Ist es richtig, politisch interessierte Jugendliche als „Kinder“ zu bezeichnen? Oder vielmehr gerechtfertigt? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es wohl nicht. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20220603b_Anm_Polittalk

Am 5. 5. 2022, also genau zehn Tage vor der Landtagswahl, hatte das Bertha-von-Suttner-Gymnasium zu seinem traditionellen Polittalk geladen. Im Gegensatz zur Veranstaltung im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 waren AfD-Vertreter dieses Mal nicht eingeladen worden.

Die ideologische Ausrichtung des „Bertha“ ist seit jeher linkslastig und das wird stolz in vielerlei Hinsicht vorgezeigt:

Veranstaltungen über „geschlechtergerechte Sprache“ und über „Alltagsrassismus“ gehören dazu. Eine eigens konzipierte Demokratiepädagogik sorgt dafür, daß „das Bertha ‚Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage‘ ist und so die Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen und antidemokratischen Einstellungen und Verhaltensweisen zum Thema gemacht wird.“

Wo diese „menschenfeindlichen und antidemokratischen Einstellungen und Verhaltensweisen“ zu suchen sind, zeigt der „demokratie-pädagogische Schwerpunkt“: AG Demokratie aktiv (ehemals Antifa-AG), Rock gegen Rechts, Ausstellungen gegen Rechts, Erlernen demokratischen Sprechens, Polittalk.

„Erinnern der Vergangenheit für die Zukunft“ beinhaltet Breendonk-Fahrt, Stolpersteine, Kooperation Gedenkhalle und Sally Perel Besuch.

Der biodeutsche Nachwuchs wird mit historisch begründeten Schuldkomplexen belastet und politisch auf Vordermann gebracht. Seltsamerweise macht der Alltagsrassismus vor der weißen Lehrerschaft Halt und die ideale Gesellschaft bleibt vor der Türe des Lehrerzimmers. Wir schlagen vor, daß das „Bertha“ auch dort mit seinem Anspruch, Schule ohne Rassismus zu sein, ernst macht und die Hälfte der weißen Lehrer durch Schwarze ersetzt.

Was den Polittalk betrifft, so fehlte in diesem Jahr auch eine Videoaufzeichnung, die sicherlich manches wichtige Detail zutage gefördert hätte. So bleibt nur der WAZ-Bericht vom 5. 5. 2022, in dem es über Norbert Axt (GRÜNE) heißt:

„Er trat allerdings ordentlich ins Fettnäpfchen, als er beim Thema Klimaschutz in Lehrer-Manier die Schüler anging: ‚Ich will nicht wissen, wie viele von Ihnen mit dem Auto zur Schule gebracht werden.‘“

Warum „Fettnäpfchen“ und „Lehrermanier“? Weil Herr Axt den Fehler machte, die durch Wohlstand gesättigten Jugendlichen konkret an ihren eigenen Ansprüchen zu messen?

Eine Sonderrubrik „Ukraine“ auf der Internetseite der Schule nimmt nur die Perspektive der geflüchteten bzw. vertriebenen Ukrainer auf und beschäftigt sich mit dem humanitären Engagement der „Berthaner“. Natürlich ist jenes Engagement wertvoll, aber warum klammert man Fragen aus, die dem „demokratie-pädagogischen Schwerpunkt“ unbequem werden?

Der Selbstbehauptungswille der Ukrainer ist vergleichbar mit jenem der Finnen, die im Winterkrieg 1939/40 vom ersten Tage an wußten, daß sie nicht gewinnen konnten, die aber trotzdem um ihre nationale Existenz gekämpft haben und deshalb – man kann das allerdings nicht beweisen – das Schicksal Ostmitteleuropas nach dem Zweiten Weltkrieg nicht erleiden mußten.

