Wir setzen unseren Bericht über die Sitzung des Integrationsrates vom 8. 4. 2025 fort und beleuchten eine sehr kurze, aber interessante Debatte. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20250416b_Integrationsrat_2_20250408
Neue Privilegien für den Integrationsrat.
In unserem Bericht vom 23. 2. 2025 über die Sitzung des Integrationsrates vom 18. 2. 2025 hatten wir eine eher beiläufige Anmerkung des Geschäftsführers Telli erwähnt: Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Landesverbandes der Integrationsräte, des Heimat- und des Integrationsministeriums verhandelte über die Ausgestaltung der Integrationsräte, über Geschäftsstellen und die Bildung von bzw. Beteiligung an Ausschüssen. Der Beigeordnete Motschull werde in der April-Sitzung über den Sachstand in dieser Angelegenheit zu berichten.
In dieser Sitzung – vom 8. April – fehlte der Beigeordnete; daher stellte der Geschäftsführer für die Juli-Sitzung einen Bericht in Aussicht. Es hätten fast 120 Integrationsräte in NRW „dem Ministerium“ eine gemeinsame Erklärung übermittelt, die nach Bearbeitung dem NRW-Städtetag am 1./2. 4. 2025 zur Stellungnahme zugeschickt worden sei. Aus dessen weiteren Erläuterungen ging zweierlei hervor:
- Die Umbenennung der Integrationsräte in „Ausschuß für Chancengerechtigkeit und Integration“ stellt eine formale Aufwertung dar, da der Begriff „Ausschuß“ ein Gremium bezeichnet, welches in die Beratungsfolge des Rates eingebunden ist und dessen Besetzung indirekt an den Begriff des (deutschen) Staatsvolkes anknüpft.
- Freiwillig gewährte Privilegien in Städten wie Oberhausen sollen auf der Grundlage des § 27 der Gemeindeordnung NRW in allgemeinverbindliche Standards umgesetzt und präzisiert werden.
Die Privilegien sind von Geschäftsführer Telli selbst insofern allgemein umschrieben worden, als daß diese Angelegenheiten Oberhausen selbst nicht so sehr beträfen, da man hier „schon sehr weit“ sei, was beispielsweise die Ausstattung angehe.
Neue Privilegien, neue Bedarfe – für wen?
Um neue Privilegien durchsetzen zu können, muß man neue Bedarfe erzeugen. Das Zauberwort der biodeutschen Nutznießer einer Ausweitung der Asylindustrie heißt „nachholende Integration“. Jenseits der Bedürfnisse des ersten Arbeitsmarktes müssen überall neue Stellen für die biodeutschen Absolventen nutzloser Studiengänge geschaffen werden.
Quasi als Abfallprodukt darf eine kleine Clique von Migranten mit dem „richtigen“ Parteibuch in der Tasche im Windschatten der „nachholenden Integration“ neue Privilegien für sich reklamieren. Die Bemerkung des Geschäftsführers Telli, wonach es in der dritten oder vierten Generation noch Probleme gebe und daher ein Bedarf an nachholender Integrationsarbeit bestehe, stieß eine interessante Debatte an.
Zunächst kann jeder für sich selbst einmal seinen nachholenden Integrationsbedarf feststellen; nämlich indem er in die Familiengeschichte zurückblickt, um festzustellen, wo die Großeltern oder gar Urgroßeltern (dritte bzw. vierte Generation) beheimatet waren. Wir nehmen den Geschäftsführer einmal beim Wort.
Es sind diese Figuren aus der Asylindustrie und der türkischen Parallelwelt Deutschlands, die offenbar überhaupt nicht merken, wie grotesk ein Ansatz ist, der, auf alle Einwohner Deutschlands unterschiedslos angewendet, bis in die 1880er Jahre zurückreichende potentielle Integrationsdefizite behauptet.
Integraler Bestandteil der um sich selbst kreisenden Debatten ist der „Vielfalt“-Begriff, bekannt durch die Kampagne „Vielfalt ist meine Heimat“. Es ist für den Geschäftsführer Telli als maßgeblicher Akteur offenbar kein Widerspruch, daß er zur Kommunalwahl 2020 auf Listenplatz 1 von „Team Oberhausen“ für die Wahlen zum Integrationsrat antrat. Unter 21 Kandidaten gab es nur einen Nichttürken, was ein bezeichnendes Licht auf den Begriff der „Vielfalt“ des Herrn Telli wirft.
Es gab unter den übrigen 20 Kandidaten welche, die in Deutschland geboren worden sind und nur die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Es ist natürlich jedem selbst überlassen, wie er seine Staatsbürgerschafts-Angelegenheiten regelt. Wer aber als Bestandteil eines politischen Gremiums ständig neue Ansprüche an Integrationsleistungen stellt, muß sich dann die Frage nach seinem eigenen Willen zur Integration gefallen lassen.
