Eine etwas eigentümliche Erscheinung in der Kommunalpolitik ist die immer wiederkehrende Beobachtung, daß scheinbar unwichtige Routinepunkte in Wahrheit einen eminent wichtigen Hintergrund besitzen. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20230922b_HFA-Sitzung_20230918

Ein trockener Bericht.

Punkt 2 der Tagesordnung „Berichte aus den Dezernaten“ wird oft mit der Bemerkung „Es liegt kein Bericht vor.“ abgeschlossen. In der letzten HFA-Sitzung gab es einen kurzen, aber um so wichtigeren Bericht des Stadtkämmerers Tsalastras (SPD).

Dieser informierte darüber, daß die Landesregierung beschlossen habe, die Altschuldenregelung von 2024 auf 2025 zu verschieben; eine solche träte dann erst ab dem 1. 1. 2025 in Kraft. Er habe gezögert, den Haushaltsentwurf für 2024 im September einzubringen, obwohl das möglich sei. Die Landesregierung habe allerdings Änderungen im Haushaltsrecht angekündigt. Er als Stadtkämmerer habe es daher für geboten gehalten, den Haushaltsentwurf für 2024 erst im November einzubringen. Die Ministerin [für Heimat usw.] Scharrenbach habe erklärt, keine Kommune an den Pranger zu stellen, wenn der Entwurf erst im November eingebracht werde. Also werde der Entwurf für den Haushalt 2024 erst zur Ratssitzung am 13. 11. 2023 eingebracht. Die Verabschiedung des Haushalts erfolgt dann am 5. 2. 2024.

Das Haushaltssicherungskonzept werde parallel zum Entwurf vorgelegt; damit sei eine umfängliche Beratung möglich. Insgesamt habe der Rat damit genug Zeit, sich mit dem Haushalt zu befassen.

Im letzten Jahr hatte der HFA am 7. 11. 2022 den Haushalt vorberaten; wir berichteten seinerzeit ausführlich darüber. Vier kurzfristig eingereichte Änderungsanträge, formal korrekt eingebracht, hatten die Frage aufgeworfen, wie man sehr komplexe, den städtischen Haushalt betreffende Fragen, unter diesen Umständen sachgemäß debattieren könne. Denn bereits am 14. 11. 2022 sollte der Rat darüber entscheiden.

Vielleicht mag die Erinnerung daran auch ein Beweggrund für den Stadtkämmerer gewesen sein, die Vorberatung eben nicht im September anzusetzen. Zweifellos von größerem Gewicht sind seine genannten Motive. Die NRW-Landesregierung rechnet mit sinkenden Steuereinnahmen bei gleichzeitig ansteigenden Kosten im Sozialbereich (durch wen wohl verursacht?), so daß die Kommunen für 2024 sowohl mit steigenden Gewerbesteuern „drohen“ bei gleichzeitiger Verminderung sog. „freiwilliger Leistungen“.

Gerade am gestrigen Tage (22. September) hat Eckhard Ruthemeyer (CDU), Präsident des Städte- und Gemeindebundes (StGB) NRW sowie Bürgermeister von Soest, im Landtag dem Ministerpräsidenten Wüst einen von über 350 Bürgermeistern unterschriebenen „Hilferuf“ überreicht. Ruthemeyer wird in den Medien wie folgt zitiert:

„Während die Steuereinnahmen stagnieren und Bund und Land Zuweisungen kürzen, explodieren die Kosten für Sachaufwendungen und Personal sowie die Versorgung von Geflüchteten. Zusätzlich konfrontieren Bund und Land die Städte und Gemeinden mit neuen Aufgaben wie etwa dem Rechtsanspruch auf Ganztag, ohne die nötigen Mittel bereitzustellen.“

Hinter dem dürren „Berichte aus den Dezernaten (mündlich)“ verbirgt sich also das Eingeständnis einer katastrophalen Lage der Kommunalfinanzen; und Oberhausen spielt – leider – hierbei ganz oben mit. Die Hilf- und Tatenlosigkeit der CDU-geführten Landesregierung geht einher mit einer verantwortungslosen Ausgabenpolitik des CDU-Oberbürgermeisters hier.

Humoristisches Zwischenspiel.

