Eine Kleine Anfrage der AfD zum Thema „Corona-Sonderförderung“ wirft ein interessantes Licht auf die Weise, wie der Stadtrat seine ihm zustehende Kontrolle der Verwaltung ausübt; nämlich gar nicht. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20240116b_Corona-Sonderfoerderung_1

Rückblende.

Am 22. 6. 2020 legte die SPD einen Antrag A/16/5801-01 im Rat für ein „Corona-Wirtschaftsaufbauprogramm“ vor. Die Debatte resultierte in einem Auftrag an die Verwaltung, einen Vorschlag zur Umsetzung vorzulegen. Dieser wurde als Vorlage B/16/5937-02 am 14. 9. 2020 im Rat verabschiedet und bildete die Grundlage für alle nun folgenden Maßnahmen, die als „Corona-Sonderförderung“ in die Geschichte Oberhausens eingegangen sind. Die Finanzierung der Maßnahmen sollte durch Einsparungen an anderer Stelle in Höhe von ca. 2 Mio. € erfolgen. Größter Einzelposten waren das Stadttheater mit 250.000 € und Masterplan Neue Mitte mit 203.000 €.

In der Kleinen Anfrage K/17/4202-01 des Stadtverordneten Noldus vom 12. 11. 2023 wurden die wichtigsten Bestimmungen jener Vorlage wie folgt zusammengefaßt:

„Die Vorlage B/16/5937-02, vom Rat am 14. 9. 2020 beschlossen, betraf die Umsetzung der Sonderförderung „Corona“ (Mittelverteilung im Rahmen der Haushaltsverfügung vom 17. 4. 2020).

Es gab vier Kategorien von Förderanträgen; und zwar:

  • Projekte für alternative corona-verträgliche Veranstaltungen (Zeilen 54ff);
  • Härtefallfonds für Soloselbständige (Zeilen 69ff);
  • Förderung gemeinnütziger Organisationen und Unternehmen aus den Bereichen Sport, Kultur, Kreativwirtschaft, Tourismus und Freizeit (Zeilen 91ff);
  • Übernahme von Eigenanteilen für Antragsteller bei Bundes- und Landesförderungen (Zeilen 116ff).

Die Vergabe der Fördermittel war durch die zuständigen Beigeordneten zu bestätigen, die Kämmerei begleitete die Zuschußvergabe. Die endgültige Entscheidung über die außerplanmäßige Mittelbereitstellung gemäß § 83 GO NRW oblag dem Stadtkämmerer (Zeilen 144ff).

Der Beigeordnete und Stadtkämmerer Tsalastras (SPD) leitete das Dezernat 1 (Stellvertreter Beigeordneter Schmidt – SPD) und das Kulturbüro. Das Dezernat 3 (mit dem Bereich 2-5 Sport) leitete der Beigeordnete Schmidt (SPD); sein Stellvertreter war der Beigeordnete Tsalastras.“

An diese Vorrede schlossen sich vier Fragen an, welche vom Beigeordneten Tsalastras in seiner Eigenschaft als Stadtkämmerer am 28. 11. 2023 beantwortet und als K/17/4296-01 mit Poststempel vom 15. 12. 2023 dem Fragesteller zuging.

Zur Form von Kleinen Anfragen und deren Beantwortung ist zu sagen, daß im Regelfall den Antworten der komplette Text des Fragestellers beigegeben ist. Bei AfD-Anfragen hingegen wird oft willkürlich die Vorrede weggelassen, obwohl diese wesentlich für das Verständnis der Antworten ist.

Der Beigeordnete Motschull hat einmal den Stadtverordneten Noldus in einem ausführlichen Schreiben darüber belehrt, daß kein Rechtsanspruch auf die vollständige Wiedergabe der Kleinen Anfrage besteht; siehe dazu den Artikel „Zu formalen Aspekten Kleiner Anfragen“ vom 31. 5. 2022, der das am 17. 5. 2022 als Antwort auf eine Beschwerde vom 29. 4. 2022 abgegangene Schreiben in seinem Hauptinhalt wiedergibt.

Wir erinnern hier an den seinerzeitigen Hinweis des jüngst verstorbenen CDU-Politikers Schäuble aus dem Jahre 2019 (siehe „Der Heuchler“ vom 20. 3. 2019), wonach nirgends geschrieben steht, daß jede Fraktion im Bundestag einen Vizepräsidenten des Bundestages stellen darf.

