Über die in diesem Jahre etwas aus den Fugen geratene Arbeit im Kulturausschuß hatten wir leider verschiedentlich zu berichten schon die Gelegenheit. Ob sich nun etwas bessern wird? Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20231028b_Kulturausschuss_20231019
Kultur als Verwaltungsaufgabe.
In der letzten Sitzung hatte der Ausschußvorsitzende Flore (SPD) erklärt, daß die Bewilligung von Förderanträgen eine wesentliche Voraussetzung der Tätigkeit des Kulturaussschusses sei. Bekanntlich wurde dort der Eigenetat des Ausschusses zur Förderung der freien Kulturszene bis auf den letzten Cent ausgegeben. Die Art und Weise, wie man die offen zutage getretenen Probleme bei der Ausschußarbeit angegangen ist, läßt die spannende Frage offen, was sich denn in Zukunft ändern soll, um die Mittelverteilung besser zu planen.
Erster Punkt der Tagesordnungspunkt war ein SPD-Antrag auf „Prüfung der Einrichtung einer zentralen Veranstaltungsunterstützungsstelle für touristische und kulturelle Großveranstaltungen (A/17/3978-01)“. Zur Begründung erklärte der SPD-Vertreter Scherer u.a., man habe früher verschiedentlich im Ausschuß festgehalten, daß die Organisation von Großveranstaltungen einen erheblichen Aufwand bedeuteten. Man wolle erreichen, daß die Termine koordiniert werden und nicht zeitlich zusammenfallen. Deshalb solle man darüber nachdenken, ob eine solche Stelle geschaffen werde.
Die CDU-Vertreterin Schmidt meldete Beratungsbedarf an. Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, daß man den Antrag eigentlich ablehnt, es aber nicht laut sagen und daher eine Debatte vermeiden möchte, um dann später nach Vortragen gewisser Bedenken doch noch zustimmen wird „für die Kultur“ oder für was auch immer.
Der danach folgende mündliche Bericht des Kulturdezernenten Tsalastras (SPD) zum Kulturentwicklungsplan kreiste um die Vorstellung des „Prozeßplans“. Zur Erinnerung:
Nachdem die Verwaltung mit der Aufstellung eines Kulturentwicklungsplanes beauftragt worden war (SPD-Antrag A/17/1217-01 vom 19. 10. 2021, vom Rat am 15. 11. 2021 gegen die Stimmen der AfD beschlossen), bewarb sich das Kulturbüro mit Erfolg beim LVR um Fördermittel. Im Rahmen des Vergabeverfahrens erhielt das Institut für soziale Innovation (ISI) den Zuschlag für die Aufstellung des Planes (Kulturausschuß vom 31. 8. 2023).
Wichtig: Am 20. 2. 2024 finde eine große Konferenz zum Kulturentwicklungsplan statt. Die Mitglieder des Kulturausschusses werden eine Einladung erhalten und frühzeitig über den Termin informiert werden.
Eine Nachfrage des Stadtverordneten Noldus (AfD) nach den Kosten wurde vom Dezernenten mit dem allgemeinen Hinweis auf die früher in der Sache vorgelegten Vorlagen und die Zuständigkeit des LVR beantwortet.
Zum Prozeßplan siehe die Anlage.
Der Vortrag des „Kulturagenten für kreative Schulen“ unter TOP 4 wurde von dem Agenten – Typus: Berufsjugendlicher mit Jeans und Turnschuhen – persönlich gehalten.
Herr Niemeier stellte sich als „Netzwerker im Dazwischen“ vor. Er sei Ansprechpartner für Schulen und für Fördermittel. Er ist Angestellter der Stadt und verbringt 20% seiner Arbeitszeit mit der Tätigkeit als Kulturagent. Finanziert wird seine Stelle durch Kapitalisierung: Schulen, welche Lehrerstellen nicht besetzen können, können diese Stellen kapitalisieren, d.h. die vom Land zur Finanzierung bereitgestellten Gelder zu einem festgelegten Anteil umwidmen. Die beteiligten Schulen sind (es folgte pro Schule eine Seite Präsentation):
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Fasia-Jansen-Gesamtschule: Kulturschule, prägend: durch Corona schlechte Sprachkenntnisse, ukrainische Flüchtlinge.
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GS Osterfeld: Kinball (erklärt die Spielregeln mit Lehrer*innen und Schüler*innen).