Wie würde sich die deutsche Jugend im Falle eines Angriffes verhalten? Wer würde dieses Land verteidigen, „das beste Deutschland, das wir je hatten“ – um den Bundespräsidenten zu zitieren. Die erbärmlichen Debatten um einen Bundeswehr-Anlaufpunkt im Centro lassen erahnen, daß man den „Rechten“, den „Rassisten“, den „Nazis“ und überhaupt den Idioten das Sterben für Deutschland überließe und selbst im warmen Wohnzimmer sich in moralischer Entrüstung gefiele…

Die durch einen allgemeinen Wohlstand beförderte geistige Verwahrlosung bedeutet, daß sie unfähig macht, die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu erkennen: ein Dach über dem Kopf, ein Tisch, ein Bett, ein warmes Essen. Stattdessen kleben sich die fortschrittlich Gesinnten auf den Straßen fest, weil sie bar aller Existenzsorgen sich in Utopien flüchten können – geistige Verwahrlosung allenthalben.

Auch das „Bertha“ bildet Schüler heran, die nichts anderes gelernt haben, als mit ideologischen Scheuklappen auf die Welt zu schauen. „Fridays for Future“ und „Klimawandel“ sind die Themen, die das kindliche Gemüt beherrschen. Wenn der Meeresspiegel jedes Jahr um 4,5 Millimeter steigt, ist das katastrophal und deutet auf den Weltuntergang. Wenn aber – wie augenblicklich – in Mülheim und Düsseldorf 2400 Arbeitsplätze in der Schwerindustrie bis Ende 2023 verloren gehen, ist das unwichtig. In der Tat ist es für die Lehrer unwichtig, ob sie die Kinder von Arbeitslosen oder Berufstätigen unterrichten. Und sie – die Lehrer selbst – sind vom Aus für Vallourec nicht betroffen; dafür bleibt dann Zeit, dem Alltagsrassismus nachzuspüren.

Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die Wirklichkeit auch in das ideologisch verformte Gemüt eindringt. Das erste Anzeichen sind Widersprüche, die plötzlich auftauchen; sie lassen sich zwar beiseite schieben, aber sie sind trotzdem da.

Lokalredakteur Szymaniak berichtete am 30. 9. 2021 für die WAZ über den Polittalk am „Bertha“ im Vorfeld der Bundestagswahl.1 Der Artikel ist bereits seinerzeit einer ausführlichen Betrachtung unterzogen worden, so daß hier nur auf folgenden Punkt hinzuweisen ist: Herr Szymaniak hatte im Vorfeld offenbar die Veranstalter angeschrieben und diese von den „Manipulationsvorwürfen“ des AfD-Vertreters – die nie erhoben worden sind – in Kenntnis gesetzt. Es besteht immerhin der begründete Verdacht, daß er eine scharfe Reaktion seitens der Polittalk-Veranstalter provozieren wollte, um „Material“ für einen seiner üblichen Tendenzartikel zu bekommen.

Als Reaktion auf den WAZ-Artikel vom 30. 9. 2021 schrieb Herr Noldus zwei Briefe, um die Angelegenheit zu klären. Zunächst am 4. Oktober an die WAZ-Lokalredaktion. Dieser Brief wurde weder veröffentlicht noch rief er irgendeine Reaktion hervor:

„Sehr geehrte Lokalredaktion!

Der Artikel von Herrn Szymaniak enthält unwahre Behauptungen:

  1. Allein Herr Szymaniak nennt die GRÜNEN „Lieblingsfeinde der AfD“. Wir sprechen höchstens von „Gegnern“; alles andere ist eine Unterstellung.

  2. AfD-Plakate wurden regelmäßig entfernt oder zerstört. Der AfD-Kandidat Olaf Wilhelm wurde bis auf eine Ausnahme nicht zu Veranstaltungen eingeladen. Das sind Tatsachen, nicht nur Meinungen.

  3. Frau Tayfur hat das fragliche Gespräch mit Herrn Wilhelm geführt. Herr Szymaniak interpretiert vom Hörensagen.

  4. Herr Wilhelm hat die beim Bertha-Polittalk erzielten 3 Prozent für die AfD mit Blick auf das gleiche CDU-Ergebnis als „nicht real“ bezeichnet – mehr nicht.