Unter Punkt 6 wurde eine Prise subtilen Humors geboten. Eine „Änderung des Wasserkonzessionsvertrages“ (B/17/3917-01) wurde gegen die Stimmen der LINKEN positiv vorberaten. Deren Vertreter Karacelik fragte nach, warum Oberhausen nicht ein eigenes Wasserwerk besitze, wo doch andere Kommunen daran gingen, Wasserwerke wieder in den städtischen Besitz zu überführen. Der Oberbürgermeister erklärte dazu, daß er die Entscheidung über Erwerb oder Nichterwerb der Politik überlasse und verwies darauf, mit der Leistungserbringung in den letzten hundert Jahren sei man bisher recht gut gefahren.

Die Rolle der Ausschüsse und das Problem der Kontrolle.

Unter Punkt 17 (Vorlage B/17/3708-01) gab es eine längere Debatte über 80.000 € an Einsparungen im Bereich der Jugendhilfe. Die von der Jugendhilfe bisher geleisteten Anteile an der „verläßlichen Ferienbetreuung“ sollen nun in den Fachbereich Schule – Offener Ganztag überführt werden. Insgesamt stellt die Stadt eine Million Euro zur Verfügung, was nach den Worten des Stadtkämmerers einen enormen Anstieg der Ausgaben bedeutete, die ihm – als Stadtkämmerer – natürlich weh täten.

Die Debatte kreiste zunächst um eine Beschwerde von Frau Opitz (GRÜNE), die auf folgendes hinwies: Nach § 3 Absatz 2 der Satzung der Stadt Oberhausen für das Jugendamt habe der Jugendhilfeausschuß Beschlußrecht in Angelegenheiten der Jugendhilfe. Der Jugendhilfeausschuß als der zuständige Fachausschuß solle vorberaten, da auch „eingesparte Mittel“ dazu gehören. Sie stelle daher den Antrag, die Vorlage bis zur nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses zurückzustellen.

Der Beigeordnete Schmidt erklärte, daß der Fachbereich 3-1-50 80.000 € als Umleitung aus dem Jugendhilfe-Bereich in den Bereich zur Finanzierung der Ferneinspiele erhalte. Die Träger der Ferienspiele sollen das Geld für ihre Personalplanungen frühzeitig erhalten. Wenn man diese Vorlage erst Ende November 2023 behandele, sei es dafür zu knapp.

Frau Opitz (GRÜNE) erklärte nochmals kurz, daß der Jugendhilfeausschuß ein Recht darauf habe, gehört zu werden und der Beigeordnete Schmidt wiederholte, daß das Geld nicht weg sei, sondern für den offenen Ganztag / Ferienspiele bereitgestellt werde.

Stadtkämmerer Tsalastras erklärt, man habe die Mittel massiv erhöht. Diese seien vorher im Jugendbereich bereitgestellt worden, jetzt im Schulbereich. Damit erhöhe man massiv die Beträge für die Ferienspiele. Als Stadtkämmerer tue dies ihm allerdings weh.

Herr Karacelik (LINKE) sprach sich für eine Senkung der Elternbeiträge aus, während der CDU-Vertreter Rubin darauf hinwies, hier gehe es nicht nur um Planungssicherheit für die Träger,sondern auch um Planungssicherheit für die Eltern. Daher wollte er die Vorlage jetzt vorberaten und nicht in die nächste Sitzung des Jugendhilfeausschusses schieben.

Der Beigeordnete Schmidt erklärte mit Bezug zum Redebeitrag des Herrn Karacelik, wenn man hier Satzungsfragen ins Spiel bringe, müsse man die Elternbeitragssatzung insgesamt durchgehen.

Frau Opitz (GRÜNE) fragte, wenn die Angelegenheit – siehe Herrn Rubin – so dringlich sei, warum habe man sie nicht vor den Sommerferien im Jugendhilfeausschuß beraten.

Der Oberbürgermeister wies darauf hin, daß es ohne eine Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses im Juli nicht gegangen wäre. Er halte das für einen etwas zu hohen Aufwand. Daraufhin Frau Opitz: Warum nicht [eine Sondersitzung]?

Nachdem Frau Stehr (CDU) die Planungssicherheit zum hohen Gut erklärt hatte, kündigte der Oberbürgermeister die Einberufung einer Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses noch in der laufenden Woche an, um die Vorlage in der nächsten Ratssitzung am 25. September verabschieden zu können.

Hinweis: Die Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses hat am 20. September stattgefunden.