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GS Weierheide: Kreativität lernen (KRESCH).
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Schlingensief-Schule.
Es gibt für jede Schule einen speziellen Kulturfahrplan mit den Abschnitten Vision – Leitziele – Teilziele – Maßnahmen/Umsetzung. Nach 5 bis 6 Jahren werde man prüfen, wo man stehe, was man erreicht habe und was nicht.
Der Kulturagent ist dem Bildungsbüro zugeordnet, sein Arbeitsplatz befindet sich im Kulturbüro. An allen Schulen gibt es Kulturbeauftragte, die sich einmal im Jahr treffen. Die Schulen möchten Kulturscouts als Multiplikatoren. 2019 gestartet (dort der Inhalt der Begründung für die Kulturscouts). In diesem Jahr gebe es 33 oder 34 Teilnehmer von zehn Schulen (Gesamtschulen, Realschulen, Gymnasien, also alle Schulformen, die sich beteiligen können). Im Juni 2024 wird es eine Veranstaltung mit einer Vorstellung der Kulturscouts geben.
Herr Scherer (SPD) dankte und betonte zum Schluß mit Nachdruck, ohne Mitwirkung der Institutionen sei das Projekt nicht möglich. Schulen, die sich beteiligen, sind auch wichtig; es sei eine sehr sozialdemokratische Bildung, Schule mit Kultur zu verbinden. Man müsse sich anschauen, ob bei dem Umfang und der Wichtigkeit ein Netzwerker vielleicht etwas wenig sei.
Frau Schmidt (CDU) fand es gut, die Jugend an die Kultur heranzuführen. Sie stelle allerdings fest, Informationen fließen oft nicht recht. Die Verbindung von Schule und Kultur sei auch nicht allein sozialdemokratisch (beifälliges Kopfnicken der Ausschußmitlieder der selbsternannten „demokratischen Parteien“).
Herr Dittmeyer (LINKE) bat um Erläuterungen zum Finanzierungsmodell.
Herr Niemeyer: Nur Schulen mit gebundenem Ganztag können Stellen kapitalisieren. Sie müssen bis zum 31. 12. 2023 einen Antrag stellen für die Zeit nach den Sommerferien 2024. Künstler kommen an die Schulen, stellen sich vor und arbeiten dort. Die Kulturagenten brauchen nicht an den Schulen zu arbeiten.
Das Geld kommt vom NRW-Ministerium für Bildung, geht ans Schulamt und von dort an die Schule bzw. bei der Schlingensief-Schule läuft das Geld über den LVR. Die Kosten pro Stelle betragen 60.000 € Arbeitgeber-Brutto, 20% der Arbeitszeit wird im Sinne der Stadt eingesetzt.
Hinweis: Die Vorlage B/16/0911-01 und zuletzt der dem Vortag zugrunde liegende Bericht M/17/3840-01 geben einen Überblick über die Einrichtung und „Arbeit“ des Kulturagenten.
Der mündliche Bericht unter TOP 5 zum Projekt „Inklusion vor Ort“ wurde von Frau Prof. Domkowsky, einer Vertreterin der Caritas und vom jugendlichen „Freiwilligen im Kulturbüro“. Ergänzt wurde der Bericht durch die Vorführung eines allgemein für sehr gut beurteilten Filmes, dessen Langfassung eventuell bei den Kurzfilmtagen laufen könnte; so die Anregung von Frau Prof. Domkowsky.
Danach folgte die Vorlage der aktualisierten „Übersicht über verausgabte und verplante Mittel der Position „Freie kulturelle Aktivitäten“ (M/17/3971-01), vom Ausschuß ohne Wortmeldungen zur Kenntnis genommen.
100.000 € ohne Wortmeldungen bewilligt.
Die im Rat am 25. September gegen die Stimmen der AfD beschlossene Sanierung des Erdgeschosses im Bert-Brecht-Haus war im Haupt- und Finanzausschuß am 18. September ohne Wortmeldungen vorberaten und im Rat am 25. September gegen die Stimmen der AfD beschlossen worden – ohne Wortmeldungen. Ebenfalls wortlos nahm der Kulturausschuß die Vorlage bereits unter TOP 3 zur Kenntnis.