Herr Saadettin Tüzün, Ratsherr und Vorsitzender des CDU-Landesfachausschusses Vielfalt und Integration, hat in der WAZ-Ausgabe vom 29. März eindrucksvoll die Grenzen seines „Vielfalt“-Verständnisses wie folgt erläutert:
„Wer zum Beispiel in Osterfeld wohnt, wie es auch sozial starke Deutsch-Türken tun, will auch nicht, daß so viele sozial schwache Neu-Zuwanderer in den Stadtteil kommen.“
Bedenkenlos formulierte Herr Tüzün einen Überlegenheitsanspruch, der in seiner ganzen Arroganz gegenüber Nichttürken (also Deutschen eingeschlossen) mit einem jedermann verständlichen Vergleich daherkommt:
„Die Türken haben das Gefühl, daß sie in der Champions League der Migranten angekommen sind. Und dann kommen diese Kreisliga-Einwanderer wie Bulgaren und später Syrer…“
Wir würden gerne das Zitat weiterführen, verkneifen es uns aber wegen einer möglichen Kollision mit dem Urheberrecht. Jedenfalls möchten „die Türken“ (nach Tüzün) nicht mit jenen, trotz oder gerade wegen ähnlicher äußerer Erscheinung, in einen Topf geworfen werden.
Herr Tüzün tritt im Integrationsrat als Sprecher der CDU auf, ist aber in seinem subtilen Überlegenheitsgefühl gewissermaßen überparteilich mit einigen türkischen Vertretern beiderlei Geschlechts aufs Innigste verbunden.
Zur Legitimation des Integrationsrates.
In der Sitzung wollte Herr Aksünger, daß der Integrationsrat aus seinen Mitteln Werbung für die Wahlen bestreitet. Es sei viel zu wenig bekannt, daß zeitgleich mit den Kommunalwahlen auch der Integrationsrat gewählt werde.
Geschäftsführer Telli erklärte, die Mittel des Integrationsrates seien für die Förderung kultureller Zwecke da, nicht für Informationskampagnen. In der Tat sei die Wahlbeteiligung sehr niedrig. Man höre in diesem Zusammenhang oft über den Integrationsrat: „Ihr könnt ja doch nichts entscheiden“. Das diene als Begründung, nicht zur Wahl zu gehen. Seiner Meinung nach sollte man allen Menschen, die hier mindestens einige Jahre leben, das kommunale Wahlrecht gewähren. Dann brauche man eine Paralleleinrichtung in Form eines Integrationsrates nicht.
Er schloß seine Ausführungen mit einer direkten Ansprache an die Anwesenden, die ja doch ausgezeichnete Arbeit leisteten. Man dürfe sich hingegen auf das Argument „geringe Wahlbeteiligung“ nicht einlassen; das sei eine „gefährliche Diskussion“.
Die Vorsitzende Erdas erklärte Herrn Aksünger, daß die Wahlbeteiligung in all den Jahren sehr gering gewesen sei und damit nicht das Resultat eines Versäumnisses darstelle. Dann appellierte sie an die Teilnehmer, in ihrem Bekanntenkreis und darüber hinaus für die Teilnahme an den Wahlen zu werben. Gemeinsam habe man viel erreicht; und ohne Integrationsrat hätte man viel weniger. Es liege an jedem selbst, sich wieder zur Wahl zu stellen und mit dem Wahlkampf zu beginnen.
Wozu ein Integrationsrat?
Sahra Wagenknecht hat 2021 in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ für – so der Untertitel – Gemeinsinn und Zusammenhalt geworben. Unter verschiedensten Blickwinkeln nimmt sie Stellung zu den Folgen der anhaltenden Masseneinwanderung nach Europa und besonders Deutschland. In einem Kapitel stellt sie die Frage, wer bei der Zuwanderung gewinnt und wer verliert. Ein Unterkapitel beschäftigt sich mit der zunehmenden Desintegration von durch Zuwanderung geprägten Stadtteilen (S. 164 – 169). Parallelgesellschaften entstehen als Folgen gescheiterter Integration und zerbrechender Solidarität (S. 116 – 123).
In diesem Zusammenhang verweist sie auf das Beispiel der Stadt Birmingham, die Mitte der 1980er Jahre eine besondere politische Interessenvertretung für bestimmte ethnische Minderheiten einrichtete; ein Integrationsrat sozusagen (S. 116 – 117). Durch die Verteilung von politischer Macht und finanziellen Mitteln nach Abstammung habe sich nach und nach eine Kultur der gegenseitigen Abschottung herausgebildet.
Nach fünf Jahren als zum Teil stiller Beobachter im Integrationsrat können wir feststellen, daß eine winzige Minderheit aus ganz persönlichen Interessen ein Feindbild „Mehrheitsgesellschaft“ konstruiert, um dann mit Rassismus-Vorwürfen, „ethnischer Ökonomie“ und „Vielfalt“-Ködern die selbsternannten Demokraten der so konstruierten Mehrheitsgesellschaft zu materiellen Zugeständnissen zu treiben.
