Eine größere Debatte entspann sich um einen „Schaufensterantrag“ der LINKEN im Zusammenhang mit dem Ausbau des Autobahnkreuzes Oberhausen. Von E. Noldus. 

Der Text als pdf-Datei: 20240407b_Rat_20240318_4_Sterkrader_Wald

Der Antragsinhalt.

In der Ratssitzung am 18. März gelang es den LINKEN, mit ihrem Antrag eine breite Debatte loszutreten, die von heiteren Momenten in der Rede des Stadtverordneten Bennewa (CDU) geprägt war.

Der Beschlußvorschlag des Antrages A/17/4609-01 lautete: „Das im Besitz der Stadt Oberhausen befindliche Grundstück Sterkrader Wald wird nicht an den Bund oder andere Träger für Baumaßnahmen veräußert.“

Aus der Begründung geht nicht nur das Ziel des Antrages hervor, sondern auch, daß er durch eine Kleine Anfrage vorbereitet worden war. Wir zitieren:

„Aus der Antwort der Verwaltung auf unsere kürzlich gestellte kleine Anfrage geht hervor, daß im Falle einer Weigerung der Veräußerung ein Enteignungsverfahren eingeleitet würde. Dies würde die Abholzung verzögern, ihre Dauer könne allerdings nicht belastbar prognostiziert werden. Ebenso könne die Dauer der entsprechenden Enteignungs-Verfahren nicht gesichert prognostiziert werden.

Zwar geht die Verwaltung davon aus, daß im Fall eines Beschlusses des Rates der Stadt, die erforderlichen Flächen nicht an den Träger der Straßenbaulast zu veräußern, dies rechtlich unter Zugrundelegung der Bestimmungen des FStrG voraussichtlich nicht zu einer Verhinderung der Maßnahme führen würde.“

Das Ziel des Antrages sei die zeitlich unbestimmte Verzögerung des Bauvorhabens in der Hoffnung, daß die politische Situation sich grundlegend ändere und das Vorhaben aufgegeben werde. Zudem könne der Rat „ein klares politisches Zeichen gegen die Pläne des Bundes und für konkreten Klimaschutz sowie Mobilitätswende“ setzen.

Ein Grund für die umfangreiche Debatte war die Tatsache, daß der Antrag in der Sitzung des Umweltausschusses am 6. März unter fadenscheinigen Gründen per Mehrheitsentscheid des Ausschusses, die es als solche nicht hätte geben dürfen, von der Tagesordnung genommen worden war (wir berichteten).

Aus der Rede der Stadtv. Marx (LINKE).

Die Stadtverordnete Marx (LINKE) nahm es auf sich, den Antrag zu begründen. Zu Beginn vermittelte sie, rhetorisch nicht ganz ungeschickt, den Eindruck, eine breite Bevölkerungsmehrheit sei gegen den Ausbau des Autobahnkreuzes und sie die LINKEN, wären ein anerkannter Teil der Protestbewegung. Sie sprach sich „kategorisch gegen die Abholzung von 5.000 Bäumen“ und machte dem Rat einen Vorschlag:

Wir rufen Sie dazu auf, widerständig zu sein und den Wald eben nicht zu verkaufen, damit er dann abgeholzt wird. Das ist naheliegend. Es entspricht auch dem Interesse der Umweltverbände, wie dem BUND und den Anwohnenden. Daher sollten wir uns die notwendige Zeit nehmen, dieses Planungsvorhaben zum derzeitigen Planungsstand aufzuhalten, damit alle Interessen nachvollziehbar abgewogen und strukturell verbessert werden können.

Wir könnten Geschichte schreiben, indem wir die Abholzung aufhalten und die Mobilitätswende fordern…

Selbst wenn es, wie von der Verwaltung skizziert wird, zu einem Enteignungsverfahren gegen die Stadt Oberhausen käme, würde eine entsprechende Wertfeststellung erfolgen. Und ob es soweit kommt, wissen wir nicht. Das ist nicht gesagt…

Es könnte ein Enteignungsverfahren geben. Ja und? Das bedeutet einfach nur, daß wir uns einem vorauseilenden Gehorsam verweigern und den Willen der Bürgerinnen in unserer Stadt ernst nehmen.

Deswegen bleibt die Linke Liste bei der strikten Ablehnung gegenüber diesem Autobahnausbau. Wir wollen überall, wo es geht, das Umsteigen auf klimafreundliche, gemeinschaftlich genutzte Verkehrsmittel ermöglichen und wir wollen unser Naherholungsgebiet erhalten, das Mensch und Tier und Umwelt zugute kommt. Das kapitalistische Wirtschaftssystem wird noch den letzten Millimeter für den Profit der Automobilkonzerne nutzbar machen, auch wenn es dem Erhalt der Umwelt entgegen steht.“

Beginn der Debatte.

