„Patrioten gegen Hitler.“ Unter diesem Titel hat die „Junge Freiheit“ zum 75. Jahrestag des Attentates auf Hitler am 20. Juli1944 ein Sonderheft herausgebracht. „Würdig gedenken“ möchte JF-Herausgeber Dieter Stein dieses Jahrestages. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil Würde angesichts einer allgegenwärtig zur Schau getragenen Primitivität und Dummheit eine aus der Zeit gefallene Werthaltung zu sein scheint.
Karlheinz Weißmann beginnt den Reigen der Artikel mit einer Gesamtschau des Widerstandes gegen Hitler. Sein Hauptaugenmerk ist auf die preußischen und konservativen Widerständler gerichtet, was thematisch bedingt ist und keineswegs anders motivierten Widerstand gegen das NS-Regime abwerten soll. Es ist das große Verdienst des Sonderheftes, daß es sich im wesentlichen auf die Biographien der am Attentat Beteiligten stützt. Damit ist Wissenschaftlichkeit in der Methodik gut vereinbar mit der Lesbarkeit aller Texte auch für Nichthistoriker bzw. interessierte Laien. Mit eigenen Kurzbiographien werden bedacht: Stauffenberg, Goerdeler, Tresckow, Schulenburg, Beck, Leber, Hassell, Moltke, Haushofer, Schrader, Delp und Bonhoeffer.
Jede Biographie verdeutlicht die Vielgestaltigkeit der Motive zum Widerstand gegen das NS-Regime. Aber allen gemeinsam ist die Frage nach der moralischen Rechtfertigung des Tyrannenmordes. Welche Ethik, welche Werte und Normen hinter den individuellen Entschlüssen zum Widerstand standen, erfährt der Leser der Lebensläufe eher beiläufig, aber dafür um so eindringlicher. Weißmann stellt den „Eid“ der Verschwörer vor, einem selbst Historikern kaum geläufiges Selbstzeugnis Stauffenbergs. Von diesem konzipiert und von dessen Freund Rudolf Fahrner ausformuliert, verdichtet sich hier das Ethos eines Großteils der genannten Verschwörer:
„Wir glauben an die Zukunft der Deutschen.“
Der Text wirkt teilweise pathetisch, teilweise verschlüsselt. Dennoch – er ist ein Monument preußisch-deutschen, in der einen Persönlichkeit sich verdichtenden Denkens. Er fordert den Leser auf, die Barrieren der Zeit zu überwinden und das Zeitlose selbst zu entdecken.
Weitere, zwischen die Biographien eingestreute Artikel betreffen die politische Wertung des Attentates („Dem Staat bis heute fremd“ von Torsten Hinz und „Digitalisierte Deutungsversuche“ von Oliver Busch), eine Tageschronologie des 20. Juli 1944 und ein „Was wäre wenn“-Artikel von Stefan Scheil.
Im Laufe der Jahre hat die „Junge Freiheit“ mehrfach Interviews mit Zeitzeugen rund um das Attentat, die in einem Kapitel im Auszug wiedergegeben sind, geführt. Treue JF-Leser wissen, daß hier ein Herzensanliegen des Herausgebers Dieter Stein mitschwingt, das Bewußtsein um die tiefere Bedeutung jenes Attentates der Nachwelt zu überliefern. Die sorgfältige Gestaltung und der Kanon der Beiträge des Sonderheftes verraten auch hier die ordnende Hand des Herausgebers.
Den stärksten Eindruck hinterlassen die ethischen Motive der Verschwörer. Man kann über sie mit der Arroganz der Nachgeborenen zu Gericht sitzen, wie es die politische und mediale „Elite“ Merkel-Deutschlands praktiziert. Wer im Wohlstand geboren ist und sich niemals auf Leben und Tod vor die existentiellen Fragen des Lebens gestellt sah, sollte mit seinen Urteilen sehr, sehr bedachtsam umgehen. Es ist die Leichtfertigkeit im Umgang mit dem geistigen Erbe der Verschwörer des 20. Juli, welche uns eingangs von der vorherrschenden Primitivität und Dummheit sprechen ließ. Das historische Erbe auch der preußisch-deutschen Vergangenheit scheint mehr und mehr unter dem Schutt des Tausendjährigen Reiches begraben zu werden. Die Trümmerhaufen in den Städten sind längst beseitigt, die geistigen Trümmer warten noch immer darauf, beiseite geräumt zu werden. Dieses Heft kann einen Beitrag dazu leisten. (E. Noldus)
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