Wir nehmen diese beiden Darlegungen als typisch für das Rechtsverständnis von Vertretern der selbsternannten „demokratischen Parteien“ zur Kenntnis.

Eine Besonderheit stellte die Behandlung der Kleinen Anfrage K/17/3602 des Stadtverordneten Noldus vom 31. 5. 2023 dar, die erst nach dem 14. 9. 2023 als K/17/3980-01 beantwortet wurde – nach 107 Tagen plus Postlaufzeit! Die Fragen bezogen sich auf die bis November 2022 geltenden Förderrichtlinien des Kulturausschusses. Eine Frage war, warum das Afro Light Festival (mit einem auswärtigen Veranstalter) gefördert worden war, obwohl die Richtlinien ausdrücklich eine Beschränkung auf Oberhausener Veranstalter vorsahen.

Das Kulturdezernat besorgte die Klassifizierung der Kleinen Anfrage K/17/3602-01 als „nichtöffentlich“, um dem Stadtverordneten Noldus zu verbieten, unbequeme Fragen auf der Basis öffentlich zugänglicher Quellen zu stellen. Den Text der Anfrage haben wir natürlich am 19. 9. 2023 unter Was hat der Oberbürgermeister zu verbergen? veröffentlicht. Die Antwort K/17/3980-01 war selbstverständlich ebenfalls nichtöffentlich, um beispielsweise der Allgemeinheit die nichtssagende Antwort in Zeile 27 vorzuenthalten.

Ein Detail: Der WAZ-Lokalredakteur Szymaniak hat in seinem Artikel „Wie die AfD in Oberhauen Wählerstimmen einfängt“ vom 9. 10. 2023 erkennbar aus unserem Text zitiert und gleichwohl behauptet, die AfD-Fraktion bemühe sich zwar, nicht generell als Feinde von Zuwanderern und Ausländern wahrgenommen zu werden und freue sich über das thailändische Neujahrsfest im Zentrum Altenberg, verurteile aber im Gegenzug finanzielle Förderungen für das „Afro Light“-Festival. Mit der Überleitung „Sie benutzen offen eindeutig rassistisches Vokabular…“ wird unsere Kritik an der Förderpraxis (die generell den fehlenden Willen der übrigen Ratsparteien zur Kontrolle zutage treten läßt) umgedeutet. Das ist genau die Art von Journalismus, welche die WAZ von Jahr zu Jahr dünner werden läßt.

Die Fragen zur „Sonderförderung“.

Im folgenden sind die Fragen und Antworten aus den angeführten K-Vorlagen 3602 und 3980 wiedergegeben:

  1. Ist die Verwaltung der Auffassung, daß angesichts dieser Bestimmungen und personellen Konstellationen eine substantielle Kontrolle bei der Bewilligung der Mittel gewährleistet war; und wenn ja, mit welcher Begründung?Antwort: Im Zuge der Antragstellungen im Rahmen der „Corona-Sonderförderung“ wurden diese von den jeweiligen Fachverwaltungen dezidiert geprüft. Dies ist durchaus daran abzulesen, daß rd. 13 % der gestellten Anträge abgelehnt werden mußten.Eine Einflußnahme aufgrund der in der Anfrage angeführten Personalkonstellation bzw. der Rahmenbedingungen ist nicht ersichtlich oder erfolgt.
  2. Warum sind weder den zuständigen Fachausschüssen (Sport, Kultur) noch dem Rat in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung Listen der Antragsteller samt Zeitpunkt und Höhe der bewilligten Fördergelder vorgelegt worden?Antwort: Eine entsprechende Aufbereitung ist bisher nicht gefordert gewesen, wird in einer der ersten Sitzungsfolgen 2024 in den jeweiligen Ausschüssen im nicht öffentlichen Teil im Rahmen einer Berichtsvorlage erfolgen.
  3. Mit welchen Summen sind insbesondere folgende Vereine usw. gefördert worden:
  • Drescherdreh,
  • Literaturhaus Oberhausen,
  • Indie Radar Ruhr (M. Janetzki),
  • im Dachverband SOVAT organisierte Vereine (Freie Musikschule, rocko e.V. usw.),
  • KiTeV,
  • Gdanska,
  • Freie Universität Oberhausen,
  • Sportvereine überhaupt (Einzelaufzählung).

