In der Sitzung des Kulturausschusses am 5. 6. 2025 hielt die VHS-Leiterin Frau Dr. Reisz einen interessanten Vortrag über den Stellenwert von Künstlicher Intelligenz im VHS-Bildungsprogramm. Wir versuchen eine Zusammenfassung. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20250621b_Reisz_VHS_und_KI
Vorbemerkung.
Anlaß des Vortrages war der Verwaltungsbericht M/17/6698 „Wachsen mit der Volkshochschule – Verständnis, Austausch, Achtsamkeit, Perspektiven, Chancen und Kreativität wachsen mit dem neuen Jahresprogramm 2025/26“. Ergänzend dazu behandelte Frau Dr. Reisz das Thema „KI und gesellschaftliche Entwicklung“ mit Bezug zum Auftrag der VHS, Bildung für alle als kommunale Daseinsvorsorge sicherzustellen.
Das Thema Künstliche Intelligenz biete sich deshalb an, weil KI in einer rasanten Entwicklung befindlich sei mit enormen Auswirkungen – technisch, sozial, ökonomisch, politisch. Und KI trage mehrdimensionale Fragen an die VHS in bezug auf die künftige Arbeitsgestaltung heran.
Neue Ansätze.
Nach Frau Dr. Reisz bestand der „klassische Weg“ der VHS-Arbeit aus Fachwissen, Nutzen recherchieren, Lehrkräfte finden, Werben und Durchführung der Veranstaltung. Demgegenüber steigt die Bedeutung des Zusammenwirkens von multiprofessionellen Teams, Lehrkräften und Netzwerk-Kontakten. Damit einher geht die Erschließung weiterer Aufgabenfelder; so politische Bildung, Kultur und anderes mehr.
Die Experimentalphase setzte vor zwei, drei Jahren ein; dazu gehörte ein Informationsstand der VHS auf der Seniorenkonferenz 2023 und später im Jahr die Live-Anwendung von KI auf der Senioren-Messe im Bero-Center. Die Gespräche seien von einem außerordentlichen Interesse der Besucher an der Materie geprägt gewesen. Beim Ausprobieren der KI sei man vom Alltagsleben ausgegangen; man habe nach Hobbys gefragt oder besonderen Problemen; das Resultat war z. B. eine Checkliste für die Silberhochzeitsfeier. Die gewonnenen Erfahrungen wurden ausgewertet und für künftige Formate aufbereitet.
KI an der VHS – wofür?
Ein Resultat war die Überlegung, eine Art von Grundbildung zu KI anzubieten, damit die Menschen nicht nur die rein technische Anwendung – schematisch – beherrschen. Vielmehr gehe es auch darum, an der gesellschaftlichen Debatte über KI aktiv teilzunehmen. In Kooperation mit dem Heinrich-Heine-Gymnasium habe man mit der Überschrift „Erst mal den Kopf über Wasser halten“ das KI-Seepferdchen geschaffen. An verschiedenen Stationen im Erdgeschoß des Bert-Brecht-Hauses habe man ein bewußt offen gehaltenes Angebot – Laufkundschaft gewissermaßen – aufbereitet, um über einen fast spielerischen Umgang an KI heranzuführen.
Dabei ergeben sich Unterschiede insofern, als ältere Menschen durch die KI-Nutzung bessere Ergebnisse erzielen und zugleich diese kritischer hinterfragen. Dabei spielen die Lebenserfahrung und eine grundsätzlich vorsichtige Haltung eine Rolle. Jüngere neigen zu einem intuitiven Ausprobieren, sind schneller und unbefangener, tun sich aber schwerer mit der Einordnung ihrer Ergebnisse. Diese Vergleiche sind das Resultat eines offenen Veranstaltungsformats, welches eine Verbindung zwischen verschiedenen Zielgruppen bzw. zwischen den Generationen herstellt. Ziel sei es, so Dr. Reisz, voneinander und übereinander zu lernen.
Dieser Veranstaltung im Bert-Brecht-Haus folgten neun weitere mit verschiedenen Zuschnitten und Themen bei unterschiedlichen Zielgruppen – u.a. Gleichstellungsstelle, Gewerkschaften, Ehrenamt, „migrantische Unternehmerinnen“ usw. Bei der zuletzt genannten Veranstaltung – mit Unternehmerinnen in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung und dem Integrationsrat – seien sieben oder acht verschiedenen KI‘s mit spezifischen Zuschnitten (juristische Texte, Berufsgenossenschaft intensiv besprochen worden.