Danach begann die Debatte. Herr Lütte (BOB) bedankte sich bei den LINKEN für den Antrag; ein Umdenken wäre nicht schlecht. Nach den teilweisen jahrzehntelangen Planungen könne er sich vorstellen, daß es viel bessere, ökologisch besser zu vereinbarende Dinge gebe. BOB werde den Antrag unterstützen.

Herr Real (SPD) erinnerte an den Ratsbeschluß zum Ausbau des Oberhausener Kreuzes; und zwar im Rahmen der Stellungnahme, welche die Stadt Oberhausen selbst abgegeben habe. In diesem Ratsbeschluß heiße es, die Verwaltung und der Rat erwarten, daß in in einem noch nicht abgeschlossenen Planfeststellungsverfahren die Bezirksregierung erklären soll, für welche Variante sie sich aus welchen Gründen entscheide. Es gebe also noch gar keine Entscheidung für eine Variante und kein Planfeststellungsverfahren, sondern man befinde sich in einem schwebenden Zustand. Wenn es einen solchen schwebenden Zustand gebe, gebe es keine Grundlage für einen Antrag, wie er gerade noch gehört habe [Anspielung auf die Bemerkungen des Dezernenten Motschull zum zuvor debattierten AfD-Antrag]. Ein solcher Antrag sei obsolet, weil er keine Grundlager habe.

Er habe vorhin einmal angemerkt, der Rat müsse Verantwortung übernehmen. Direkt zu Herrn Karacelik gewandt: Es komme bisweilen vor, daß man im Rat auch mal verliere und keine Mehrheit bekomme. Wenn man aber immer wieder „hinten herum“ versuche, dennoch eine Mehrheit zu bekommen, indem man erst eine Kleine Anfrage stelle – Wie ist es mit einer Enteignung? –, dann den Rat mißbrauche, um in einem schwebenden Verfahren einen Beschluß zu erwirken, der überhaupt keine rechtliche Grundlage habe: Dann frage er sich selber, ob das noch demokratisch sei, was die LINKE da gerade mache. Die SPD werde diesem Antrag nicht zustimmen.

Herr Hoff (FDP) erklärte, der Antrag werde hier nach jahrelangen umfangreichen demokratischen Prozessen und kontrovers geführten Diskussionen vorgelegt. Sinn und Zweck des Bauvorhabens wurden auf allen Ebenen bereits geprüft und mehrheitlich beschlossen, wie Herr Real gerade dargelegt habe. Der Versuch, dieses Projekt durch „zivilen Ungehorsam“ zu blockieren, sei unangemessen und demokratisch bedenklich.

Die FDP erkenne die große Bedeutung von Umweltschutz und Klimaschutz an. Gleichzeitig verstehe die FDP auch die Notwendigkeit einer funktionierenden Infrastruktur, die es Menschen ermögliche, sich schnell, sicher und individuell fortzubewegen. Der Ausbau des Autobahnkreuzes sei nicht nur eine Frage der Mobilität und eine Chance zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region, sondern auch umwelttechnisch sinnvoll. Niemandem helfe es, wenn durch im Stau stehende Kraftfahrzeuge Abgabe in die Luft geblasen werden.

Die Blockadehaltung dieses Antrages ignoriere nicht nur die bereits geführten demokratischen Prozesse, sondern versuche, die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nach den Interessen einer Minderheit auszurichten; das sei schlicht undemokratisch. Es sei aber Aufgabe des Rates, im Sinne aller Oberhausener unter Berücksichtigung von ökologischen und ökonomischen Aspekten zu handeln. Dir FDP lehne den Beschlußvorschlag entscheiden ab.

Herr Dobnik (GRÜNE) erklärte, die GRÜNEN seien immer gegen den Ausbau gewesen und würden es weiterhin sein. Es sei sicher schwierig zu widersprechen, daß mehr Straßen zu mehr Verkehr und damit zu mehr Abgasen führen; das als Hinweis zu dem gerade gehörten Beitrag. Es gebe ein Feststellungsverfahren, bei dem noch über die Form diskutiert werde, aber es werde definitiv gebaut; und es würden Bäume gefällt. Es sei deshalb ein probates Mittel, mit diesem Antrag zu zeigen, daß nach gewisser Zeit sich vielleicht Erkenntnisse gezeigt haben. Er finde es schade, wenn der Antrag wahrscheinlich keine Mehrheit finden werde; die GRÜNEN würden aber dennoch zustimmen.