Das Staatsbürgerschafts-Taschenbuch von Model und Creifeld (hier: 16. Auflage 1977) unterscheidet bei der Definition von Staatsformen jeweils verschiedene Kriterien. So wird nach der Form des Staatsoberhauptes zwischen Monarchie und Republik unterschieden, nach der Staatsform etwa zwischen Bundesstaat und Einheitsstaat und nach dem Träger der Staatsgewalt zwischen Alleinherrschaft, Mehrherrschaft und Volksherrschaft. Zur letzteren heißt es (S. 10):
„Bei der Demokratie (Volksherrschaft) steht die Staatsgewalt der Gesamtheit der Staatsbürger zu. Das Volk ist der Quell aller staatlichen Macht; es herrscht Volkssouveränität. Es gilt Gleichheit vor dem Gesetz und hinsichtlich der staatsbürgerlichen Rechte.“
Wir haben ganz bewußt durch diese ältere Quelle den Begriff der Demokratie erläutern lassen, da hier zwei Gesichtspunkte eine Rolle spielen, die uns verloren gegangen zu sein scheinen:
Das ist einmal die konkrete Erfahrung totalitärer (NS-) Herrschaft, die sich durch eine absolute moralische Bindungslosigkeit im negativen Sinne auszeichnete und folglich den Wert eines jeden Menschen nicht anerkannte. Nicht zufällig stellt das Grundgesetz ganz zu Beginn fest: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Der zweite Aspekt ist die positive Bezugnahme auf das Volk bzw. Staatsvolk, womit nach Lage der Dinge nur das deutsche gemeint sein kann; und dieses Volk ist der Quell aller staatlichen Macht, Träger der Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie.
Die am 8. April im Integrationsrat erwähnten Diskussionen zwischen Integrationsräten und Ministerialverwaltung über die Frage, ob ein Integrationsrat auch „Ausschuß“ genannt werden darf, ist also keine bloße Formfrage, sondern hinter der angestrebten Umbenennung steht ein fundamental anderes Staatsverständnis.
Geschäftsführer Telli stellte, wie bereits gesehen, lapidar fest, seiner Meinung nach sollte man allen Menschen, die hier mindestens einige Jahre leben, das kommunale Wahlrecht gewähren. Dann brauche man eine Paralleleinrichtung in Form eines Integrationsrates nicht.
Diese Forderung stellt eine Abkehr von dem Grundsatz dar, daß allein die Gesamtheit der Staatsbürger Träger der Staatsgewalt sein kann; jedenfalls nach dem Selbstverständnis der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland.
Wenn wir oben gesagt haben, daß nur das deutsche mit dem „Staatsvolk“ gemeint sein kann, ergibt sich hieraus kein Widerspruch. Denn „deutsch“ als ethnische Kategorie und „deutsch“ als juristische Kategorie (eben der Staatsbürgerschaft) sind zwei verschiedene Dinge. Nur war man als Resultat der unmittelbaren Nachkriegszeit, als in ganz Europa die deutschen Minderheiten in das verstümmelte Restdeutschland vertrieben wurden, daran gewöhnt, daß regelmäßig beide Kategorien von „deutsch“ in einer Person zusammenfielen. Heute löst sich diese Einheit mehr und mehr auf.
Die Bestätigung, daß der Integrationsrat nicht einer wie auch immer gearteten Integration dient, sondern nur als Vehikel partikularer Sonderinteressen, drückt sich untrüglich und unwiderlegbar in der geringen Wahlbeteiligung aus:
2020 gingen von 36504 Wahlberechtigten nur 3001 Personen zur Wahl; mithin 8,2%. Zum Vergleich: 2014 hatten von 28578 Wahlberechtigten 3124 Personen bzw. 10,9% gewählt. Diese Zahlen sind mitnichten bloße statistische Größen. Wann immer öffentlich über Phänomene der Wahlbeteiligung gestritten wird, ist die Bedeutung der damit zum Ausdruck gelangenden Legitimität von Herrschaft ein wesentliches Motiv der Debatte.
Wenn Geschäftsführer Telli feststellt, man dürfe sich hingegen auf das Argument „geringe Wahlbeteiligung“ nicht einlassen, denn das sei eine „gefährliche Diskussion“, hat er im Grunde genommen vollkommen recht. Denn die niedrige Wahlbeteiligung ist allein gefährlich für seine Sonderinteressen; und der verschiedentlich von der Vorsitzenden Erdas öffentlich vertretene Anspruch, für „alle Migrantinnen und Migranten“ zu sprechen, entlarvt sich als Selbstbetrug.
Übrigens: In fünf Jahren stellte der Integrationsrat einen einzigen Antrag…