Mit dem Thema „kreatives Schreiben“ wiederum werden andere Zielgruppen angesprochen; ein Unterthema stellt die Texterfassung in leichter Sprache dar, wo es einen echten Bedarf gebe und die technische Entwicklung rasant verlaufe. Aus diesen Gründen sei das VHS-Programmangebot speziell zu KI ausgeweitet worden. Hier wird man flexibel auf die sich abzeichnenden Bedarfe reagieren.
Ein Nebenprodukt dieser Veranstaltungen sind Kontakte und die Weiterempfehlungen von Veranstaltungsteilnehmern. Durch die Resonanz und Kooperationen in den Netzwerken, über die die VHS verfügt, finde man auch Partner, Lehrkräfte und andere Veranstaltungsorte für unsere Angebote. Jüngstes Beispiel ist das Angebot an der Hochschule Ruhr West in Mülheim, im Rahmen einer Einführungswoche mit Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren grundlegende Elemente der Programmierung mit Hilfe von KI zu erarbeiten.
Die Bandbreite der Themen.
Die Einbindung von KI findet nach Dr. Reisz auch in anderen Themengebieten statt; so in der politischen Bildung, bei Umweltthemen, Klimaschutz usw. Die auf diese Themen jeweils spezialisierten Netzwerke bearbeiten jeweils fachspezifische Inhalte und didaktische bzw. pädagogische Aspekte.
Allgemein gesagt, gehe es darum, Menschen mit ihren Potentialen zu fördern, was immer nur im Zusammenspiel von Fachwissen und pädagogischer Aufbereitung gelingen könne. Die VHS Oberhausen sei, wie vergleichbare Einrichtungen auch, bundesweit in Fachnetzwerken verankert Neben dem Thema KI gehöre dazu die Weiterbildungslandschaft, die Bildungswissenschaft, die Politikwissenschaft usw.
Bemerkenswert dabei sei, daß die hauptamtlichen Lehrkräfte ausdrücklich der VHS Oberhausen landesweit und bundesweit nachgefragt würden. Die hiesige VHS wirke mithin als Impulsgeber, Wissenschaftspartner und Mentor der Fortbildung. Frau Dr. Reisz untermauert diese allgemeinen Darlegungen mit einigen konkreten Beispielen zu überörtlichen Fachveranstaltungen mit Oberhausener Beteiligung.
Speziell das KI-Seepferdchen befinde sich in der zweiten Ausscheidungsrunde für den Bundespreis in der Erwachsenenbildung. Gerade niedrigschwellige Angebote bräuchten eine fachlich und pädagogisch sehr anspruchsvolle Vorbereitung. Völlig zu Recht stellt sie fest, die didaktische Reduktion sei die Königsklasse. Oder anders ausgedrückt: Nichts ist so schwierig wie die angemessene Zusammenfassung komplexer Inhalte.
Neben den fachlichen Verbindungen und den thematischen Netzwerken trete der direkte Kontakt mit Veranstaltungsteilnehmern, um Rückmeldungen zu erhalten oder auch Wünsche. Gerade dort, wo das Publikum schon an sich interessiert sei, wie seinerzeit bei der Senioren-Messe im Centro, ergäben sich spannende Gespräche, die sich unter Umständen zu regelrechten Beratungen ausweiteten.
Verantwortung und Haltung.
Unter diesen Oberbegriff fallen verschiedene Aspekte, die um das Thema „VHS-Angebote als Bestandteil der Daseinsvorsorge“ kreisen. Zunächst sei die Aufklärung zu nennen.
Gegenwärtig sei KI ein noch relativ neues Phänomen, werde also bewußt und „an der Oberfläche sichtbar“ wahrgenommen. Noch werde über die Einsatzmöglichkeiten diskutiert. Aber irgendwann gehe die Nutzung der KI in den Bereich der selbstverständlich genutzten Kulturtechnik über (als Beispiel für eine vergleichbare Entwicklung wird das Googeln genannt). Dieses Zeitfenster bis zum Verschwinden unter der Oberfläche müsse man nutzen.
Beim zweiten Aspekt – Bildung – seien einerseits erfolgreiche Recherche-Techniken zu vermitteln, andererseits aber auch Fragen der Datensicherheit und des Datenschutzes zu berücksichtigen.
Haltung und Wertschätzung beträfen die Menschen und vor allem auch die Lehrkräfte, die beim Thema KI mitarbeiteten. Man wolle damit zum Zusammenlernen und Voneinanderlernen animieren. Das werde hoffentlich bei allem, was die VHS unternehme, auch so wahrgenommen.
