Am 28. 1. 2022 ist Prof. Jörg Meuthen bekanntlich aus der AfD ausgetreten und hat den Leitmedien die Geschichte geliefert, die sie in solchen Fällen immer hören wollen. Nun hat er eine neue politische Heimat gefunden. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20220611b_Meuthen_Zentrum

Auf Facebook hat Meuthen heute – am 11. Juni – seinen Eintritt in die Zentrumspartei mitgeteilt und in zwei Absätzen deren Programmatik dargestellt und das mit einer allgemeinen Erklärung zum AfD-Austritt verbunden:

„Bekennend konservativ, aber eben zukunftszugewandt, nicht etwa reaktionär. Freiheitlich, aber fernab der pseudo-liberalen Beliebigkeit einer FDP. Patriotisch an den Interessen unseres Landes ausgerichtet, aber vollkommen frei vom dumpfen Nationalismus plump rechtsgerichteter Parteien. Sozial engagiert, aber auf dem Fundament einer christsozialen und marktwirtschaftlichen Ausrichtung, fernab aller sozialistischen Experimente der versammelten Linken.

DAS, liebe Leser, ist exakt das, was ich als politisches Projekt für unser Land immer gesucht habe. Das ist auch das, was ich mit meiner ehemaligen Partei im Sinn hatte, was aber mit der dort inzwischen klar dominierenden Mehrheit nicht erreichbar war, weswegen ich nach langen Jahren des innerparteilichen Kampfes schließlich gegangen bin, weil ich mich nicht vor den Karren eines mir viel zu engen und allzu simplen Weltbildes spannen lassen wollte und konnte, das ich nicht teile.“

Mit „Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts!“und „Ganz klar totalitäre Anklänge!“ hatte er den öffentlich-rechtlichen Medien aus Anlaß seines AfD-Austrittes die üblichen Schlagworte geliefert.

Der medial gewandte Professor durfte sich damals genau einen Tag lang der wohlwollenden Aufmerksamkeit der Leitmedien, die ihn und seine politische Arbeit in den Jahren seiner AfD-Mitgliedschaft diffamiert hatten, erfreuen.

Heute lieferte er den zweiten Teil der Geschichte, die ihn seine „wahre“ politische Heimat hat finden lassen. Dahinter steht ein ungeschriebenes Gesetz, daß kein ehemaliger AfD-Politiker in einer anderen selbsternannten demokratischen Partei einen neuen Wirkungskreis finden darf. Meuthen wird den gleichen Weg in die politische Bedeutungslosigkeit antreten wie die letztlich gescheiterten Egomanen vor ihm.

Seine neue Partei wird auch durch ihn nicht an Bedeutung gewinnen; die Erkenntnis, daß seine Medienwirksamkeit unwiderruflich mit der AfD verbunden war, wird ihm noch kommen.

Bewundern muß man seinen strategischen Weitblick allerdings: Es wurde weithin nicht verstanden, als Meuthen nach der Bundestagswahl 2017 die Gelegenheit nutzte, um für Beatrix von Storch deren Platz im Europaparlament einzunehmen. Aus heutiger Sicht amüsant: Damals galt Meuthen den Medien als Exponent des „Flügels“ um Höcke, der sich intern gegen einen Vertreter der „Alternativen Mitte“ durchgesetzt hatte.

Im Laufe der Zeit wurde klar, daß Meuthen nach seiner erfolgreichen Kandidatur für den Listenplatz 1 bei den Europawahlen 2019 damit ein Mandat gewonnen hatte, welches für ihn sehr vorteilhaft war: Einmal war er den Querelen innerhalb des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg, die seine innerparteiliche Stellung bis zu einem gewissen Grade belastet hatten, endgültig entkommen. Zweitens sicherte er sich dadurch eine materielle Unabhängigkeit und Basis für seine politische Arbeit jenseits der Auseinandersetzungen innerhalb der Bundesspitze.

Es war nicht allein sein Bestreben, dort alles das, was er selbst als „rechts“ wahrnahm, beiseite zu schieben, um der AfD ein konservatives Image zu verpassen, woran er letztlich scheiterte. Dieses Scheitern ist auch darauf zurückzuführen, daß er sich selbst gerne als Vordenker sah – die intellektuellen Fähigkeiten besitzt er zweifellos – und nicht bedachte, wie seine Meinungsäußerungen von den Medien ausgeschlachtet wurden, um Unfrieden und Streit in die AfD hineinzutragen.

Gerade seine Gedanken über eine freiwillige Trennung in eine West- und eine Ost-AfD im März/April 2020 schadeten ihm hier im Westen bei denen sehr, die eine allzu „nationale“ Ausrichtung ihrer Partei kritisch beäugen. Danach bekam Meuthen unmerklich das Image eines Mannes, der auf der einen Seite dank seiner intellektuellen Qualitäten eines der AfD-Aushängeschilder war, dem aber auf der anderen Seite der politische Instinkt für die spezifischen Bedingungen seiner Tätigkeit als öffentliche Person abging. Seine Ankündigung im Oktober 2021, nicht mehr für den Bundesvorsitz der AfD kandidieren zu wollen, wurde daher verschiedentlich mit Erleichterung aufgenommen.

Meuthens Werdegang in der AfD hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck gerade auch bei denen, die seinen politischen Ideen positiv gegenüberstanden. Man möchte meinen, er sei letztlich an seinem Ego gescheitert, weil er nicht erkannt hat, daß man es immer und überall mit Personen zu tun hat, auf deren Mitarbeit man angewiesen ist und daß in der Fähigkeit, sich im Sinne des Ganzen ein- und unterzuordnen ein Gutteil des politischen Erfolges liegt.