Wir hätten nicht gedacht, so schnell einen Anlaß zu finden, um erneut über die Verrohung des Stils in der öffentlichen Debatte berichten zu müssen. Wieder geht es um den Vergleich von Menschen mit Ungeziefer. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20220512b_AfD_Ungeziefer
Der Chefredakteur der Rheinischen Post, Moritz Döbler, hat am 11. Mai in einem Kommentar zur bevorstehenden Landtagswahl in NRW über die AfD behauptet:
„Alles an ihr ist destruktiv, und obendrein profitiert sie durch Abgeordnetendiäten und Wahlkampfkostenerstattung von den Institutionen, die sie zugleich ständig verächtlich macht und diffamiert. Es mag ordentliche Leute geben, die in diesen irrlichternden Haufen geraten sind. Aber in Summe handelt es sich um Schmarotzer der Demokratie, denn sie lehnen die Freiheit ab, die ihnen den Einzug in die Parlamente überhaupt erst ermöglicht. Die AfD profiliert sich als zersetzende Kraft, sie geriert sich wie eine außerparlamentarische Opposition, hat es aber gerne in den Landtagen und im Bundestag warm und trocken.“
Wir empfehlen Herrn Döbler, über seine Wortwahl nachzudenken. Mehr können wir auch an dieser Stelle nicht tun, da wir weder die Macht noch die Möglichkeiten haben, Herrn Döbler in irgendeiner Weise zu belangen. Die Zeitungen, zu deren Vokabular das Wort „Schmarotzer“ gehörte, gibt es seit Mai 1945 nicht mehr – und bisher waren wir der Meinung, daß der Ungeist jener Zeit in der heutigen Presse keinen Nachhall finden würde.
Wenn wir nachfolgend aus einer jener Zeitungen zitieren, tun wir das nicht, um Herrn Döbler eine geistige Wahlverwandtschaft zu unterstellen. Wir tun es, damit Herr Döbler einmal nachdenkt; und mit ihm andere, denen der weitere Weg dieser Demokratie eine Herzensangelegenheit ist.
Völkischer Beobachter …
… über Maßnahmen gegen jüdische Kaufleute in Libyen (20. 10. 1938):
„Gegen jüdische Spekulanten und Schmarotzer wird von der faschistischen Regierung jetzt auch in Libyen vorangegangen. So ist der bisher ausschließlich in jüdischen Händen liegende Teehandel auf Befehl Marschall Balbos in ein Staatsmonopol umgewandelt worden.“
… anläßlich der Errichtung eines „Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage“ in Frankfurt/M. (12. 8. 1939):
„Der Kampf der NSDAP richtete sich seit Beginn gegen den Schmarotzer der Menschheit, der im Judentum in höchster Vollendung verkörpert ist.“
… über den tschechischen Exilpolitiker in Paris, Benesch (20. 12. 1939):
„Benesch, der Geldgeber, ist ein ausgesprochener Schmarotzer, dem es nicht darauf ankommt, das tschechische Volk einer nach seiner Meinung besseren Zukunft zuzuführen, sondern so viel Geld als nur möglich von seinen englischen Mäzenen herauszuschlagen.“
… über die Einführung der Studentischen Dienstpflicht – Zitat von Reichsstudentenführer Dr. Scheel (10. 1. 1940):
„Der Rang, den ein jeder von euch vor dem Führer einnimmt, entscheidet sich durch die Leistung, die er vollbringt; für untaugliche Schmarotzer ist in unseren Reihen kein Platz.“
… als Überschrift eines Artikels über Betrügereien mit Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen (2. 8. 1940):
„Schmarotzer im Alltagsleben.“
… aus einer Mussolini-Rede über den Krieg vom 23. 2. 1941 (24. 2. 1941):
„Die Völker werden groß, wenn sie wagen, etwas zu riskieren, nicht aber, wenn sie sich als niedrige Schmarotzer an den Rand der Straße setzen und warten.“
… über den „jüdischen Feind“ (12. 11. 1941):