„Demokratie“ als Fragestellung gehöre selbstverständlich zum Thema. Unerläßlicher Bestandteil der Bildungsarbeit mit KI sei die Fähigkeit, sich zu emanzipieren, Bescheid zu wissen, zu entscheiden, um nicht nur passiv überflutet zu werden. Das reiche bis zu dem ureigensten politischen Thema „Wem gehört die KI und wer bestimmt darüber?“
Abschließend referiert Frau Dr. Reisz über ihr VHS-Selbstverständnis, auch Menschen erreichen zu wollen, die von Bildung entfremdet oder enttäuscht sind oder durch Medienkonsum und Internet den Besuch von Veranstaltungen vergessen. Die VHS sei ein Ort des sozialen Zusammenhalts und wirke damit der gesellschaftlichen Vereinsamung entgegen.
Um auch jene anzusprechen, die nicht mehr wollten, die sozialer Kontakte entwöhnt seien, bewährten sich Karikaturen und Humor als ein gutes didaktisches Mittel. Abschließend stellt sie die Notwendigkeit einer dauerhaften Finanzierung fest, weil man nur dann beständig die Menschen begleiten könne. Und man sei selber diejenige, die auch viel „von den Menschen in Oberhausen“ lernen könne; ein Miteinander also.
Ein Veranstaltungshinweis beschließt den Vortrag:
Am 27. Juni findet der nächste kostenfreie Digital-Tag statt. Bereits jetzt gebe es über 100 Anmeldungen, und auch die Kommunalpolitik dürfe daran teilnehmen. Man könne auf dieser Veranstaltung ein Gefühl dafür bekommen, Teil der VHS-Familie zu sein; man könne es aber auch verbreiten, politisch verantworten und vertreten.
Dr. Reisz dankt der „Kommunalpolitik“, die den Auftrag der VHS immer mitgetragen und stets großes Interesse an der VHS-Arbeit bekundet habe.
Nach der Beendigung des Vortrages nutzten einige Mitglieder des Kulturausschusses die Gelegenheit zu Stellungnahmen und ersten Eindrücken.
Herr Scherer (SPD) wollte herausstellen, daß das Thema Künstliche Intelligenz nur einen sehr kleinen Teil der VHS-Arbeit darstellte, weshalb der Aufwand um so bemerkenswerter sei. Die Beschäftigung mit KI sei insofern wichtig, als man sich jetzt noch in einer Phase befinde, in der man KI bewußt als solche wahrnehme. Man müsse dieses Zeitfenster, welches sich zu schließen beginne, nutzen, um sich auf den richtigen Umgang mit KI vorzubereiten, bevor man KI als solche nicht mehr wahrnehme. Weiterhin betonte er deren Potential zu revolutionären Umgestaltungen der Berufswelt und des sozialen Lebens.
Und vielleicht verändere sich dabei auch der Mensch, ohne es zu merken. Kurzum: KI sei die größte Herausforderung unserer Zeit.
Die CDU-Vertreterin Wolter trug einen interessanten Gedanken vor: Die „Schüler“ der Frau Dr. Reisz kämen freiwillig und brächten ganz andere Voraussetzungen, eine ganz andere Lernbereitschaft mit als die „normalen“ Schüler. Und Lehrer seien an Lehrpläne gebunden, während die VHS in der Auswahl ihrer Themen und deren Gestaltung frei sei. Sie wünschte Frau Dr. Reis weiterhin eine „glückliche Hand“, damit sie den Menschen nicht nur KI näher bringe, sondern auch auf Dinge aufmerksam machen könne, die gefährlich werden könnten.
Herr Gadde (GRÜNE) betonte die Wichtigkeit, „diese kulturelle, technische Revolution mit zu begleiten“. Wieder zeige sich die Wichtigkeit des lebenslangen Lernens, um von neuen Dingen nicht einfach überrollt zu werden. KI könne man noch „ ein Stück weit begleiten“.
Im Einklang mit diesem tendenziell pessimistischen Grundzug äußerte der GRÜNEN-Vertreter seine Sorgen bezüglich des Datenschutzes, also der Verarbeitung einmal preisgegebener persönlicher Daten durch die KI.
Genau zu diesem Aspekt ergänzte Frau Dr. Reisz ihren Vortrag. Dieses wichtige Thema sei auch durch eine Station beim KI-Seepferdchen (im letzten Jahr) vertreten worden: Welche Risiken geht man ein, woran erkennt man KI, werden Quellen angegeben, wie geht man mit persönlichen Daten um? Natürlich gebe es auch Möglichkeiten des Datenschutzes, aber das seien Zusatzfunktionen bei Bezahlmodellen. Wer sich genauer über das VHS-Programm in diesem Bereich informieren wolle, könne gerne bei der VHS anfragen – oder das neue Programmheft abwarten.