In der letzten Kulturausschußsitzung am 8. Juni 2021 nahm man nun offiziell zur Kenntnis, daß die Stadtverwaltung den Umbau des früheren Europakinos an der Elsässer Straße in einen multifunktionalen Veranstaltungsort zu stoppen empfiehlt.
(Von E. Noldus.)
Der Text als pdf-Datei: 20210612_Kulturausschuss_b
Das Projekt Europakino
Der Umbau des Europakinos war im Dezember 2016 im Rat beschlossen worden. Nach einer Machbarkeitsstudie wurde auf deren Grundlage bereits im September 2017 ein positiver Förderbescheid erteilt. Allerdings ist erst nach einer juristisch notwendigen europaweiten Ausschreibung im Juli 2019 die Auftragsvergabe an ein Architekturbüro erfolgt. Die zeitliche Differenz zwischen Förderbescheid und Auftragsvergabe ist maßgeblich dafür verantwortlich gewesen, daß der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten werden konnte.
Zusätzliche Verzögerungen bzw. Kosten entstanden dadurch, daß infolge der Wohnungen im obersten Geschoß nun Brandschutzvorschriften der Hochhausverordnung galten, wie man wohl erst nachträglich festgestellt hatte. Ferner hatte man wohl das Ausmaß der durch Schadstoffbelastungen notwendigen Sanierungsarbeiten unterschätzt. Im September 2020 und im Februar 2021 erfolgten Aktualisierungen der Kostenvoranschläge; letztere sahen 4,7 Mio. € vor. Im April 2021 erfuhr die Stadtspitze nach Gesprächen mit den auf Bundesebene angesiedelten Fördermittel-Gebern, daß die Rücknahme der Projektförderung unabwendbar sei. Die Stadt Oberhausen müsse die bisher gezahlten Fördermittel in Höhe von 2,5 Mio. € bei ursprünglich (September 2017) angesetzten Gesamtkosten von 2,75 Mio. € zurückzahlen. Zur Fördersumme kommt eine Zinsforderung des Bundes in Höhe von 70.000 €.
Die Debatte im Kulturausschuß
Der SPD-Sprecher im Kulturausschuß, Herr Scherer, stellte eine Reihe kritischer Fragen, welche vom Dezernenten für Strategische Planung, Herrn Güldenzopf, eingehend beantwortet wurden. Herr Güldenzopf zog folgende Lehren aus den Planungsfehlern beim Europakino-Projekt:
- Man habe in einem zu frühen Stadium, lediglich auf der Basis einer Machbarkeitsstudie, mit dem Akquirieren von Fördermitteln begonnen.
- Solide Kostenvoranschläge setzten eine „Planungsverdichtung“ voraus, die erst 2020 gegeben war. Die Projektplanung war bis dahin ungenügend.
- Die Vergabe von Fördermitteln sei ein sehr komplexer Vorgang, der zudem stark verrechtlicht und formalisiert sei. Nachträgliche Änderungen der Förderbedingungen seien nicht möglich.
- Künftig werde man sorgfältiger feststellen müssen, auf welcher Basis man sich um Fördermittel bemühen solle.
- Ferner sei herauszuarbeiten, wer für die Umsetzung (!) der Planungen verantwortlich sei. Wo sind die Ressourcen, um das leisten zu können? Ferner sei vorher abzuklären, mit welchen Eigentümern man es zu tun habe.
Der Ausschußvorsitzende, Herr Flore, drückte seinen Wunsch aus, daß das Projekt fortgeführt werde. Man könne ja nach weiteren Fördermöglichkeiten suchen. Danach meldeten sich mehrere Sitzungsteilnehmer zu Wort, die teilweise angesprochene Fragestellungen vertieften oder bemängelten, daß „die Politik“ ungenügend über die jetzt offen zutage tretenden Probleme informiert gewesen seien.
Das Projekt „Musikschule“
Interessant ist nun, daß im nächsten Punkt der Tagesordnung ein neues Projekt vorgestellt wurde. Alle Sitzungsteilnehmer waren hellauf begeistert von einem Vortrag, der das alte Sterkrader Rathaus als künftigen Sitz der städtischen Musikschule vorstellte.
Die bei diesem Projekt auftretende Konstellation wird genau wie die beim Europakino sein. Stadtkämmerer Tsalastras sprach von etwa 10,5 Mio. € Gesamtkosten, die man aber durch Fördergelder abzudecken beabsichtige. Ein erheblicher Teil der Kosten (etwa ein Drittel) werde dadurch verursacht, daß es sich um eine denkmalgeschützte Immobilie handelte. Auch könne man erst nach dem „Leerziehen“ die Gebäudestatik komplett untersuchen.
Man kann sich nur darüber wundern, wie der Stadtkämmerer, der die Bezeichnung als Parteibuchbeamter sicherlich zurückweisen würde, nach der vorangegangenen Aussprache den Ausschuß damit beeindruckte, man werde sich um Fördergelder kümmern und dann sei der Rest kein Problem.
Nach dem soeben eingestandenen Totalversagen des Projektmanagements der Stadtverwaltung – ein Sitzungsteilnehmer hatte von einem für Oberhausen typischen leichtfertigen Umgang mit Fördergeldern gesprochen – hat Herr Tsalastras (SPD) nichts besseres zu tun, als dieses neue Projekt, welches die Luxusprobleme einer winzig kleinen Minderheit befriedigt, unkritisch durchzuwinken.
Wir erinnern dran, daß es bereits einen Standort und eine „arbeitende“ Musikschule gibt. Eine Sitzungsteilnehmerin jammerte, man müsse das Kind mit dem Auto hinbringen und an Ort und Stelle könne man nichts anderes tun als auf das Ende der Unterrichtsstunde zu warten. Einmal kann man ein Buch zum Lesen mitbringen; wir empfehlen Tolstojs „Krieg und Frieden“ für die Gesamtdauer eines Kurses. Weiterhin kann man von der Haltestelle Lipperfeld die Musikschule bequem zu Fuß erreichen, die in einem verkehrsarmen Bereich eines Gewerbegebietes liegt.
Herr Scherer (SPD) hatte, unter Zustimmung der anderen Ausschußmitglieder geklagt, wie denn „Politik entscheiden“ könne, wenn sie nicht informiert bzw. von der Verwaltung vor vollendete Tatsachen gestellt werde. Für das Musikschulenprojekt kann „die Politik“ entscheiden, genau so wie im Dezember 2016 für das Europakino-Projekt.
Die Empfehlung der AfD
Es kann nur mit Blick auf die Gesamtlage der Stadt eine einzige Entscheidung geben, nämlich auf die vermeintlich einfache Finanzierung durch Fördermittel gerade dieses Projektes zu verzichten. Wenn ein hochrangiger Vertreter der Stadtverwaltung selbstkritisch eingesteht, man müsse nicht nur Pläne machen, sondern auch darüber nachdenken, ob man die Ressourcen zu deren Umsetzung habe, kann man das nur lobend erwähnen. Nur müssen die übrigen, die selbsternannten „demokratischen Parteien“ auch ihrer Verantwortung gerecht werden und nicht völlig unbedarft irgendwelchen Luftschlössern nachrennen, deren Kosten der Bürger zu tragen hat. Denn die Kosten von heute sind die Gebühren von morgen!
Oberhausen, den 12. 6. 2021
Pressemitteilung der AfD-Ratsfraktion
Erich Noldus