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Grundsatzerklärung der Stadt Oberhausen gegen Antisemitismus
Verabschiedet vom Rat der Stadt Oberhausen am 13. 5. 2024.
Die Stadt Oberhausen stellt sich gegen jedwede Form von Antisemitismus. Wir sehen den Kampf gegen Antisemitismus als eine zentrale Aufgabe unseres demokratischen Rechtsstaates an. In ihren Bildungs- und Kultureinrichtungen bietet die Stadt Oberhausen Aufklärung über Antisemitismus und Zugang zu antisemitismuskritischer Bildungsarbeit. Wir wollen jüdisches Leben in Oberhausen stärken.
Der wachsende, offene Antisemitismus erfüllt uns mit großer Sorge. Die – wieder – immer offener zur Schau gestellten antisemitischen Ressentiments, mit denen Jüdinnen und Juden tagtäglich konfrontiert sind, sind in unserer pluralistischen Gesellschaft unerträglich.
Wir müssen Antisemitismus in all seinen Ausprägungen entgegentreten, ganz gleich, welcher politischen, weltanschaulichen oder religiösen Richtung er entstammt. Eine demokratische Gesellschaft ist nur möglich und kann ihren eigenen Ansprüchen nur gerecht werden, wenn sie jeder Form von Menschenfeindlichkeit entgegenwirkt.
Antisemitismus findet sich in allen Gesellschaftsschichten. Er ist kein Phänomen, das sich allein dem Rechtsextremismus zuordnen ließe. Antisemitische Beschimpfungen etwa gehören heute sogar auf vielen Schulhöfen zum Alltag, über die sozialen Medien werden sie massiv verbreitet und wir sehen sie vielfach bei politischen Kundgebungen.
Als Stadt Oberhausen, die in ihrer Aufklärungs- und Präventionsarbeit beständig mit dem Phänomen konfrontiert ist, müssen wir feststellen, daß der Kampf gegen Antisemitismus bis heute noch keine Selbstverständlichkeit ist.
Wir sind uns der besonderen Verantwortung Deutschlands bewußt, Jüdinnen und Juden vor Anfeindungen und Übergriffen zu schützen. Es ist unser gemeinsames Bestreben und unser moralischer und politischer Imperativ, in Oberhausen jeglicher Form von antisemitischen Verschwörungserzählungen, von Anfeindungen, Bedrohungen und Ausgrenzungen bis hin zu Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden, aber auch gegen israelische und jüdische Einrichtungen und Symbole entgegenzutreten.
Deswegen formuliert und unterstreicht die Stadt Oberhausen in dieser Erklärung Grundsätze ihrer Arbeit, um eine wirksame Bekämpfung von Antisemitismus zu unterstützen und sich an ihr aktiv zu beteiligen. Auf dieser Basis arbeitet die Stadt Oberhausen sensibilisierend und präventiv in Kooperation mit der Stadtgesellschaft gegen jedwede Form der Diskriminierung und des Rassismus. Gemeinsam stehen wir für ein demokratischen Werten verpflichtetes Miteinander und zivilgesellschaftliches Engagement.
I. Die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA wird angewendet.
Für die Stadt Oberhausen ist die Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA, Deutsch: Internationale Allianz zum Holocaust-Gedenken) ein Leitfaden, um sowohl verwaltungsintern als auch in der Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft und Polizei gegen jeden Antisemitismus vorzugehen. Die IHRA-Definition nimmt dabei die Breite der Erscheinungsformen und Situationen des Antisemitismus in den Blick und bietet damit eine umfassende Grundlage, um Antisemitismus zu erkennen und entgegentreten zu können:
„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Haß gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“
Die Definition umfaßt alle aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus als Praxis der Gewalt in Wort und Tat. So gilt es heute und in Zukunft, gegen alle Formen von Antisemitismus vorzugehen – egal ob traditionell-religiös, rassistisch, schuldabwehrend, islamistisch, antizionistisch, antiimperialistisch oder auf Israel bezogen. Die Anwendung der von der Bundesregierung unterstützten Definition ist ein Kriterium für die Entwicklung, Finanzierung und Durchführung von Programmen und Maßnahmen, die sowohl der Bekämpfung des Antisemitismus als auch der allgemeinen Demokratieförderung, der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der politischen und historischen Bildung, der interkulturellen wie interreligiösen Verständigung dienen sollen.
