Die persönliche Vorstellung des „Kontaktbeamten für interkulturelle und -religiöse Angelegenheiten“ war mit interessanten Erläuterungen zur Kriminalstatistik verbunden. Von E. Noldus.
Der Text als pdf-Datei: 20250712b_Integrationsrat_20250701_Kriminalstatistik
Der neue Kontaktbeamte.
Der neue Kontaktbeamte Tom Litges stellt sich zunächst als Urgestein vor: Polizeibeamter seit seinem 16. Lebensjahr 1977, nun bald 64 Jahre alt und drei Mal eine Verlängerung seiner Dienstzeit um ein Jahr erfolgreich beantragt.
Im Rahmen der Polizeiausbildung habe er dann auch die die Fachhochschulreife erworben und dann als „ganz normaler Polizist“ im Streifenwagen, in Wechselschicht, Dienst getan.
Nach einer erfolgreichen Ausbildung als Personenschützer habe sich eine heimatnahe Dienststellung leider nicht als dauerhaft erwiesen. Er habe dann eingewilligt, als Personenschützer in Mostar Dienst zu tun. Er habe dann 18 Jahre lang im Ausland Dienst getan; u.a. in Bosnien-Herzegowina, Albanien, ab 2000 Kosovo, und dann nochmals in Kroatien; ferner in Mazedonien, in Georgien, im Sudan, in Afghanistan, in Nigeria.
Zwischendurch habe er auch Dienst in Deutschland in Spezialverwendungen Dienst getan. Aus Altersgründen sei er 2010 nach Oberhausen versetzt worden, um dort die Presse- und Medienarbeit der Polizei zu organisieren, zuletzt als Leiter einer landesweiten Arbeitsgruppe im Bereich Social Media. Ferner habe er Projekte geleitet zum Schutz von Senioren vor Telefonkriminellen, Enkeltrick-Betrügern und anderen. Dann sei er für die Aufgabe eines Kontaktbeamten für interkulturelle und religiöse Angelegenheiten ausgewählt worden.
Sehr interessant war seine Bemerkung, als „alter weißer Mann“ sei es nicht so einfach, in eine Community oder in die Community überhaupt hineinzukommen. Da seine Frau aus Albanien komme und er relativ oft dort oder in Bosnien sei, könne er sich gut in Menschen aus anderen Ländern hineinversetzen, wo die Polizei viel autoritärer auftrete. Daher sei es sehr schwer für ihn als Polizeibeamter, sich eine Vertrauensposition aufzubauen. Dabei hätten ihn Herr Tüzün und Frau Arslanbenzer (Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums) sehr unterstützt.
Uns fällt diese Identifikation einer Fremdzuschreibung als „alter weißer Mann“, wenn auch durch Ironie abgeschwächt, auf. Seine Schwierigkeiten mit der „Community“ sind nichts anderes als durch das Abtauchen in einen eigenen Mikrokosmos bedingt; man könnte auch „Parallelgesellschaft“ sagen.
Symptomatisch der Kommentar von Herrn Aksünger: Er finde es gut, daß Herr Litges auf der internationalen Ebene gearbeitet habe und genau zur „Integrationsebene“ passe. Er könne die Menschen von der kulturellen Seite her mit einem ganz anderen Blick sehen. Daß Herr Litges eine Frau aus Albanien habe, „das macht alles noch integrierter in der Hinsicht.“
Rechtsextreme Straftaten – Geschäftsführer Telli.
Punkt 2 der Tagesordnung lautete „Anstieg rechtsextremer Straftaten. Was bedeutet das für Oberhausen?“ Damit war die Perspektive vorgegeben, die Geschäftsführer Telli wie folgt erläuterte:
NRW-Innenminister Reul habe am 19. 3. 2025 das aktuelle Lagebild zum Thema Rechtsextremismus vorgestellt. Zu den großen Auffälligkeiten gehört ein Anstieg rechtsextremer Taten um 60%, nämlich 5.641 Delikte gegenüber 3.541 Delikten 2023.
Besonders häufig handelte es sich um Propagandadelikte und Volksverhetzung. Auch die Zahl der Gewaltstraftaten durch rechtsmotivierte Tatverdächtige stieg um 33% auf 150.
Die Haßkriminalität stieg um 43% von 1.432 auf über 2.000. Besorgniserregend sei der Anstieg der jugendlichen Tatverdächtigen (14 bis 17 Jahre) mit einer 2023 und 2024 vergleichbaren Aufklärungsquote von aktuell 72%.
