Der Einkaufswagenfaktor ist eine Maßeinheit der öffentlichen Unordnung. Die öffentliche Ordnung wird dann gestört, wenn die Leute anfangen, sichtbar nach ihren eigenen Gesetzen zu leben. Um allen politischen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, betrachten wir es einfach als kulturelle Bereicherung. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20220507b_Einkaufswagenfaktor

An einem sonnigen Tag, am 27. April, stehen drei leere Einkaufswagen wie arrangiert um eine geleerte Mülltonne herum. Kunst im öffentlichen Raum? Schließlich hatte einst Joseph Beuys Aufsehen erregt, als er mit Müllcontainern eine Deutschland-Tournee unternahm…


 
Kunstvolles Arrangement – 27. April.



Wer genauer hinschaut, bemerkt, daß sie direkt vor der Haustüre stehen (Detailansicht). Absicht eines noch unentdeckten Künstlers? Oder subtile Abwehr eines Mitbewohners, der den Verursacher mit den Folgen seiner Einkaufswagen-Spaziergänge konfrontiert?

Drei Tage später hat sich das Bild gewandelt. Hat die Aktion des Mitbewohners Erfolg gehabt – oder zumindest einen Teilerfolg?


 
30. April – einsam und verlassen…



Wer genau hinschaut, bemerkt den blauen Müllbeutel im Einkaufswagen. So ein Wagen ist nicht nur ungemein praktisch, erlaubt er doch den bequemen Einkauf für die Großfamilie ohne lästiges Schleppen schwerer Einkaufstaschen. Man geht zu zweit nach Hause, schiebt den Wagen vor sich her und plaudert munter vor sich hin.

Und nachher kann man den leeren Einkaufswagen mit seinem Müll befüllen. Das ist ebenfalls ungemein praktisch, erspart es doch dem Hauseigentümer, größere Müllbehälter bei der Stadt zu ordern. Und nebenbei spart man noch Geld für die Müllabfuhr.

Einige Meter weiter enthüllt sich des Rätsels Lösung: Die drei leeren Einkaufswagen (siehe oben) haben offenbar doch gestört. Oder war es das dezente Signal des Mitbewohners, der den oder die Missetäter mit der eigenen Untat konfrontieren wollte, was störte?


 
30. April – des Rätsels Lösung.



Egal – das Problem wird auf einfache und altbekannte Weise gelöst. Man schiebt die drei Wagen in die nächste Hausecke, wo sie niemanden stören. Ja – sie gehören eigentlich dort sogar hin!

Denn diese Ecke ist der beliebteste Ort, um überschüssigen Müll (die teure Müllabfuhr, ja ja…) loszuwerden. Die Ecke ist geschützt, bietet Platz und ist für die Sonderschicht der Müllabfuhr gut erreichbar. Außerdem kann man die Hände in Unschuld waschen, denn rechts um die Ecke befindet sich der Hauseingang des Nachbarhauses. Es sind eben die Nachbarn, die die Einkaufswagen da hingeschoben haben.

Was macht der Nachbar? Tritt mit einem Müllsack – ordentlich zugebunden natürlich – vor die Türe, geht um die Ecke – niemand ist zu sehen – und schwups steht der blaue Müllsack in der Ecke. Weiter geht es Richtung Haltestelle Feuerwache. Selbst miterlebt. Beschreibung: Jung, fett, weiblich, deutsch. Einheimische Talente gibt es also auch.

Weiter geht es – 2. Mai abends. Nach dem Motto „Der Teufel sch… immer auf den größten Haufen!“ hat nun auch der einsame Einkaufswagen vom 30. April den Weg um die Hausecke gefunden.


 
Vier Einkaufswagen – 2. Mai abends.



Oder ist es ein anderer? War nicht ein blauer Müllsack in dem Wagen? Hatte er nicht einen schwarzen Griff, der Kollege?

Ein paar Schritte weiter die Erklärung. Der vierte Einkaufswagen war offenbar doch neu hinzugekommen. Irgendjemand hatte sich wohl gedacht: Was die anderen können, kann ich auch.


