Erstmals fand eine Ratssitzung im neuen (alten) Ratssaal statt. Eine weitere Neuerung bestand in der filmischen Aufnahme des gesamten öffentlichen Teils der Sitzung. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20231006b_Rat_20230925_02

Verwaltungsvorlagen-Routine.

Der erste Teil der Tagesordnung wird oft von Inhalten bestimmt, die einen unpolitischen, verwaltungsmäßigen Charakter haben. Wortbeiträge oder Debatten gibt es in der Regel nicht.

In der Ratssitzung vom 25. September gab es diese Art von Vorlagen vor allem im ersten Teil der Tagesordnung. Ohne Wortmeldungen erfolgten jeweils einstimmig

  • die Nach- und Neubesetzung im Beirat für Menschen mit Behinderung (B/17/3821-01) unter TOP 4 (einstimmig);

  • die Kenntnisnahme der Prüfungsergebnisse des Rechnungsprüfungsausschusses zum Jahresabschluß zum 31. 12. 2021 (B/17/3678-01) unter TOP 5 (gegen die Stimmen der AfD);

  • die Billigung des veränderten Wirtschaftsplans des Stadttheaters – Spielzeit 2023/2024 (B/17/3810-01) unter TOP 6 (einstimmig); und

  • die Änderung des RWW-Wasserkonzessionsvertrages (B/17/3917-01) unter TOP 8 (gegen die Stimmen der LINKEN).

Weitere Vorlagen – ohne Wortmeldungen behandelt – mit einem ähnlichen Charakter waren

  • die Billigung von Ermächtigungsübertragungen gemäß § 22 Kommunalhaushaltsverordnung NRW (KomHVO): Grundsätzliche Regelungen über Art, Umfang und Dauer der Ermächtigungsübertragungen (B/17/3924-01) unter TOP 13 (gegen die Stimmen der AfD); und

  • die Abberufung eines Rechnungsprüfers (B/17/3534-01) unter TOP 24.

Ein Beitrag mit Resonanz.

Unter TOP 7 sollte die Entlastung der Organe der Stadtsparkasse für das Geschäftsjahr 2022 erfolgen. Der AfD-Stadtverordnete Kempkes nutzte die Vorlage B/17/3939-01 als Aufhänger für eine Rede mit kritischen Anmerkungen zum Geschäftsgebaren der Sparkasse und begründete die Ablehnung der Entlastung wie folgt:

Die Sparkasse sei einer der größten Schuldner der Stadt, die ihren Gewinn unter anderem aus der Differenz zwischen lächerlichen Sparzinsen und überhöhten Kreditzinsen ziehe. Selbst die Sparkasse Duisburg schneide da relativ besser ab. Wer bei einer Inflation von ca. 6% eine Tagesgeldverzinsung von 0,7% anbiete, beteilige sich aktiv an der Enteignung der eigenen Kundschaft.

Mit dem Gewinn würden oft fragwürdige Immobilienprojekte finanziert oder „scheinbare Wohltaten“ im sozialen, kulturellen oder sportlichen Bereich. Allerdings finde die Finanzierung real durch die Sparkassen-Kunden statt.

Aus diesem Grunde erteile die AfD auch der Idee, die Sparkasse in stärkerem Maße am Defizit des städtischen Haushaltes zu beteiligen, eine Absage.

Richtig sei hingegen eine allgemeine Kaufkraftvermehrung durch gesteigerte Sparzinsen und abgesenkte Kreditzinsen. Das diene nicht nur der regionalen Marktbelebung, sondern folge auch dem Gerechtigkeitsempfinden der Stadtgesellschaft.

Zum Text der Rede siehe Anlage 1.

Weitere Wortmeldungen erfolgten nicht. Der Rat beschloß die Entlastung bei Enthaltung der LINKEN gegen die Stimmen der AfD.

In der WAZ vom 28. 9. 2023 äußerte sich Lokalredakteur Szymaniak verwundert über den Tenor der Rede, „war man es bisher doch gewohnt, daß die Linken das Geschäftsgebaren von Geldinstituten als ‚Auswuchs des weltweiten Finanzkapitalismus‘ brandmarken.“ Er war offensichtlich darüber irritiert, daß der Stadtverordnete Kempkes den operativen Gewinn der Sparkasse rhetorisch als „Beute“ deklarierte.