Danach versucht sich der Geschäftsführer an einer allgemeinen Einschätzung; u.a. sei der Rechtsextremismus heute moderner (weg von den Springerstiefeln), jünger und digitaler. Er sei zudem engagierter. Man warte nicht mehr, sondern sei proaktiv. Auch sei man in Gruppen zusammen, organisiere Reisen und Veranstaltungen, bei denen antidemokratische und menschenverachtende Inhalte verbreitet werden. Als Zusammenfassung wolle er ein Zitat des Innenministers bringen:
Er sagt, der Rechtsextremismus sei die größte Bedrohung für „unsere Demokratie“. Und das mache die Sache sehr deutlich.
Rechtsextreme Straftaten – aus der Pressemitteilung des Innenministeriums.
„Minister Herbert Reul: „Der Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für unsere Demokratie. Wir sehen, daß er sich modernisiert hat – heute weniger Glatze und Springerstiefel, dafür mehr Kurzvideos, Gaming und Active Clubs. Davon dürfen wir uns aber nicht täuschen lassen. Das ist nur alte Ideologie in neuem Gewand. Rechtsextremisten halten sich durch Haß und Hetze am Leben. Dem dürfen wir keinen Raum geben. Der Verfassungsschutz hat diese Entwicklungen fest im Blick. Aber der beste Verfassungsschutz besteht aus mündigen Bürgerinnen und Bürgern, die für ihre Demokratie eintreten und rechte Hetze in die Schranken weisen.“
Die Straftaten der politisch motivierten Kriminalität im Bereich Rechtsextremismus sind im letzten Jahr stark gestiegen. In 2024 waren es 5.641 Straftaten. 2023 zählte die Polizei noch insgesamt 3.549 Straften in Nordrhein-Westfalen. In 78 Prozent der Fälle handelte es um Propagandadelikte (3.511) und Volksverhetzung (839). Die Anzahl der Gewaltdelikte durch rechtsmotivierte Tatverdächtige stieg mit 154 Straftaten gegenüber dem Vorjahr (2023: 116) ebenfalls um 33 Prozent an. In den meisten Fällen (94 Prozent) handelte es sich hier um Körperverletzungen (145). Die Aufklärungsquote der Gewaltdelikte lag wie im Vorjahr bei 72 Prozent. Haßkriminalität stieg um 43 Prozent von 1.432 auf 2.049 Straftaten an. Auch der Anteil der Tatverdächtigen in der Altersgruppe der 14- bis 17jährigen hat sich erhöht. 287 Jugendliche in 2024 im Vergleich zu 100 ein Jahr zuvor.
Nach dem Lagebild Islamismus, das im Mai 2024 veröffentlicht wurde, handelt es sich mit dem Lagebild Rechtsextremismus um das zweite, das einen Extremismusbereich explizit beleuchtet. Im Koalitionsvertrag sind zudem weitere Lagebilder zu den Phänomenbereichen Linksextremismus und auslandsbezogener Extremismus vereinbart.“
Wir können uns nicht erinnern, daß das Lagebild Islamismus vom Mai 2024 besprochen worden ist. Wir können uns in den letzten fünf Jahren nicht an einen einzigen Beitrag zum Thema Islamismus im Integrationsrat erinnern. Offenbar ist – aus der Froschperspektive des Integrationsrates – der Islamismus eine Erfindung rechtsradikaler Medien.
Rechtsextreme Straftaten – aus der Sicht des Experten.
Herr Litges hatte sich zur Vorbereitung auf den Vortrag mit dem Leiter der für Rechtsextremismus zuständigen Abteilung, die in Essen angesiedelt ist, unterhalten. Mit diesem sei er die Statistik für Oberhausen durchgegangen. Die Erläuterungen des Leiters und der Rückgriff auf die eigene Erfahrung ergaben einen sehr spannenden Vortrag.
Der Anstieg an Straftaten der politisch motivierten Kriminalität im Bereich Rechtsextremismus von 2023 (3549) zu 2024 (5641) gilt gemeinhin als Indikator für eine Ausbreitung rechtsextremer Einstellungen. Einen starken Eindruck hinterläßt die Feststellung des Innenministeriums in der Pressemitteilung, Haßkriminalität sei um 43 Prozent von 1.432 auf 2.049 Straftaten angestiegen.
Tatsächlich ist die Interpretation der Statistik nicht so einfach, weil wichtige Aspekte, welche Einfluß auf die Zahlen nehmen, sich nicht exakt fassen lassen. Wir versuchen nachfolgend eine Beschreibung dieser Aspekte, wie sie in dem Vortrag dargestellt wurden.
Anzeigeverhalten.
