sie machen landesweit immerhin über 11 Prozent aus und kommen in einigen Stadt- bzw. Landkreisen auf 20 Prozent. Der Versuch einer politischen Einordnung der bedeutenderen unter ihnen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Die Reihenfolge der Ergebnisse erfolgt nach der Numerierung, die das Landeswahlamt vorgenommen hat.
Die seit 1998 kreisfreie Stadt Eisenach wählte nach der freiwilligen Rückkehr in den Wartburgkreis zum 1. 1. 2022 wieder als Bestandteil des Kreises. Die Ergebnisse in Eisenach von 2019 werden aus Gründen der Vergleichbarkeit zu denen des Wartburgkreises addiert und nicht separat ausgewiesen.
In den Graphiken repräsentieren die hellen (oberen) Balken jeweils das Ergebnis von 2019.
Mehrwertstadt unter den „Übrigen“ zog 2019 erstmals mit 7,1 Prozent in den Stadtrat ein erreichte jetzt 10,1 Prozent.
Vier örtliche Listen und Kleinstparteien stellten sich 2024 zur Wahl, von denen Bündnis Gera mit 15,9% erstmals unter diesem Namen antrat und sogleich drittstärkste Kraft wurde.
Der einzige Ort Thüringens, an dem sich Volt zur Wahl stellte, mit 5,2 Prozent relativ gut abschnitt und hinter Bürger für Jena (6,9%) einlief.
Hier konnte die AfD ihr Ergebnis relativ am stärksten steigern; vor dem Landkreis Nordhausen mit seinem ebenfalls sehr guten Abschneiden.
Nach Gera die Stadt mit dem größten Anteil der „Übrigen“. Am erfolgreichsten ist „weimarwerk“ mit 17,6%, laut Eigendarstellung „eigenständig, unabhängig und ohne Parteizwang“ im Eintreten für Weimar. Interessant: CDU und AfD holten hier ihr dritt- bzw. zweitschlechtestes Ergebnis in Thüringen.
Die „Freien Wähler“ unter den „Übrigen“ fühlen sich keiner Partei zugehörig und sind nur dem Landkreis verpflichtet (12,9%).
In acht Landkreisen und in Gera erzielte die AfD über 30 Prozent; Nordhausen war einer davon. Nach Jena (9 Prozent) holte die FDP landesweit hier ihr zweitbestes Ergebnis.
In allen vier Kreisen mit BSW-Beteiligung ein typisches Bild: Die LINKE leidet besonders stark unter der neuen Partei.
Der einzige Landkreis mit einem relativ deutlichen Zugewinn für die SPD. Viertstärkste Kraft mit 17,5% der Stimmen FWG-UH, die Freien Wähler des Landkreises.
Hier scheint es eine deutliche Wählerbewegung von den LINKEN zur AfD gegeben zu haben.
Eine ähnliche Entwicklung wie im Kyffhäuserkreis.
Das Thüringer Spitzenergebnis von BSW korrespondiert mit dem zweitschlechtesten Ergebnis der LINKEN. Ein identischer Vorgang mit der gleichen Intensität ist im Landkreis Greiz zu beobachten.
Für die Ampel-Koalition Verhältnisse wie im Landkreis Eichsfeld; siehe oben. Hier ist die AfD allerdings relativ, auf Kosten der CDU, stärker.
Von den Medien als „bundesweit bekannter Neonazi“ skandalisiert: BZH-Spitzenkandidat Frenck schaffte es in die Stichwahl für den Posten des Landrats. Das nur hier antretende „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ erreichte 11,9%. Eine weitere Besonderheit ist das beste Ergebnis der Freien Wähler.
Die Freie Wählergemeinschaft Ilm (FWG) ist nach eigenem Selbstverständnis keine Partei, aber im Landesverband Thüringen der Freien Wähler organisiert.
Die Freien Wähler Weimarer Land definieren sich so: „Die Freien Wähler sind keine Partei und doch eine politische Kraft.“ Als solche sind sie in Sachfragen grundsätzlich mit allen zur Zusammenarbeit bereit. Daher sind die erzielten 8,8% in den „Übrigen“ enthalten.
Der einzige Landkreis, in welchem BSW antrat und die AfD trotzdem über 30 Prozent holte. Unter den „Übrigen“ die „Freie Wählergemeinschaft“ mit 5,2% als rein regionaler Verband.
Recht erfolgreich „Bürger für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt“ (BfL) mit 14,0%. Die AfD trat mit zwei Listen (AfD 18,6% und Alternative für den Landkreis 13,7% mit zusammen 15 Sitzen) an. Hintergrund war eine Aufstellungsversammlung der AfD, auf der nur 15 Listenkandidaten gewählt worden waren, was nachträglich nicht mehr geändert werden konnte.
Die nur hier angetretenen „Bürgerinitiative Holzland“ und „Bauernverband“ holten jeweils 11,6% der Stimmen.
Hier trat die SPD mit einer neuen Wählergemeinschaft „UM UNS“ gemeinsam an, konnte aber dennoch den Abwärtstrend nicht stoppen.
Ein weiterer Landkreis mit schlechten Ergebnissen für die Ampel-Koalition und einem Absturz der LINKEN. Unter den „Übrigen“ am erfolgreichsten: IWA Pro Region mit 7,1%.
Mit „DIE REGION“ (6,6%) und „STARKE HEIMAT“ (8,7%) holten zwei nur hier antretende Listen gute Ergebnisse. „ DIE REGION“ versteht sich als überparteilich bzw. ungebunden, während „STARKE HEIMAT“ und AfD im Kreistag bis Juli 2020 eine gemeinsame Fraktion bildeten.
Das Gesamtergebnis der Wahlen 2024:
• Die AfD ist der Wahlsieger mit einem Zuwachs auf das 1,5fache des Ergebnisses von 2019.
• Die LINKE droht nun auch in Thüringen der Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Ihre Verluste waren dort besonders stark, wo BSW zur Wahl antrat.
• Die CDU hat ihre starke Stellung behaupten können; aber mehr auch nicht.
• Die Ampel-Koalition fällt von 25,8% auf 19,2%; ein Rückgang um ein Viertel.
• Die regionalen Parteiungen haben ihre starke Stellung landesweit behaupten und leicht ausbauen können.