Mit der typischen Übersteigerung „weltweit“ ist es nun so eine Sache. Ebenso mit dem von Szymaniak unterstellten „erstaunlich harschen Tonfall“; online mit einem historischen WAZ-Artikel vom 6. 1. 2022 durch Verlinkung „belegt“.

Diese journalistischen Kunstgriffe sollten überspielen, daß Szymaniak keine inhaltlichen Schwächen in der Rede des AfD-Fraktionsvorsitzenden, den Lesern als Betriebswirt vorgestellt, ausmachen konnte. Der Vorstand der Sparkasse ließ gegenüber der WAZ verlauten, daß Vergleiche mit zeitlich begrenzten Lockangeboten nicht zielführend seien. Das sollte offenbar die Antwort auf den wenig schmeichelhaften Vergleich mit der Duisburger Sparkasse darstellen.

Eine Übung in Demokratie.

Die Entsendung eines Vertreters in die Gesellschafterversammlung der Wissenschaftscampus NRW gGmbH WICA (B/17/3747-01) unter TOP 9 rief den AfD-Fraktionsvorsitzenden Kempkes auf den Plan. Dieser stellte nach dem Aufrufen des Punktes der Tagesordnung fest, daß es sich um eine Wahl handele und schlug Herrn Lange (AfD) als Kandidaten vor. Gleichzeitig beantragte er eine geheime Wahl.

Der Oberbürgermeister schlug seinerseits vor, diesen Punkt zurückzustellen, um zunächst zu klären, ob es sich um eine Wahl oder um eine Abstimmung handelte. Der Rat billigte den Vorschlag, zunächst in der Tagesordnung fortzufahren.

Nach TOP 14 gab der Oberbürgermeister zu Punkt 9 der Tagesordnung bekannt, daß es sich bei der Entsendung um eine Wahl handelte. Der Rat billigte den Vorschlag, während der Vorbereitung der Wahl in der Tagesordnung fortzufahren.

Nach TOP 25 stellte der Oberbürgermeister fest, daß die Wahlvorbereitungen abgeschlossen seien. Er bat jede Fraktion bzw. Gruppe um die Entsendung eines Mitgliedes in die Zählkommission. Da bei den LINKEN Herr Karacelik und Frau Marx fehlten, war die Kommission um eine Person kleiner als sonst. Danach rief der OB die Fraktionen usw. in der Reihenfolge ihrer Größe und innerhalb der Fraktionen die Stadtverordneten nach Alphabet auf. Nach etwa zehn Minuten stand das Ergebnis fest: Strategiedezernent Güldenzopf als Vorschlag der Verwaltung erhielt 51 Stimmen, AfD-Vertreter Lange 4 Stimmen; eine war ungültig.

Im WAZ-Artikel vom 29. September über die Arbeit der AfD-Fraktion ließ Lokalredakteur Szymaniak ein ihm eigentümliches Demokratieverständnis erkennen. Mit dem Beharren auf geheime Wahlen wolle die Ratsfraktion die anderen Parteien ärgern oder vorführen. Selbst bei „unbedeutenden Wahlen“ – Strategiedezernent Güldenzopf wird diese Einschätzung mit Freude zur Kenntnis nehmen – stelle sie eigene Kandidaten auf: „Das ist bei bekanntem Verhalten aussichtslos, verzögert aber die üblichen demokratischen Prozesse.“ Die Fraktion wolle so auf „Hinterzimmer-Absprachen“ hinweisen und gleichzeitig hoffe sie, den einen oder anderen Demokraten aus der AfD-Antifront herauszubrechen.

Der Aspekt der Aussichtslosigkeit von Kandidaturen kann niemals alleiniger Maßstab des politischen Handelns sein. Genauso muß das Beharren auf die Formvorschriften des Artikels 38 GG bei der Durchführung von allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleiche und geheimen Wahlen als nicht verhandelbares Grundrecht angesehen werden.