Antwort: Eine entsprechende Aufbereitung ist bisher nicht gefordert gewesen, wird in einer der ersten Sitzungsfolgen 2024 in den jeweiligen Ausschüssen im nicht öffentlichen Teil im Rahmen einer Berichtsvorlage erfolgen.

  1. Dem Rat sind Aufstellungen, geordnet nach den o.g. Kategorien, mit summarischen Angaben (Gesamtzahl der Förderanträge und der bewilligten Gesamtsummen) vorgelegt worden (z. B. B/17/0814-01). Wie konnte anhand dieser summarischen Aufstellung der Rat begründet nachvollziehen, ob die bewilligten Anträge den Richtlinien der Vorlage B/17/5937-02 entsprachen und somit die ihm zustehende Kontrolle nach § 55 GO NRW ausüben?Antwort: Eine entsprechende Aufbereitung ist bisher nicht gefordert gewesen, wird in einer der ersten Sitzungsfolgen 2024 in den jeweiligen Ausschüssen im nicht öffentlichen Teil im Rahmen einer Berichtsvorlage erfolgen.Die grundlegende Berichterstattung hinsichtlich der erfolgten Beschlüsse ist mit der Berichtsvorlage M/17/3743-01 über die Mittelverwendung erfolgt. Hier wäre eine Entscheidung durch den Rat bezüglich einer anderen Darstellung erforderlich gewesen.

Fehlende Kontrolle – desinteressierter Rat.

Der Behauptung, eine entsprechende Aufbereitung sei bisher nicht gefordert gewesen, können wir nur bedingt zustimmen. In der Ratssitzung am 25. 9. 2023 ist der Abschlußbericht M/17/3743-01 Bestandteil der Tagesordnung gewesen. Der Stadtverordnete Noldus hat in einer kurzen Rede, die nachfolgend vollständig wiedergegeben ist, die fehlende Kontrolle durch den Rat festgestellt und die neuralgischen Punkte aufgelistet:

Da es sich um einen Abschlußbericht handelt, werde ich mich auf einige kurze Anmerkungen beschränken. Dieser Bericht erschöpft sich in nichtssagenden Tabellen und umgeht die kritischen Punkte:

  1. Die Mittel wurden durch die zuständigen Dezernenten – hauptsächlich die Bereiche 1 (Tsalastras) und 3 (Schmidt) – vergeben.
  2. Die weisungsgebundene Fachverwaltung prüfte die Vorgänge nur im Hinblick auf eventuelle Doppelförderungen; eine Kontrolle der Dezernenten fand nicht statt.
  3. Es sind keine Aufstellungen erstellt worden, aus denen Empfänger, Zeitpunkt, Höhe der Förderung und deren Zweck hervorgehen.
  4. Die Fachausschüsse (z. B. Kultur oder Sport) sind weder an der Vergabe beteiligt gewesen noch nachträglich informiert worden.

Insgesamt läßt sich sagen, daß hier ein Zugriff auf einen Sonderetat in Höhe von 2 Millionen € erfolgte, ohne daß die Öffentlichkeit noch der Rat angemessen informiert worden sind.

Es hat nämlich für sich keinen Aussagewert, daß in der Antragskategorie „Eigenanteilsförderung“ ein Antrag in Höhe von 5.043 € bewilligt worden ist.

Denn Sie kennen weder den Antragsteller noch den Verwendungszweck; Sie können also Ihre Aufgabe der Kontrolle des Verwaltungshandelns nach § 55 der Gemeindeordnung mit der hier vorliegenden Drucksache nicht erfüllen.“

Wie es für die Vertreter der selbsternannten Demokraten im Stadtrat selbstverständlich ist, debattierten sie weder über diese Stellungnahme noch äußerten sie den Wunsch nach mehr Informationen. Die betreffende Vorlage ist darüber hinaus in insgesamt fünf Ausschüssen vorgelegt worden. Lediglich in der Sitzung des Kulturausschusses am 31. 8. 2023 stellte der AfD-Vertreter Noldus dazu Fragen, die sich auf die Abläufe der Bewilligung der eingegangenen Anträge auf „Sonderförderung“ bezogen.