Der Beschlußvorschlag der Vorlage B/17/3738-01 dazu lautet:
„Für die Baumaßnahme wurde in 2022 eine Rückstellung in Höhe von 1.306.025,00 EUR gebildet. Durch die teilweise Inanspruchnahme der Rückstellungsnummer 146 ergibt sich eine Erhöhung des negativen Saldos aus laufender Verwaltungstätigkeit (Finanzplan), jedoch keine negativen Auswirkungen auf den Ergebnisplan.“
Die zusätzlich benötigten 100.000 € waren den Befürwortern des Antrages offenbar kein Sterbenswörtchen wert gewesen.
Neue „Richtlinien“ sollen es richten!
In der Ausschußsitzung am 31. August hatte die CDU einen gut begründeten Antrag A/17/3883-01 über die „Verfahren im Kulturausschuß zur Förderung von Veranstaltungen der freien Kulturarbeit in Oberhausen“ vorgelegt, aber kampflos zurückgezogen, nachdem die vereinigte Linke (SPD, Grüne, LINKE) ihre ablehnende Haltung signalisiert hatte. Die CDU-Vertreterin Wolter hatte sich damit abspeisen lassen, daß die Antragsinhalte – in welcher Form auch immer – in der Niederschrift festgehalten werden sollten.
Da es im Ausschuß kein allgemeines Interesse an einem Mehr an Informationen durch das Kulturbüro gibt, ist es fraglich, ob die erkennbaren organisatorischen Defizite – trotz der zusätzlich bewilligten 25.000 € war der Etat des Ausschusses zur Förderung der freien Kulturarbeit am 31. August vollständig verplant worden – allein durch neue Richtlinien beseitigt werden können.
Wenn nämlich sachlich schwach begründete Anträge bewilligt werden, mag es vielleicht ein gutes Gefühl hinterlassen, die „Kultur“ mal wieder gefördert zu haben. Die Begeisterung beispielsweise des kulturpolitischen Sprechers der SPD, Scherer, die wir hier nicht ins Lächerliche ziehen wollen, sondern als solche durchaus anerkennen, bewirkt allerdings in diesem Jahr, daß Antragsteller mit guten Konzepten, ausgewogener Finanzierung und hoher Eigenleistung allein deshalb leer ausgehen, weil der Veranstaltungstermin in den Herbst oder später fällt. Die SPD sollte über diesen Aspekt ihres Verständnisses von Kulturförderung einmal genauer nachdenken.
Bei den „Richtlinien zur Förderung freier Kulturarbeit (B/17/3778-01)“ wurde unter Punkt 7.2 ein interfraktioneller Änderungsantrag A/17/4069-01 vorgelegt.
Herr Scherer (SPD) stellte den gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, GRÜNEN, BOB und FDP vor. Er führte u.a. aus: Der Antrag sei „auf den letzten Drücker reingerauscht“. Er sei nicht nur ein guter Kompromiß. Am Ende des Tages habe man die Quadratur des Kreises versucht. Vieles wolle man straffen und verbessern (zweimal Vergaberunden). Die Beschränkung der Höchstmittel werden dem einen oder anderen wehtun. Der Kulturentwicklungsplan sei ein Ort für Sponsoring aus der Wirtschaft. Es habe eine angenehme Zusammenarbeit über alle Fraktionsgrenzen gegeben.
Frau Hoff (FDP) schloß sich den Ausführungen ihres Vorredners an und betonte die gute Zusammenarbeit.
Frau Schmidt (CDU) bemerkte, der Geldmangel sei nun einmal da; man habe einen guten Kompromiß gefunden, um damit umzugehen.
Danach fragte der Vorsitzende Herrn Noldus (AfD), ob er den Antrag A/17/3919-02 unter Punkt 7.1 (dieser hatte Herrn Scherer den Vortritt bei der gemeinsamen Beratung gelassen) begründen wolle.
Herr Noldus dankte und wies auf folgende Tatsache hin: Einmal sei es fraglich, ob bei Anträgen, die in englischer Sprache gestellt werden, alle Ausschußmitglieder in der Lage seien, die Inhalte zu erfassen. Bei Antragstellern ohne Deutschkenntnisse seien englische Muttersprachler gegenüber anderen ohne Deutschkenntnisse bevorzugt. In einer Kleinen Anfrage [K/17/3604-01 und K/17/3752-01] habe er den Kulturdezernenten gefragt, wie sich diese Bevorzugung rechtfertigen lasse. Die Antwort sei „Gar nicht!“ gewesen. Er als Antragsteller sei ebenfalls der Meinung, daß sich Diskriminierung nicht rechtfertigen lasse und habe daher diesen Antrag gestellt.