  5. Die Bertha-Schüler der Demokratie AG haben die Unterstellung einer Manipulation der Polittalk-Wahlergebnisse zurückgewiesen; und: „Die Behauptung ist eine Frechheit.“

    Herr Wilhelm hat derartiges nie behauptet. Vielmehr stellt Herr Szymaniak an einer Stelle seines Artikels diese Behauptung auf, um sie an anderer Stelle als „indirekt formulierte Vorwürfe“ wieder zurückzunehmen.

Durch diese unwahre Behauptung sind die Schüler der Demokratie AG manipuliert und zu einer inhaltlich falschen Stellungnahme verleitet worden. Darüber hinaus fühlen sie sich nicht ernst genommen (Herr Wilhelm hätte ihnen nach dem Munde geredet). Diese Fehleinschätzung liegt einfach daran, daß die Realität der AfD Oberhausen nicht mit dem medial vermittelten Bild übereinstimmt.“

Ergänzend dazu schrieb Herr Noldus am 5. 10. 2021 direkt an die Leiterin (Organisatorin ?!) der Demokratie AG Frau Kindermann u. a.:

„Ich habe in meiner Eigenschaft als 2. Sprecher des AfD-Kreisverbandes Oberhausen in einem Leserbrief Stellung genommen zu dem beigefügten Artikel des Herrn Szymaniak vom 30. 9. 2021 (Anhänge).

In diesem Artikel behauptet Herr Szymaniak u.a., Herr Wilhelm hätte in einem Gespräch den Organisatoren der Demokratie AG Manipulation der „Wahlergebnisse“ nach dem Polittalk vorgeworfen.

Ich habe mich u.a. bei Herrn Wilhelm durch persönliche Rücksprache versichert, daß das nicht der Fall gewesen ist. Das fragliche Gespräch ist von Frau Tayfur [WAZ-Mitarbeiterin] geführt worden. Weshalb Herr Szymaniak den Artikel für Frau Tayfur geschrieben hat und also nur vom Hörensagen berichtet, entzieht sich unserer Kenntnis.

Es wäre für die Verfasser der Bertha-Mail an die WAZ (siehe Artikel) ein leichtes gewesen, sich durch eine Anfrage an uns über den wahren Sachverhalt zu informieren bzw. Herrn Wilhelm Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.

Aus dem in der WAZ zitierten Wortlaut der Bertha-Mail geht hervor, daß Herr Szymaniak offenbar Herrn Wilhelm Manipulationsvorwürfe unterstellt hat.

Nach unserer Auffassung hat er dadurch die Schüler manipuliert, um sie zu einer unsachlichen Antwort zu provozieren. Ich bitte Sie daher auch um Weiterleitung dieses Schreibens an die Verfasser der genannten Mail.

Auf der Internetseite des Kreisverbandes https://afd-oberhausen.de/ wird noch ein Bericht über den Polittalk im Zusammenhang mit o.g. Artikel erscheinen. Ungeachtet etwaiger negativen Reaktionen von Ihrer Seite werden wir bei unserer ursprünglichen, positiven Bewertung, was Organisation, Durchführung und vor allem Moderation angeht, bleiben und das dort auch zum Ausdruck bringen.“

Bis auf eine Eingangsbestätigung ist seitens der angesprochenen Schülerschaft keine Antwort erfolgt. Wenn man unsererseits lediglich darauf hinweist, daß man – audiatur et altera pars – auch hätte gehört werden können, ist das schon zu viel verlangt. Ein Zuviel an geistiger Unabhängigkeit und Offenheit, sich selbst ein Urteil zu bilden. Letzteres gehört offenbar nicht zum „demokratie-pädagogischen Schwerpunkt“ des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums.

Es gab drei Punkte, bei denen der AfD-Vertreter Olaf Wilhelm nicht ganz den Erwartungen entsprach: Am 10./11. 4. 2021 hatte der AfD-Bundesparteitag in Dresden mit Mehrheit den Austritt Deutschlands aus der EU befürwortet. Wilhelm tat sich erkennbar schwer damit und sprach von seiner „persönlichen Meinung“, die EU bzw. deren Institutionen stattdessen demokratischer zu machen.