II. Die von Antisemitismus Betroffenen werden ernst genommen und Antisemitismus als ein eigenständiges Phänomen anerkannt.
Von Antisemitismus Betroffene und ihre Erfahrungen ernst zu nehmen, steht im Zentrum unserer Arbeit. Dies leitet uns, Antisemitismus als eigenständiges Phänomen anzuerkennen. Wir hören die Perspektive der Betroffenen. Relativierungen antisemitischer Vorfälle und Straftaten finden keinen Platz.
Antisemitismus richtet sich gegen all jene Personen und/oder Institutionen, die als jüdisch wahrgenommen werden. Er ist nicht unter andere Kategorien subsumierbar, jedoch mit anderen Erscheinungsformen sogenannter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbunden.
III. Kein Platz für antisemitische Akteure und keine Zusammenarbeit.
Im Zuge einer allgemeinen Demokratieförderung und aufgrund der Tatsache, daß sich der Antisemitismus gegen die Prinzipien des freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens richtet, ist die Bekämpfung des Antisemitismus eine zentrale Aufgabe demokratischer Akteurinnen und Akteure.
Das bedeutet auch, daß Organisationen, Vereinen und Personen, die etwa den Holocaust leugnen oder relativieren, die Existenz Israels als jüdischen Staat delegitimieren, zu anti-jüdischen oder anti-israelischen Boykotten aufrufen, diese unterstützen oder entsprechende Propaganda verbreiten (etwa die Kampagne „Boycott-Divestment-Sanctions [BDS]“) oder die anderweitig antisemitisch agieren, keine Räumlichkeiten oder Flächen zur Verfügung gestellt werden. Dementsprechend ist die Zusammenarbeit mit Gruppen oder Einzelpersonen, die den oben genannten Definitionskriterien widersprechen, abzulehnen.
ANNEX
Die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)
Grundlage für die Auseinandersetzung mit Antisemitismus ist die vom Deutschen Bundestag am 18. Januar 2018 beschlossene Arbeitsdefinition von Antisemitismus der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA) mitsamt ihren Anhängen in der von der Bundesregierung am 27. September 2017 dargelegten Form (BT Drucksache 19/444). Die Arbeitsdefinition zu Antisemitismus wurde im Jahr 2016 von der IHRA angenommen.
Die IHRA, eine internationale Organisation mit derzeit 34 Mitgliedsstaaten, zu denen auch Deutschland gehört, wurde 1998 in Stockholm gegründet. Sie verfolgt das Ziel, die Erforschung und Aufklärung der Shoa sowie das Gedenken daran weltweit zu fördern. Alle Mitgliedsstaaten und damit auch die Bundesregierung haben die Arbeitsdefinition angenommen. Die Arbeitsdefinition kommt jedoch nicht nur auf nationalstaatlicher Ebene zur Anwendung. Auch mehrere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder verschiedene Städte sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, Verbände und Vereine haben die Arbeitsdefinition übernommen und wenden sie in ihrer täglichen Arbeit an.
Ziel der IHRA-Definition ist weniger eine wissenschaftliche oder juristische Klärung von Antisemitismus. Sie bildet vielmehr eine Arbeitsgrundlage und bietet der Stadt Oberhausen eine Leitlinie im Kampf gegen Antisemitismus. Als verbreitete Bezeichnung für Judenfeindschaft tritt Antisemitismus von seinen Ursprüngen bis heute in unterschiedlichen ideologischen Erscheinungsformen auf. Durch soziale Medien wurde und wird die Verbreitung von Antisemitismus gruppen- und milieuübergreifend befördert. Auch auf Straßen und Plätzen, in Sportvereinen, Schulen oder Betrieben kommt es immer wieder zu antisemitischen Vorfällen. Diese stehen nicht immer unter Strafe. Zudem werden sie von Betroffenen aufgrund von negativen Erfahrungen mit den verantwortlichen Stellen häufig nicht gemeldet. Jenseits der offiziellen Statistiken ist daher von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
Grundsatzerklärung der Stadt Oberhausen gegen Antisemitismus
Alternativantrag der LINKEN; in der Ratssitzung des 13. 5. 2024; mehrheitlich abgelehnt.
