Der Integrationsrat erhebt den Anspruch, für alle „Migranten“ zu sprechen (warum eigentlich?) und richtet ständig Forderungen an die sog. Mehrheitsgesellschaft. Die darin zum Ausdruck gelangende Zweiteilung entspricht der moralischen Bewertung von Gut und Böse. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20230301b_Mehrsprachigkeit_Kitas

„Die Zeit ist reif!“

Zum UNESCO-Welttag der Muttersprache am 23. Februar hat Frau Erdas, Vorsitzende des Integrationsrates, eine für sie typische Erklärung abgegeben, die zu Reflexionen Anlaß gibt.

Die Zeit ist reif für die Förderung natürlicher Zweisprachigkeit. Hierin liegt der Schlüssel, den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit internationaler Familiengeschichte maßgeblich zu verbessern… Nun müssen konkrete Schritte der Landesregierung folgen, damit eine konsequente Förderung des sprachlichen Reichtums in den Bildungseinrichtungen unseres Landes realisiert wird. Idealerweise sollten alle Kinder unserer Stadt bereits ab der Kita mehrsprachig gefördert werden.“

Der UNESCO-Tag soll eigentlich auf die Lage bzw. die Rechte nationaler Minderheiten aufmerksam machen, ihre Kultur und Sprache mit der Hilfe des Staates, in dem sie leben, zu bewahren. Die Türkei beispielsweise unterdrückt die kurdische Kultur periodisch mal mehr, mal weniger streng und beraubt die Kurden als „Bergtürken“ immer wieder ihres Rechtes auf kulturelle Autonomie.

In Deutschland gibt es diese Unterdrückung nicht; die nationalen Minderheiten genießen teilweise sogar politische Privilegien, wie die Befreiung des Südschleswigschen Wählerverbandes von der 5-Prozent-Klausel bei Wahlen zeigt.

Frau Erdas vom Team Oberhausen (Kommunalwahl 2020: 20 Türken, ein Bosnier) vertritt die Interessen einer Minderheit unter der nichtdeutschen Wohnbevölkerung Oberhausens, die aus mehreren Dutzend verschiedenen Ländern stammen. Die von ihr geforderte Mehrsprachigkeit bedeutet nichts anderes als eine bevorzugte Behandlung der türkischen Sprache, welche dank der „Arbeit“ von Integrationsrat und Kommunalem Integrationsmanagement als Schlüsselqualifikation für die Besetzung gut dotierter öffentlicher Stellen gilt. Dabei hat die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums, Frau Arslanbenzer, noch in der letzten Sitzung des Integrationsrates unwidersprochen festgestellt, daß die „wichtigste Sprache“ vom jeweils aktuellen Migrationsgeschehen abhänge. Jetzt sei es Ukrainisch/Russisch, 2015 sei es Arabisch oder Farsi gewesen.

Mehrsprachigkeit als Prinzip?

Die allgemeine Umsetzung der von Frau Erdas geforderten Mehrsprachigkeit in Kitas stößt schnell dort an ihre Grenzen, wo es sich bei den Kindern nicht um eine nationale Minderheit, sondern um vielsprachig gemischte Einwanderer handelt, die einer Amtssprache bedürfen, um in einem funktionierenden Staat leben zu können.

Beispielsweise haben die meisten schwarzafrikanischen Staaten eine ethnisch sehr heterogene Bevölkerung, weshalb die Amtssprache regelmäßig die der ehemaligen Kolonialherren ist. Eine der wenigen Ausnahmen ist Tansania, wo in der deutschen Kolonialzeit Suaheli als Verkehrssprache stark gefördert wurde, was nach der Unabhängigkeit die Festlegung als Amtssprache plausibel machte.

Im Vortrag von Herrn Yunus Ulusoy (Zentrum für Türkeistudien) im Dezember 2021 im Integrationsrat über „migrantische Ökonomie“ ist die Wichtigkeit von Deutschkenntnissen für den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt deutlich herausgearbeitet worden. Die hohe Quote an Selbständigen unter Migranten hat nach Herrn Ulusoy auch damit zu tun, mangels Sprachkenntnissen in bestimmte Nischen dorthin ausweichen zu müssen, wo diese nebensächlich sind (beispielsweise Gastronomie) oder die Herkunftssprache benötigt wird.