Rede des Stadtv. Bandel (CDU).

Herr Bandel (CDU) hielt vom Platz aus eine längere Rede. Man berate hier den Antrag der LINKEN, das Grundstück nicht zu verkaufen. In der Begründung schreibe der Antragsteller, das bringe zwar nichts, aber man solle als Rat ein Zeichen setzen. Welches Zeichen? Sie – die Antragsteller – seinen laut und wiederholten gebetsmühlenartig ihre Argumente, aber sie hätten nicht die Mehrheit. Viele Menschen gerade im Oberhausener Norden wollten den Ausbau und den damit verbundenen starken, aktiven Schallschutz. Den Ausbau wollten auch diejenigen, die im Stau stünden. Dabei würden mehr Emissionen freigesetzt im Vergleich zum rollenden Verkehr. Der Ausstoß sei keine Frage der Geschwindigkeit – zum rollenden Verkehr.

Ferner sei feststellbar, daß die Umsätze des Online-Handels stark im zweistelligen Zuwachsbereich stiegen. Die Ware komme mit Kraftfahrzeugen, nicht mit Fahrrädern. Das werde es auch in Zukunft nicht geben. Ferner sei statistisch feststellbar, daß junge Leute wieder vermehrt auf das Kraftfahrzeug setzen. Ferner habe man modernste Verbrenner. Herr Bandel erläuterte an einigen Beispielen kurz, daß die Emissionen von heute andere seien als diejenigen vor 15 Jahren. Die Verkehre nähmen zwar zu, aber sie seien deutlich „umweltsauberer“.

Dann ärgere er sich immer wieder über die 5.000 Bäume. Er möchte wissen, wer die denn gezählt hätte. „5.000“ sei eine wunderbar griffige, drohende Zahl. Ferner handele es sich um einen Buchenbestand. Wenn er jeder ausgewachsenen Buche eine Fläche von 7 mal 7 Meter zugestehe, das seien 50 Quadratmeter aufgerundet, bei 5.000 Bäumen also 250.000 Quadratmeter. So groß sei das heutige Autobahnkreuz. Und die gleiche Fläche – 50 Fußballfelder – solle noch einmal zugebaut werden?“!

5000 oder 1341 Bäume?

Das sei eine Aussage – da gehe die Rechnung nicht auf. Er wisse auch nicht, ob der Antragsteller sich besser fühlen würde, wenn es sich um 1341 Bäume handeln würde. Dazu könne er nichts sagen. Aber diese Zahl „5.000“ sei einfach so dahingeschmissen und werde völlig kritiklos aufgenommen.

Letztendlich sei es so: Der vorliegende Antrag werde nichts daran ändern, ob das Autobahnkreuz nun ausgebaut werde oder nicht; und deshalb werde die CDU ihn selbstverständlich ablehnen.

Nach dieser mit viel Beifall von allen Seiten bedachten Rede erläuterte Herr Lange (AfD) kurz die Gründe der Ablehnung des Antrages durch seine Fraktion. Er stellte unter anderem fest:

Die Leute frage man nicht; dabei wollen die Schmachtendorfer den Ausbau des Autobahnkreuzes, um Lärmschutzwände zu haben; diese seien sehr, sehr wichtig, Wenn man in Schmachtendorf lebe, höre man immer den Lärm von der Autobahn, je nach dem, wie der Wind stehe. Dagegen müsse man etwas unternehmen. Das gehe am besten, wenn der Ausbau komme, denn dann baue man auch Lärmschutzwände. CO2-Emissionen und Stau könne man mit der neuen Spur auch verringern und so würden alle nur gewinnen; und daher stimme die AfD dem Antrag nicht zu.

Zum Recht, Anträge zu stellen.

Ein bemerkenswerter Beitrag kam vom Stadtv. Blanke (GRÜNE). Es sei äußerst grenzwertig, das zu Herrn Real und zu Herrn Bandel, wenn man Fraktionen und Gruppen im Rat das Recht abspreche, Anträge zu stellen. Ob ein Antrag politisch sinnvoll sei oder nicht, sei in der Debatte zu lösen. Das Verfahren als solches sei aber sehr grenzwertig. Natürlich habe hier ein jeder das Recht, Anträge zu stellen. Da sollte man nicht in Zwischen- und Halbsätzen versuchen zu suggerieren, man solle solche Anträge lieber nicht stellen, weil sie vielleicht fachlich nicht in die Richtung passen oder weil sie angeblich falsch seien. Er bitte um eine sachliche Debatte und wie in einer Demokratie werde die Mehrheit entscheiden, ob ein Antrag durchkomme. Von daher ein bißchen mehr Zurückhaltung, was das Recht von Fraktionen und Gruppen im Rat betreffe.