Weitere Wortmeldungen ergaben sich nicht.
Der Antrag unter 7.1 wurde gegen die Stimme der AfD abgelehnt.
Der Antrag unter 7.2 wurde gegen die Stimme der AfD bei Enthaltung der LINKEN angenommen. Damit wurde deutlich, daß der Vertreter der LINKEN, Herr Dittmeyer, offenbar zu der interfraktionellen Beratung nicht hinzugezogen worden war.
Der Antrag war am Sitzungstage um 11.49 Uhr per Mail an die AfD-Fraktion gegangen.
Ein neues Museum für Oberhausen?!
Der Vortrag der Direktorin der Ludwiggalerie, Frau Dr. Vogt, über das Jahresprogramm 2024 in TOP 8 bot dieses Mal eine Besonderheit. Nicht das schnelle und dabei trotzdem klar formulierte und strukturierte Heraussprudeln von Sätzen im freien Vortrag – natürliche Begabung oder Berufskrankheit?! Nein es ging um ein geplantes Walter-Moers-Museum, das MOERSEUM. Moers ist ein moderner Schriftsteller und Comiczeichner, wobei seine Qualitäten in beiden Bereichen in der Kombination in Deutschland nur schwer ein zweites Mal zu finden sind. Er hat offenbar die Absicht, der Stadt Oberhausen seinen Vorlaß zu übergeben.
Ein Vorlaß ist ein Nachlaß, bei dem der Erblasser sein natürliches Ableben nicht abwartet, sondern schon zu Lebzeiten Regelungen trifft und den Erbgang gewissermaßen in die eigene Hand nimmt.
Kulturdezernent Tsalastras erklärte, die Stadt könne das Projekt des Moers-Museums nicht alleine stemmen. Mit dem Oberbürgermeister und anderen begebe man sich auf die Suche nach Fördermittelgebern. Die Relevanz des Themas „Comic“ werde in Deutschland noch nicht verstanden im Gegensatz zu anderen Ländern. Man werde „ganz hart dranbleiben“, um das Projekt zu verwirklichen.
Herr Flore (SPD) erinnerte an einen Ausspruch von Helmut Schmidt, den letzten Politiker von Format, den die SPD hervorgebracht hat: „Wer Visionen hat, sollte zum Psychologen gehen.“ Er jedenfalls wolle diese Vision festhalten, um sie für Oberhausen zu erreichen.
Wir sind mal gespannt, wie teuer der Vorlaß des Herrn Moers die Allgemeinheit zu stehen kommt: Timeo Danaos et dona ferentes!
Das Zitat lautet korrekt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“
Eine letzte Kenntnisnahme.
Unter Punkt 9 ging es um die Kenntnisnahme der Vorlage B/17/3942-01 „Einrichtung von 2 x 0,5 Stellen Museumspädagogik im Bereich 0-8 / Kunst“.
Im Haupt- und Finanzausschuß (18. September) hatte Frau Gödderz (GRÜNE) kritisiert, daß die Vorlage nicht zuvor im Kulturausschuß vorgelegt worden war, ohne sich allerdings zum Inhalt zu äußern. Sie und Herr Hoff (FDP) hatten darauf gedrungen daß die Beratungsfolge um eine – nachträgliche – Kenntnisnahme für den Kulturausschuß ergänzt werden sollte.
In der darauf folgenden Ratssitzung am 25. September hatte der Stadtverordnete Noldus (AfD) in seiner Rede ausdrücklich auf den Kontext der Stellen – Creative City – hingewiesen. Die Redebeiträge – immerhin gab es welche – aus den übrigen Fraktionen dazu zeigten auf, daß die dahinter stehende Problematik (des Systems der Förderungen und die Folgen) auch nicht ansatzweise erfaßt worden ist.
Der Kulturausschuß nahm die Vorlage ohne Wortmeldungen zur Kenntnis. Die Vertreter von FDP und GRÜNEN sahen offenbar keinen Bedarf für Wortbeiträge. Worin dann der Sinn in der nachträglichen Kenntnisnahme besteht, ist unklar. Jedenfalls endete damit die Ausschußsitzung.
Anlage:
Prozeßplan zum Kulturentwicklungsplan (TOP 2).