Die Türken als relativ große Gruppe im Ruhrgebiet haben sich seit dem Beginn ihrer Einwanderung sozial immer weiter differenziert und ihre Identität durch stetigen Nachzug bzw. Segregation weitgehend erhalten. Sozialer Aufstieg durch Bildung bedeutet daher nicht mehr unbedingt das Verlassen des eigenen Sprachmilieus, sondern findet vermehrt innerhalb dieses Milieus statt.

Es ist daher durchaus logisch, wenn türkische Interessenvertreter die stärkere Verankerung des Türkischen im staatlichen System von Kitas und Schulen fordern. Aber Mehrsprachigkeit zum Prinzip zu erheben, geht zumindest an den Interessen der Angehörigen jener nichtdeutschen Nationalitäten vorbei, die zahlenmäßig nicht in der Lage sind, sozial ausdifferenzierte, örtlich punktuell prägende Milieus zu bilden.

Ideologie oder Pragmatismus?

Noch weniger sind ideologische Verzerrungen hilfreich, wie sie Frau Erdas in der Pressemitteilung des Integrationsrates vorträgt:

Das Potenzial bilingualer Förderung birgt ein tiefergehendes interkulturelles Verständnis, das einen gesamtgesellschaftlichen Gewinn darstellt. Dies wird auch den gesellschaftlichen Realitäten gerecht, denn viele Kinder und Jugendliche bringen bikulturelle Identitäten mit: Sie sind selbstverständlich deutsch – und verfügen über weitere Perspektiven; ein Reichtum, der allen im Bildungssystem zugutekommen kann und sollte!“

Die weitere Behauptung, daß Zweisprachigkeit zwingend mit „kognitiven, aber auch interkulturellen Fähigkeiten“ einhergehe, läßt sich schon mit Blick auf bestimmte Mitglieder des Integrationsrates widerlegen. Wer seit zwei Jahren, um nur aus eigener Erfahrung zu berichten, ständig „Vielfalt ist meine Heimat“ predigt, aber niemals „Oberhausen ist meine Heimat“ über seine Lippen bringt, wer stets von „Alltagsrassismus“ spricht und „rechts“ als Chiffre für „deutsch“ benutzt, braucht nicht über den gesamtgesellschaftlichen Gewinn bilingualer Förderung zu philosophieren.

Kinder und Jugendliche bringen „bikulturelle Identitäten“ mit, sind „selbstverständlich deutsch – und verfügen über weitere Perspektiven“. Deutlicher kann man seine Ansicht über die Minderwertigkeit (oder geistige Armut) der Deutschen, die wegen ihrer Abstammung (Rasse?!) über keine „bikulturellen Identitäten“ verfügen, kaum ausdrücken. „Deutsch“ sind in diesem Zusammenhang nur die eingeforderten Rechte, denen auf der Empfängerseite umgekehrt keine positiven Integrationsleistungen gegenüberstehen.

Wir brauchen ein Bildungssystem, welches leistungsorientiert jeden nach seinen Fähigkeiten fördert und sich im Bereich des (Zweit-) Spracherwerbs flexibel den örtlichen Gegebenheiten und den Bedürfnissen der Menschen anpaßt. Hier helfen keine ideologisch vorgeformten Schablonen, sondern nur der Blick auf mögliche Vorbilder. Man kann sowohl in der Gegenwart (siehe Schwarzafrika) als auch in der Vergangenheit (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn) nach vergleichbaren Konstellationen der Vielsprachigkeit bei Schulkindern suchen. Der Blick aus der Ferne, ob geographisch von Afrika her oder zeitlich von 1870 her, könnte helfen, das gegenwärtige Ganze besser in den Blick zu bekommen und zu verstehen.