 
2. Mai abends – einladend steht die Haustüre offen.



Der Einkaufswagen, der vor drei, vier Tagen friedlich in der Sonne stand, war vielleicht für einen Transport innerhalb des Hauses genutzt worden. Zu diesem Zwecke mußte natürlich der Müllsack herausgenommen werden. Hoch – und fallen lassen. Geplatzt – na und? Die Ratten werden sich freuen. Die armen Tierchen kriegen in dieser Stadt sowieso viel zu wenig zu fressen.

Nachtrag:

Am 21. 3. 2022 beschloß der Stadtrat die Einrichtung einer durch Gebühren refinanzierten Vollzeitplanstelle im Bereich 2-2/ Umwelt für den Aufgabenbereich Abfallgefäße und „Wilde Müllkippen“ sowie Entfristung von zwei Vollzeitplanstellen im Bereich 2-4/Bürgerservice und öffentliche Ordnung als „Servicekraft“ im Kommunalen Ordnungsdienst für den Aufgabenbereich „Wilde Müllkippen und Verursacherermittlung“ (B/17/1719-01).

Aus dem Aufgabenbereich laut Vorlage:

„Das zusätzliche Personal wird für unterschiedliche Unterstützungsaufgaben, wie z.B. die Zustellung von zügigen und persönlichen Briefsendungen (u.a. Ordnungsverfügungen), Einsatz als Gemeindezeuge sowie zur Kontrolle der Containerstandorte im Stadtgebiet, Straßen, Wege und Plätze auf Zustand und Vermüllung incl. Beweisermittlung und Dokumentation eingesetzt. Gleichzeitig werden monatlich rund 60 sog. herrenlose Einkaufswagen, die häufig im Innenstadtbereich abgestellt werden lokalisiert, gemeldet und deren Beseitigung veranlasst. Der Anteil des Tätigkeitsfeldes „Wilde Müllkippen“ beträgt derzeit 40%, eine Ausweitung ist möglich, sobald die Zustelltätigkeiten oder die Sonderaufgaben rückläufig sind.“

Die AfD stimmte als einzige Fraktion gegen die Vorlage, weil die Stadt die sinnvollen Stellen einrichten, aber durch Streichen vollkommen sinnloser Stellen (im Kommunalen Integrationsmanagement und im Gleichstellungsbüro sind genug Reserven) finanzieren sollte.

Kosten der Vollzeitplanstelle im Bereich 2-2 laut Vorlage:

Die Personalkosten betragen gem. den KGST Richtwerten jährlich:

  • Für Beamte A 8 LBesG in Vollzeit: 67.200,00 EUR.
  • Für Tarifbeschäftigte EG 8 TVöD in Vollzeit: 55.900,00 EUR.

Da es sich um satzungsrechtliche Angelegenheiten handelt, ist eine Refinanzierung dieser Stelle über den Gebührenhaushalt zu 100% möglich.

Die Mehrbelastung für einen 4 Personenhaushalt liegt hier bei max. 0,67 EUR pro Jahr.

Kosten der 2 Stellen Servicekräfte im Bereich 2-4 laut Vorlage:

Die Personalkosten betragen gem. den KGST Richtwerten jährlich:

  • Für Tarifbeschäftigte EG 3 TVöD in Vollzeit: 46.100,00 EUR.
  • Die jährlichen Gesamtkosten für die beiden Stellen liegen bei 92.200,00 EUR.

Da es sich bei dem Tätigkeitsfeld „Wilde Müllkippen“ (zunächst 40% der Arbeitszeit) um satzungsrechtliche Angelegenheiten handelt, ist eine Refinanzierung der Stellen über den Gebührenhaushalt zu 40% (36.880 EUR) möglich.

Die Mehrbelastung für einen 4 Personenhaushalt liegt hier bei 0,37 EUR pro Jahr.

Bei einem Gesamtvolumen von 92.200,00 EUR und einer Refinanzierung von derzeit insgesamt 36.880,00 EUR ergeben sich Restkosten für die o.g. zwei Stellen von 55.320,00 EUR jährlich.

Die fehlenden 55.320 € will man – angeblich – durch Bußgelder finanzieren. Das ist ein beliebtes Argument, mit dem sich die Stadtverordneten der Altparteien gerne belügen lassen. Später interessiert kein Schwein mehr, wo das Geld herkommt.

Belügen – kein Schwein? Zu starke Worte? Woher, liebe Leser, kommen wohl die Schulden der Stadt und wer ist dafür verantwortlich? Die AfD?