„Wessen Mannesmut unter dem Bewußtsein leidet, daß wir diesen gigantischen Daseinskampf letzten Endes gegen das verächtliche, schmutzige Judentum führen müssen, der mag sich daran erinnern, daß auch das große Rom ein semitisches Krämervolk, die Karthager, in härtestem tödlichem Ringen überwinden mußte, bevor es den Platz in Zeit und Geschichte einnehmen konnte, der ihm kraft seiner Eigenschaften gebührte. Er mag daran denken, daß auch die große göttliche Natur im Kampf um die Auslese der Gesündesten und Tüchtigsten sich seltsamer und unscheinbarer Werkzeuge bedient, eben jener Schmarotzer und Spaltpilze, mit denen wir das Judentum so oft verglichen haben.“
… über die „Belehrung von Bodenspekulanten“ durch Ministerialrat Dr. Frh. von Manteuffel (6. 8. 1942):
„Es ist schon immer so gewesen, daß in Kriegszeiten neben den positiven Kräften, die bis zur Selbstaufopferung für das Ganze sich mühen, kleine Geister versuchen, ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Und je weniger der einsatzbereite Mensch Zeit und Gelegenheit hat, an sich und seine Interessen zu denken, um so geschäftiger ist der Schmarotzer am Volkskörper darum bemüht.“
… über die Gründung eines Europäischen Jugendverbandes in Wien (6. 9. 1942):
„Sie (die europäische Jugend) wird in diesen Tagen in Wien sich zu einem Bund zusammenschließen, der ihrem zähen, opferreichen und siegreichen Ringen gegen das jüdisch-bolschewistisch-plutokratische Parasitentum das Siegel aufdrückt und neue Wucht und Klarheit gibt. Sie ist gegen die Schmarotzer aufgestanden und wird nicht ruhen, bis eine neue Völkerordnung den letzten Schmarotzergeist vollends hinweggefegt hat.“
… über die Moral der Deutschen (27. 9. 1943):
„Sie alle arbeiten rastlos, oft über die Grenzen ihrer Kraft, versagen sich keinem Aufruf zu noch höherer Leistung, zu neuen Einschränkungen, zu freiwilligen Spenden aus oft sehr zusammengeschmolzenen Beständen, und sie verdienen es jeder und jede, daß man vor ihnen den Hut zieht, wenn man sie im Morgengrauen auf dem Weg in die Fabrik oder des Nachts im Luftschutzdienst trifft. Die wenigen anderen, die Schmarotzer, sieht man ja nicht, weil man in ihrer Gegend sich nicht wohlfühlt und zu ihren Wühl- und Sühlzeiten wichtigeres zu tun hat.“
… anläßlich der Wiener Tagung der Reichsarbeitsverwaltung am 24. 10. 1943 aus einer Rede des Gauleiters und Generalbevollmächtigten für den Kriegseinsatz Sauckel (25. 10. 1943):
„Wir dulden jetzt und in Zukunft keinen Schmarotzer unter uns, der ohne Leistung und ohne Beitrag für das Leben und das Fortkommen unseres Volkes einen Lebensstandard beansprucht. Aus diesem Grunde haben wir die größten Schmarotzer, die Juden, ausgemerzt und wir werden es zu verhindern wissen, daß dieser Fremdkörper jemals wieder dem deutschen Volk gefährlich wird.“
… über den Krieg (25. 1. 1944):
„Die neue Weltordnung werden alsdann die freien Völker, in diesem furchtbaren Ringen geläutert, selbst aufrichten und nicht die jüdischen Sklavenhalter und Schmarotzer, die ihr verdientes Schicksal ereilen wird.“
… über die Juden in der Schweiz (11. 5. 1944):
„Es ist selbstverständlich, daß die Juden unter sich genau so emsig versuchen, Geschäfte zu machen, wie sie es als Schmarotzer am fremden Volkstum tun.“
Ich verwahre mich dagegen, in der Form, wie Herr Döbler es getan hat, als Schmarotzer bezeichnet zu werden.
Oberhausen, den 12. 5. 2022
Erich Noldus, AfD-Stadtverordneter