Kinderehen sind in Deutschland verboten – sollte man meinen. Aber auch hier sind die Dinge im Fluß.

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Was ist mit dem Verbot von Kinderehen?
Von E. Noldus.
Am 15. 12. 2018 meldete die Bild-Zeitung auf der Titelseite: „Höchstes Gericht zweifelt Verbot von Kinder-Ehen an!“ Dahinter steht eigentlich eine alte Geschichte: Im Februar 2015 heiratete eine 14jährige Syrerin ihren sieben Jahre älteren Cousin in ihrer Heimat nach Scharia-Recht – eine in diesem Kulturkreis nicht ungewöhnliche Konstellation. Einer Einladung der Bundeskanzlerin Merkel folgend, reiste das Paar auf seiner Hochzeitsreise im August 2015 nach Deutschland. Nach der Niederlassung in Aschaffenburg ordneten die Behörden eine Prüfung der Familienverhältnisse an und das Amtsgericht unterstellte die Ehefrau wegen ihres Alters der Vormundschaft des örtlichen Jugendamtes. Der Ehemann klagte durch alle Instanzen gewissermaßen auf Herausgabe seiner Ehefrau und das Oberlandesgericht Bamberg gab ihm, nach tagesschau.de mit Stand vom 14. 12. 2018, in der Sache recht (der Fall ist im übrigen ausführlich dokumentiert und kommentiert worden; wir haben diese Quelle wegen ihres sonstigen Informationsgehaltes herangezogen). Dagegen wiederum legte das Jugendamt Einspruch ein, so daß der Fall jetzt beim Bundesgerichtshof landete.

Das Problem hatte sich die Bundesregierung gewissermaßen selbst aufgehalst durch ihre Entscheidung im Juni 2017, auch im Ausland geschlossene Kinder-Ehen („Kind“ definiert als unter 16 Jahren alt) in Deutschland zu verbieten.

Der BGH zweifelt aber, laut tagesschau.de, ob diese generelle Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, da eine Einzelfallprüfung nicht vorgesehen sei. [Wir erlauben uns den polemischen Einwand, daß man mit diesem Argument auch das generelle Verbot der Sklaverei anfechten könnte.]

Jedenfalls sorgt sich Dietlind Weinland, Presserichterin beim BGH, um den Artikel 6 des Grundgesetzes, der die Ehe und die sich daraus ergebenden Rechte unter besonderen Schutz stellt. Ferner hätten die betroffenen Mädchen keinerlei Ansprüche auf Unterhalt oder Vermögensausgleich.

„Wenn Kinder schon geboren sind, stellt sich die Frage: Wie sieht es mit dem Sorgerecht der Kinder aus? Oder mit dem Umgangsrecht? Wie sieht es mit Unterhaltsansprüchen der Ehefrau aus? Hier stellen sich eine ganze Reihe von familienrechtlichen Fragen, und die sind gänzlich ungelöst.“

Zum letzten Punkt möchten wir nur anmerken, daß alle diese Fragen schon zehntausendfach in der Rechtsprechung behandelt worden sind; nämlich in der Konstellation „unverheiratete Väter streiten um das Sorgerecht für ihr uneheliches Kind oder entziehen sich ihren Verpflichtungen“. Auf jeden Fall hat sich der BGH elegant aus der Affaire gezogen und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen, wobei es allein um die Zulässigkeit des generellen Verbotes ohne Einzelfallprüfung geht; mithin um eine Stellungnahme zur seit dem 1. 7. 2017 gültigen Gesetzeslage.

Ist das nicht eine eher juristisch-neutrale, objektiv zu beantwortende Frage? Um so unverständlicher die polemische Reaktion etwa der hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), laut Bild-Zeitung vom 15. Dezember:

„Kinder-Ehen darf es in Deutschland nicht geben. Als Kind darf man keine größeren Verträge abschließen oder wählen gehen. Aus Gründen des Jugendschutzes noch nicht einmal ein Bier kaufen. Warum also sollte der Gesetzgeber es zulassen, dass man mit 14 oder 15 Jahren den Bund fürs Leben eingehen kann?“

Der BGH hat die letzte Frage (laut tagesschau.de) beantwortet: Um Minderjährige bestmöglich zu schützen, müsse deshalb jeder Einzelfall genau untersucht wer den. Dies gebiete auch die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf die sich Minderjährige ebenfalls berufen könnten.
Wir finden diese Auslegung des Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sehr interessant. Die Sorgen der Justizministerin lassen sich auch sonst zerstreuen: Im Kulturkreis der hier zur Debatte stehenden Ehe dürften Frauen selbständig weder wählen gehen noch Verträge abschließen. Auch das Problem des Bierholens können wir unter Verweis auf die einschlägigen Suren des Korans getrost beiseite schieben.

In diesem Zusammenhang darf man die Entscheidung des Bundestages vom 30. 6. 2017 nicht vergessen, wonach die sogenannte Homo-Ehe (Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern) ab dem1. 10. 2017 juristisch der Ehe im herkömmlichen Sinne gleichgestellt worden ist. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen, Britta Costecki, kommentierte diesen Beschluß laut einer WAZ-Meldung vom 3. 7. 2017 mit den Worten:

„Auch die Gleichstellungsstelle im Büro für Chancengleichheit hat sich seit Jahren das Ziel gesetzt, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen und weiter zu stützen, in dem Bürger bedingungslos von ihrer sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben führen können und auch die Einführung der Ehe für alle gehörte immer zu dieser Forderung.“

Wir sind gespannt, wie sich das Bundesverfassungsgericht äußern wird. Wir tippen auf das Zurückweisen des Falles unter Hinweis auf die notwendige Einzelfallprüfung. Und eines Tages, da sind wir sicher, können wir nach der grundsätzlichen Anerkennung der nach Scharia-Recht geschlossenen Kinder-Ehe Frau Costecki fragen, wie bedingungslos ihrer Meinung nach die sexuelle Orientierung eines Bürgers sein darf.