Eine Gegenkandidatur dient nicht als Hinweis auf „Hinterzimmer-Absprachen“, sondern ist ein von der AfD-Fraktion in Anspruch genommenes Recht. Es steht jeder anderen Fraktion frei, Gleiches zu tun. Der Verweis auf die „üblichen demokratischen Prozesse“ läuft ins Leere, denn ohne Gegenkandidatur gibt es solche eben nicht.

Was Lokalredakteur Szymaniak vielleicht meint, sind sind Absprachen jener Art, mit denen die Ratsfraktionen beispielsweise bei der konstituierenden Sitzung des Stadtrates am 16. November 2020 der AfD-Fraktion Sitze in Aufsichtsräten und anderen Gremien verwehrten, die der Fraktion ihrer Größe nach gemäß dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit (d.h. nach den Stärkeverhältnissen im Rat verkleinert gespiegelt) zugestanden hätten. Wir haben das Verfahren am 20. 3. 2022 im Rat gelegentlich der Entsendung eines Ratsvertreters in den STOAG-Aufsichtsrat (siehe Anlage 1 des Berichtes vom 22. 3. 2023) erläutert.



Anlage 1:

Rede des Stadtverordneten Kempkes (AfD) zum Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 2022 / Entlastung der Organe der Stadtsparkasse Oberhausen (B/17/3939-01) unter Punkt 7 der Tagesordnung.

Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!

Der hier aufgerufene Tagesordnungspunkt würde sang-und klanglos durchgewunken werden, was auch im Interesse des Oberbürgermeisters läge.

Denn: kaum jemand hinterfragt die Geschäftspraktiken dieser Institution.

Die Stadtsparkasse Oberhausen ist einer der größten Schuldner unserer Stadt, denn sie agiert mit dem Geld unserer Bürger. Ihren Gewinn erzielt sie unter anderem aus der Differenz zwischen lächerlichen Sparzinsen auf der einen Seite und überhöhten Kreditzinsen auf der anderen.

Aktuell bietet sie eine Tagesgeldverzinsung von 0,7%, dagegen werden für Kredite 8 bis 15% aufgerufen. Selbst im Vergleich zur Sparkasse Duisburg hat sie das schlechtere Angebot; deren Kredite schlagen mit 6 bis 12,5% zu Buche.

Im Bereich der mittelfristigen Kapitalanlage ist die Sparkasse unter objektiver Betrachtungsweise nicht mehr konkurrenzfähig. Sie findet aber im Bereich einer finanzwirtschaftlich eher unbedarften Kundschaft ihren Erfolg.

Wer bei einer Inflationsrate von ca. 6% den Anlegern solche Angebote unterbreitet, fördert deren Kaufkraftverlust und beteiligt sich aktiv an deren Enteignung.

Aus der als Gewinn deklarierten Beute finanziert die Sparkasse Oberhausen oftmals fragwürdige Immobilienprojekte, deren Nutznießer nicht unbedingt der durchschnittliche Sparkassenkunde ist. Scheinbare Wohltaten im sozialen, kulturellen und Sportbereich finanziert nicht die Sparkasse, sondern deren Kunden.

Politik, insbesondere kommunale, sollte sich von solchem Geschäftsgebaren distanzieren und diese nicht noch durch Entlastung der zuständigen Organe fördern.

Auch der Idee, daß sich die Sparkasse an einer verstärkten Konsolidierung des kommunalen Haushaltes beteiligen soll, erteilen wir eine klare Absage. Denn letztendlich zahlt hier nur einer, nämlich der Kunde.

Wir, die AfD-Ratsfraktion, fordern die Sparkasse Oberhausen auf, Gewinne über zu steigernde Sparzinsen und abzusenkende Kreditzinsen verstärkt an die Oberhausener Bürger auszuschütten.

Durch die damit verbundene Kaufkraftsteigerung dient die Sparkasse damit nicht nur einer regionalen Marktbelebung, sondern auch dem Gerechtigkeitsempfinden der Stadtgesellschaft.

Folgerichtig empfehlen wir den Sparkassenkunden die Angebote anderer Geldinstitute wahrzunehmen und sprechen uns ausdrücklich gegen eine Entlastung der Organe aus.