Hinter dieser längeren Debatte um einen vergleichbar unwichtigen Punkt – der Umbuchung von 80.000 € in einen anderen Fachbereich – steht die Kritik an der Umgehung der Fachausschüsse durch mangelhafte Terminplanung oder durch Nichteinberufung von Sondersitzungen. In die gleiche Richtung geht die Kritik an Dringlichkeitsentscheidungen des Oberbürgermeisters, die ja ebenfalls in den Fachausschüssen nicht vorberaten, sondern nur vom Rat nachträglich gebilligt werden. Es handelt sich eine maßgeblich von den GRÜNEN immer wieder vorgetragene Grundsatzdebatte, bei der die AfD in der Sache selbst ebenfalls zustimmt.

Unter Punkt 19 der Tagesordnung wurde eine Vorlage gegen die Stimmen der AfD positiv vorberaten, bei der es um die Einrichtung von zwei halben Stellen im Bereich der Museumspädagogik (B/17/3942-01) geht. Sowohl Frau Gödderz (GRÜNE) als auch Herr Hoff (FDP) kritisierten, daß die Vorlage im Kulturausschuß hätte vorgelegt werden müssen. Kulturdezernent Tsalastras wollte „die Vorlage jetzt vorberaten, um die Stellen möglichst schnell [im Oktober?!] umwandeln zu können.“

Wir sehen hier ein typisches Vorgehen, indem wegen eines angeblich bestehenden Zeitdruckes die fachliche Debatte im Ausschuß umgangen wird. Damit führt man, nebenbei gesagt, das ganze auf die Vorberatung ausgerichtete System der kommunalen Entscheidungsfindung ad absurdum. An dieser Art der Amtsführung wird sich so lange nichts ändern, wie nur die AfD bereit ist, die Kritik an derartigen Methoden auch in tatsächlichen Nein-Stimmen umzusetzen.

Nebenbei gesagt: Die Beratungsfolge der Vorlage sollte durch eine nachträgliche Kenntnisnahme im Kulturausschuß ergänzt werden. Pure Kosmetik!

SPD: Privilegien müssen sein!

Unter Punkt 22 wurde die Einführung eines bezuschußten Deutschland-Tickets als Jobticket (B/17/3901-01) gegen die Stimmen der AfD positiv vorberaten. Wir sehen nicht ein, warum städtische Mitarbeiter, die über das Privileg eines sicheren Arbeitsplatzes verfügen, mit weiteren Privilegien in Form einer Rabattierung (34,30 € statt 49 €) bedacht werden müssen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir gönnen jedem einen sicheren Arbeitsplatz, aber in einer Zeit, wo durch die systematisch betriebene Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze durch die Ampelregierung die Belastung der Arbeitnehmer durch die Sozialabgaben noch steigen wird, halten wir eine Bezuschussung zugunsten einer arbeitsrechtlich privilegierten Minderheit für unzulässig.

Frau Bongers als Vertreterin der SPD machte durch ihren Wortbeitrag deutlich, auf welche Irrwege sich die traditionsreichste deutsche (Arbeiter-) Partei inzwischen begeben hat: Sie jammerte, daß die Bezuschussung als Möglichkeit für Bundesbeamte existiert, nicht aber für die Landesbediensteten. Die Landesregierung sei nicht in der Lage, hier eine Regelung zu schaffen, die auch die Landesbeamten einbeziehe.

LINKE-Vertreter Karacelik forderte für Menschen mit wenig Geld bzw. für Bezieher von Bürgergeld dieselben Vergünstigungen. Zur Finanzierung seines Vorschlages äußerte er sich nicht.

Anliegerbeiträge.

Unter Punkt 24 gab es zum „Ausbau der Straße Am Schacht IV“ (B/17/3723-01) anläßlich einer „außerplanmäßigen Mittelbereitstellung“ eine längere Debatte über die möglichen finanziellen Belastungen für die Anlieger. Bis zur Ratssitzung (25. September) soll die Verwaltung ihre bisherigen Berechnungen präzisieren.

Die geschätzten Ausbaukosten von 1,7 Mio. € verringern sich, da das Regenrückhaltebecken doch nicht notwendig ist; so der Baudezernent Dr. Palotz. Die Verwaltung rechnet für die betroffenen Eigentümer mit Anliegerabgaben in Höhe von 1.500 €. Im Mai 2022 wurde für die KLG Projektentwicklungsgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Stadt macht einen „beitragsfähigen Aufwand“ geltend, der zusätzlich zu den von KLG zu erbringenden Leistungen entsteht. Zur Zeit befindet sich die Stadt in Verhandlungen mit einem Bürgen über die Inanspruchnahme der Bürgschaft in Höhe von 0,6 Mio. €. Die Verwaltung soll berechnen, welche zusätzliche finanzielle Belastung auf die Eigentümer zukommt, falls der Bürge nicht zahlen muß.