Weitere Debattenbeiträge.

Der Stadtv. Axt (GRÜNE) zeigte sich in seinem Beitrag inhaltlich gut vorbereitet. Das Planfeststellungsverfahren habe sich auf eine bestimmte Variante festgelegt und laufe; sei aber zum Glück noch nicht entschieden.

Man müsse zur Kenntnis nehmen, daß es nicht nur um die Bäume des Sterkrader Waldes selbst gehe, sondern auch um die Bäume entlang der Autobahn. Dieser Ausbau sehe vor, daß von der Autobahnausfahrt Dinslaken-Süd bis zum Autobahnkreuz selbst und in östlicher Richtung bis zur Ausfahrt Königshardt die Böschungen entfernt werden. Wenn es darum gehe, Lärmschutzwände zu bauen, brauche man den Ausbau eigentlich nicht. Denn Lärmschutzwände könne man auch ohne Ausbau hinsetzen. Er weise nur darauf hin, daß es Gegenden in Schmachtendorf geben werde, wo begrünte, mit großen Bäumen bewachsene Böschungen kahl geschlagen werden. Es werde eine 8 Meter hohe Wand auf die Böschung gesetzt, damit die Autobahn nicht abrutscht und da oben drauf komme die Lärmschutzwand. Er könne nicht glauben, daß die Menschen, die am Kiesweg wohnen, sich eine solche Lärmschutz-Situation wünschen. Was man machen könne: Man könne die Lärmschutzwände entlang der jetzt bestehenden Autobahn bauen. Es gebe technische Möglichkeiten, die vorhandene Fahrbahn besser zu nutzen; und dafür seien die GRÜNEN. Oberhausen werde eine der wenige Städte sein, die den Teil eines Naturschutzgebietes verkaufen. Daher seien die GRÜNEN für den Antrag.

Herr Lütte (BOB) stellte fest, vieles sei bereits gesagt worden, was bereits gesagt worden sei. Und zu Herrn Hoff: Er wundere sich, daß Herr Hoff von Minderheiten spreche. Ob er finde, daß die 50.000 Unterschriften für den Erhalt des Sterkrader Waldes lediglich eine Minderheit darstellten. Das finde er nicht.

Herr Bandel (CDU) erklärte, er habe sich eigentlich nicht äußern wollen, aber dann doch noch zwei Dinge: Selbstverständlich könne jeder im Rat einen Antrag stellen, wie er möchte und andere können überlegen, ihn abzulehnen. Er wisse nicht, welcher Sitzung Herr Blanke beigewohnt habe. Denn er habe nur gesagt, daß der vorliegende Antrag keine Aussicht auf eine Mehrheit habe und daß die CDU ihn daher ablehne.

Zu Herrn Axt gewandt: Das sei eben genau dieser Weg, mit dem dann eine Art Propaganda gemacht werde: Natürlich könne man ohne den Ausbau Lärmschutzwände bauen. Aber es gehöre auch zur Wahrheit, daß es ohne diesen Ausbau keine Lärmschutzwände gebe. Das werde nicht passieren. Ohne Ausbau werde es keinen Lärmschutz für die Bürger geben. Wer das weglasse, sage auch nicht die Wahrheit.

Herr Hoff (FDP) direkt zu Herrn Lütte: Es seien nicht nur 50.000, sondern sogar 58.000 Unterschriften. Aber viel interessanter sei doch die Frage, wie viele der Unterschriften hier aus der Region stammten und wie viele „aus der BUND- und NABU-Bubble“, die von irgendwo her akquiriert wurden und die eben mitgezeichnet hätten ohne zu wissen, worum es gehe.

Nach einem rhetorischen Schlenker zur Linie 105 ging Herr Hoff auf einige Argumente seiner Vorredner ein. Die Argumente von Herrn Axt seien diskutabel, aber die demokratischen Prozesse seien doch bereits gelaufen. IM LINKEN-Antrag gehe es darum, den Rat zu mißbrauchen, zivilen Ungehorsam zu üben und sich nicht dem demokratischen Prozeß zu beugen. Dem könne man als demokratische Fraktion beim besten Wollen nicht einfach zustimmen. Natürlich könne der Antragsteller sein Recht ausüben und Anträge stellen, aber es sei „unser Recht“, das nicht in Ordnung zu finden und abzulehnen.

Der Rat lehnte den Antrag gegen die Stimmen von LINKEN, GRÜNEN und BOB ab.