Die Stadt Oberhausen stellt sich gegen jedwede Form von Antisemitismus. Wir sehen den Kampf gegen Antisemitismus als eine zentrale Aufgabe unseres demokratischen Rechtsstaates an. In ihren Bildungs- und Kultureinrichtungen bietet die Stadt Oberhausen Aufklärung über Antisemitismus und Zugang zu antisemitismuskritischer Bildungsarbeit. Wir wollen jüdisches Leben in Oberhausen stärken.
Der wachsende, offene Antisemitismus erfüllt uns mit großer Sorge. Die – wieder – immer offener zur Schau gestellten antisemitischen Ressentiments, mit denen Jüdinnen und Juden tagtäglich konfrontiert sind, sind in unserer pluralistischen Gesellschaft unerträglich. Wir müssen Antisemitismus in all seinen Ausprägungen entgegentreten, ganz gleich, welcher politischen, weltanschaulichen oder religiösen Richtung er entstammt. Eine demokratische Gesellschaft ist nur möglich und kann ihren eigenen Ansprüchen nur gerecht werden, wenn sie jeder Form von Menschenfeindlichkeit entgegenwirkt.
Antisemitismus findet sich in allen Gesellschaftsschichten. Er ist kein Phänomen, das sich allein dem Rechtsextremismus zuordnen ließe. Antisemitische Beschimpfungen etwa gehören heute sogar auf vielen Schulhöfen zum Alltag, auch über die sozialen Medien werden sie massiv verbreitet.
Als Stadt Oberhausen, die in ihrer Aufklärungs- und Präventionsarbeit beständig mit dem Phänomen konfrontiert ist, müssen wir feststellen, daß der Kampf gegen Antisemitismus bis heute noch keine Selbstverständlichkeit ist.
Wir sind uns der besonderen Verantwortung Deutschlands bewußt, Jüdinnen und Juden vor Anfeindungen und Übergriffen zu schützen. Es ist unser gemeinsames Bestreben und unser moralischer und politischer Imperativ, in Oberhausen jeglicher Form von antisemitischen Verschwörungserzählungen, von Anfeindungen, Bedrohungen und Ausgrenzungen bis hin zu Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden, sowie jüdische Einrichtungen und Symbole entgegenzutreten.
Deswegen formuliert und unterstreicht die Stadt Oberhausen in dieser Erklärung Grundsätze ihrer Arbeit, um eine wirksame Bekämpfung von Antisemitismus zu unterstützen und sich an ihr aktiv zu beteiligen. Auf dieser Basis arbeitet die Stadt Oberhausen sensibilisierend und präventiv in Kooperation mit der Stadtgesellschaft gegen jedwede Form der Diskriminierung und des Rassismus. Gemeinsam stehen wir für ein demokratischen Werten verpflichtetes Miteinander und zivilgesellschaftliches Engagement.
I. Die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der JDA wird angewendet
Für die Stadt Oberhausen ist die Definition der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus ein Leitfaden, um sowohl verwaltungsintern als auch in der Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft und Polizei gegen jeden Antisemitismus vorzugehen. Die JDA-Definition nimmt dabei die Breite der Erscheinungsformen und Situationen des Antisemitismus in den Blick und bietet damit eine umfassende Grundlage, um Antisemitismus zu erkennen und entgegentreten zu können:
„Antisemitismus ist Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden als Jüdinnen und Juden (oder jüdische Einrichtungen als jüdische).“
Die Definition umfaßt alle aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus als Praxis der Gewalt in Wort und Tat. So gilt es heute und in Zukunft, gegen alle Formen von Antisemitismus vorzugehen.