Wenn ein Thema in der politischen Debatte stark herausgebracht wird, ändert sich möglicherweise auch die Bereitschaft, Anzeige zu erstatten. Angenommen, in Oberhausen würden 1.800 Taschendiebstähle angezeigt werden, dann könnte man sagen, das sei eine lächerliche Zahl. Tatsächlich sind es aber nicht 1.800, sondern 18.000 Taschendiebstähle oder 42.000. Denn viele Taschendiebstähle werden einfach nicht angezeigt.
Ein nachweisbarer Effekt ergibt sich aus der „niedrigschwelligen“ Anzeigenerstattung. Im Internet wird ein Politiker beleidigt, die Anzeige folgt und wieder gebe es einen Strich mehr in der Statistik zur Haßkriminalität. Grundsätzlich sei festzuhalten, daß man mittlerweile ganz andere Möglichkeiten habe, digital Anzeigen zu erstatten.
Auch das Abreißen, Übermalen oder Beschädigen von Wahlplakaten gehöre zu dieser Art von Straftaten.
Eine Zwischenbemerkung: Im Zusammenhang mit den Bundestagswahlen 2021 wurden mehr als 3.400 Angriffe auf Wahlplakate registriert: Spitzenwerte waren 1355 gegen AfD- und 637 gegen GRÜNE-Plakate.
Dazu können wir aus eigener Kenntnis mitteilen, daß in Oberhausen im Wahlkampf 2021 AfD-Wahlplakate relativ weit häufiger als im Bundestagswahlkampf 2025 oder im Kommunalwahlkampf 2025 Gegenstand von Vandalismus wurden. 2021 wurden vom Kreisverband so gut wie keine Anzeigen erstattet, im Kommunalwahlkampf 2025 über 200.
Die statistische Veränderung geht also auf eine bewußte politische Entscheidung – Anzeige erstatten ja oder nein – zurück und ist nicht unbedingt ein Indikator für vermehrte Antifa-Angriffe auf AfD-Wahlplakate in Oberhausen.
Kontrolldelikte.
Vor einigen Jahren habe man angefangen, Drogenkriminalität massiv in den Blickpunkt zu rücken. In der Statistik habe man im nächsten Jahr einen massiven Anstieg der Drogenkriminalität festgestellt. Die Reaktion sei gewesen, um Gottes Willen, was ist da los in Oberhausen? Tatsächlich habe man dieses Delikt über eine größere Fläche verteilt kontrolliert.
Wenn man Kontrolldelikte habe und den Druck erhöhe, sehe man natürlich auch Tatwerte oder Verstöße, die dann angezeigt werden. Also gebe es einen statistischen Anstieg. Ähnlich sei das auch bei den eingangs genannten Zahlen.
Es gehe hier, so Herr Litges, nicht darum, irgend etwas zu beschönigen, sondern so ließen sich die Zahlen, so der Essener Kollege, erklären.
Gewaltdelikte.
Interessant sei die zahlenmäßige Entwicklung der Gewaltdelikte von 2023 (116 Fälle) zu 2024 (154 Fälle). Diese Zahlen seien interessant. Und auch hier müsse man untersuchen, ob hinter jedem Gewaltdelikt wirklich eine Aktion stehe, wo Menschen bedroht worden seien. Hier hätten sich die Zahlen nicht so stark verändert wie bei den anderen Arten von Delikten.
Um diese Aussage des Kontaktbeamten richtig einschätzen zu können, ist folgendes zu beachten: Bei den zuerst genannten Delikten spielen Anzeigenverhalten und Kontrolldruck eine statistisch signifikante Rolle. Wir meinen, daß diese Delikte selbst unscharf definiert sind.
2017 hat das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen den NDR wegen der Sendung „extra 3“ abgelehnt. Das „Satiremagazin“ hatte die AfD-Vorsitzende Alice Weidel als „Nazi-Schlampe“ beleidigt. Das Gericht urteilte, der sachliche Zusammenhang überwiege und daher müsse das Persönlichkeitsrecht in diesem Fall hinter der Meinungsfreiheit zurückstehen.
Auch die hiesigen AfD-Stadtverordneten Kempkes, Lange, Noldus und Mumm sind einmal von dem LINKEN-Vertreter Karacelik in der Form beleidigt worden, daß sich in den Reihen der Ratsfraktion bekennende Neonazis befänden. Wir haben darüber berichtet (Die Verleumdung als das hohe Gut der Meinungsfreiheit.).