Bei der Debatte um den Ausbau des Autobahnkreuzes Sterkrade kam es dann zum „Eklat“: Zunächst stellte Herr Wilhelm fest, daß der Autobahnausbau wegen des LKW-Verkehrs, nicht wegen der Autofahrer, erfolge. Es sei viel wichtiger, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, dann gäbe es auch weniger Staus. Dann konstatierte er, der Klimawandel sei da. Die damit verbundenen Wetterphänomene werden stärker werden. Die Stadt der Zukunft habe eine „Schwammfunktion“, sei also nicht massiv versiegelt (in bezug auf Starkregen). Dann gehe es um den Wärmeaustausch Stadt – Land; das seien rein naturwissenschaftliche Sachen. Die Politik müsse viel rationaler denken, weniger ideologisch. Und jetzt der Eklat: Herr Wilhelm lobte den SPD-Vertreter Vöpel:

„Und es ist leider gerade auch bei Ihnen sehr viel Ideologie dabei. Das ist sehr traurig, weil viele Ansätze sind ja gut.“ – „Sind Sie sicher, daß Sie in der AfD sind? [V] – „Ja, aber ganz sicher. [Kopfschütteln bei Vöpel]. Ich stehe voll und ganz dahinter.“ [W] –

„Ja, habe ich aber, ganz ehrlich, also auch auf die Gefahr hin, mich bei den Moderatoren jetzt noch unbeliebter zu machen: Aber bis jetzt haben Sie noch nichts gesagt, was mit dem Parteiprogramm der AfD aus meiner Sicht und mit dem Erlebten der letzten vier Jahre in Einklang zu bringen ist. Sie erzählen sinnvollerweise von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die werden im Bundestag permanent bestritten. Also ich verstehe es nicht [Achselzucken Wilhelm]. Ich habe vor vier Jahren auch mit einem Kollegen von der AfD hier diskutiert, der nach einem Jahr gesagt hat: ‚Mit den Verrückten möchte ich nichts zu tun haben‘ und die Fraktion verlassen hat…“2 – „Den Begriff ‚Verrückte‘ verbitte ich mir hier.“ – „Ja, gut.“ [V ] – „Bischen mehr Benehmen bitte!“ [W] – „Ich habe schon den Eindruck…“ [V] – „Die SPD hat ja ’nen proletarischen Hintergrund…“ [W] „Die SPD hat Erfahrung mit Verrückten, keine Frage, aber mit dem Programm [der AfD] hat es bis jetzt nichts zu tun gehabt“ [V].

Die Freigabe von Cannabis wurde allein von der CDU-Vertreterin Dött (CDU) abgelehnt, während sich auch Herr Wilhelm dafür aussprach: „Auch wenn Herr Vöpel mich gleich wieder angreifen wird…“ – „Angreifen? Ich habe Sie darauf hingewiesen, daß Sie in der falschen Partei sind!“ – „Das mag ja sein, aber…“ [Gelächter].

Das eigentliche Problem für die fraglichen Bertha-Schüler, die wir nach wie vor als Opfer einer Manipulation sehen, besteht in dem offenbar für sie unauflöslichen Widerspruch zwischen Ideologie (das über die AfD Gelehrte bzw. in den Leitmedien vermittelte Bild) und Realität (das tatsächlich Erlebte). Laut besagtem WAZ-Artikel hatten die Veranstalter folgenden Eindruck:

„Die Diskussionen nach dem Polittalk in unseren Kursen und auch untereinander auf dem Schulhof haben gezeigt, dass wir uns größtenteils nicht ernst genommen gefühlt haben vom Auftreten der AfD beim Talk. Herr Wilhelm schien die Strategie zu verfolgen, fast nur Aspekte zu äußern, die nicht im Parteiprogramm der AfD stehen, um so vermutlich besser bei uns anzukommen und viele Stimmen bei der Abstimmung nach dem Polittalk zu bekommen.“

In diesem Jahr hat man diesen Widerspruch aufgelöst, indem ein AfD-Vertreter erst gar nicht eingeladen worden ist.

2 Anspielung auf Uwe Kamann, von dem der Verfasser eine eigene Meinung hat.