II. Die von Antisemitismus Betroffenen werden ernst genommen und Antisemitismus als ein eigenständiges Phänomen anerkannt
Von Antisemitismus Betroffene und ihre Erfahrungen ernst zu nehmen, steht im Zentrum unserer Arbeit. Dies leitet uns, Antisemitismus als eigenständiges Phänomen anzuerkennen. Wir hören die Perspektive der Betroffenen. Relativierungen antisemitischer Vorfälle und Straftaten finden keinen Platz. Antisemitismus richtet sich gegen all jene Personen und/oder Institutionen, die als jüdisch wahrgenommen werden. Antisemitismus weist einige spezifische Besonderheiten auf. Dessen Bekämpfung ist jedoch untrennbar mit dem allgemeinen Kampf gegen alle Formen rassistischer, ethnischer, kultureller, religiöser und geschlechtsspezifischer Diskriminierung verbunden.
III. Kein Platz für antisemitische Akteure und keine Zusammenarbeit
Im Zuge einer allgemeinen Demokratieförderung und aufgrund der Tatsache, daß sich der Antisemitismus gegen die Prinzipien des freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens richtet, ist die Bekämpfung des Antisemitismus eine zentrale Aufgabe demokratischer Akteurinnen und Akteure. Das bedeutet auch, daß Organisationen, Vereinen und Personen, die etwa den Holocaust leugnen oder relativieren, keine Räumlichkeiten oder Flächen zur Verfügung gestellt werden.
ANNEX
Die „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ wurde 2021 veröffentlicht. Zu den Unterzeichner:innen zählen internationale Wissenschaftler:innen, die in der Antisemitismusforschung und in verwandten Bereichen arbeiten, darunter Jüdische Studien, Holocaust-, Israel-, Palästina- sowie Nahoststudien. „Im Geiste der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1969, der Erklärung des Stockholmer Internationalen Forums über den Holocaust aus dem Jahr 2000 und des Beschlusses der Vereinten Nationen zum Gedenken an den Holocaust aus dem Jahr 2005 vertreten wir die Auffassung, daß Antisemitismus einige spezifische Besonderheiten aufweist, der Kampf gegen ihn jedoch untrennbar mit dem allgemeinen Kampf gegen alle Formen rassistischer, ethnischer, kultureller, religiöser und geschlechtsspezifischer Diskriminierung verbunden ist. Im Wissen um die Verfolgung von Jüd:innen im Laufe der Geschichte und die universellen Lehren aus dem Holocaust und angesichts des besorgniserregenden Wiedererstarkens von Antisemitismus durch Gruppierungen, die Haß und Gewalt in Politik, Gesellschaft und im Internet mobilisieren, legen wir eine anwendbare, prägnante und historisch fundierte Kerndefinition von Antisemitismus mit einer Reihe von Leitlinien für die Benutzung vor.“ (aus der Präambel) Die Jerusalemer Erklärung ist eine Reaktion auf die IHRA-Erklärung von 2016 und versteht sich als dessen Erweiterung mit einer präziseren Kerndefinition und einem kohärenten Set von 15 Leitlinien. Die ersten 5 Punkte beziehen sich hierbei auf allgemeine Beispiele antisemitischen Handels.
Die JDA kritisiert, daß sich sieben von elf Beispielen von Antisemitismus auf den Staat Israel beziehen, sieht aber einen großen Bedarf an Klarheit über die Grenzen legitimer politischer Äußerungen und Handlungen in Bezug auf Zionismus, Israel und Palästina. Dabei verfolgen die Unterzeichner: innen ein doppeltes Ziel: (1) den Kampf gegen Antisemitismus zu stärken, indem definiert wird, was Antisemitismus ist und wie er sich manifestiert, und (2) Räume für eine offene Debatte über die umstrittene Frage der Zukunft Israels/Palästinas zu wahren. Hierbei sind nicht alle Personen der gleichen politischen Meinung und verfolgen keine politische Parteinahme. Die Feststellung, daß eine kontroverse Ansicht oder Handlung nicht antisemitisch ist, bedeutet weder, daß sie befürwortet, noch daß sie abgelehnt wird. Die Punkte sechs bis zehn beschreiben eindeutig antisemitisches Handeln in Bezug auf Israel und Palästina, während die letzten fünf Punkte sich Beispielen widmet, die im gleichen Themenfeld nicht per se antisemitisch sind.