Im Gegensatz zu den juristischen Spielräumen bei der Interpretation dieser Sachverhalte sind Gewaltdelikte exakter zu definieren. Aber selbst hier hat das Innenministerium bei den 154 Fällen im Jahre 2024 nochmals 145 Fälle als Körperverletzungen eingegrenzt. Aus dem Verfassungsschutzbericht NRW für 2024 geht hervor, daß 2023 108 Fälle von Körperverletzungen (116 Gewaltdelikte insgesamt) registriert worden waren. Der Anstieg bei Körperverletzungen beträgt immerhin 34 Prozent, was die an sich richtige Aussage, hier hätten sich die Zahlen nicht so stark verändert wie bei Haßkriminalität (plus 43 Prozent) oder insgesamt (plus 58 Prozent) in einem etwas anderen Licht erscheinen läßt.
Zur Situation in Oberhausen.
Grundsätzlich, so Herr Litges, sei festzuhalten, daß bei einer Anzeige wegen Verbreitung von Haßbotschaften im Netz der Wohnort des Angezeigten entscheidend sei. Wer in Oberhausen wohne, tauche dann auch in der Oberhausener Statistik auf.
Aber aus seiner Beobachtung der Meldungen zur Aufbereitung für die Pressestelle könne er sagen, daß es in Oberhausen definitiv keine organisierte rechtsextreme Szene gebe. Allerdings gebe es gerade in Essen eine Gruppe hauptsächlich junger Menschen, die sich organisiert und vergrößert.
Ein Grund könnte – mit der Betonung auf „könnte“, wie wir anmerken – sein, daß „dieses Rechtssein“ eine Modeerscheinung darstelle, so wie die Jugend früher „links“ gewesen sei. In diesem Zusammenhang merkt Herr Litges an, daß nicht nur die rechte Szene, sondern die gesamte radikale Szene überhaupt in den sozialen Medien, auf TikTok, auf YouTube professionell unterwegs seien und gerade dort junge Menschen einfangen würden.
Die Debatte.
Die Vorsitzende Erdas bemerkt mit Blick auf die letzten Erklärungen, daß der Anstieg prozentual nicht so stark sei, wie es einige Zahlen anzudeuten scheinen. Aber es gebe doch wohl eine Dunkelziffer, und was sei der Grund für die höheren Zahlen. Angesichts des Anstiegs sei die nächste Frage, wie Polizei und Politik dagegen angehen könnten.
Was die Beobachtung angehe, das Rechtssein könnte eine Modeerscheinung sein, so stimme sie dieser Beurteilung zu. Dennoch müsse man das Klebenbleiben im Milieu als gefährlich ansehen und der Ausstieg sei, nach allem was man wisse, nicht gerade einfach. Sie frage sich nun, ob die Polizei und im nächsten Schritt der Sozialbereich Anregungen für Projekte geben könnten. Oder stehe man vor diesen Erscheinungen und sage einfach, das sei halt so. Diese Problematik müsse man in den nächsten Wochen oder Monaten bearbeiten.
Herr Litges möchte die Zahlen nicht schönreden. Es gebe eine gewisse Parallele mit den Zahlen zu Enkeltrick-Betrügereien im Hinblick auf ein hohes Dunkelfeld (also nicht angezeigter Taten). Es könne auch sein, daß sich in den geänderten Zahlen ein geändertes Sicherheitsgefühl – Hinweis von uns: im Sinne eines geänderten Anzeigeverhaltens ?! – spiegele.
Was mache die Polizei dagegen? Die Polizei habe natürlich ganz andere Aufgaben, als soziale oder gesellschaftliche Probleme zu lösen. Im Gegenteil, die Polizisten seien die ersten, die mit den Veränderungen in der Gesellschaft am ersten zu kämpfen hätten.
Das Wichtigste aus seiner Sicht wäre momentan, technisch aufzurüsten und daß man dort aktiv werden müsse, wo die Menschen radikalisiert werden, nämlich im Internet. Aber angesichts der technischen Ausrüstung und personellen Ausstattung der Polizei halte er das für illusorisch. Spezialisten zu bekommen, die den ganzen Tag das Internet durchsuchen, das werde es vielleicht irgendwann geben, aber nicht kurzfristig.
Man könne nur im Kleinen mit Kontaktbeamten für kulturelle Angelegenheiten wie ihm versuchen, eine Schnittstelle zu bilden; das sei genau sein Ansatz. Es gebe 10.000 Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen und jede Polizeibehörde müsse einen Kontaktbeamten haben. Anfänglich habe es für diese Tätigkeit kein Konzept gegeben. Das wichtigste sei, Kontakte zu knüpfen und Vertrauen aufzubauen als Schnittstelle zwischen Communities und Polizei. Das sei aus seiner Erfahrung nicht ganz einfach.
Er habe den Ansatz verfolgt, mit Jugendlichen darüber zu sprechen, wo sie eventuell radikalisiert werden. Leider würden die Täter immer jünger; das sei in echtes Problem. Selbst 13jährige radikalisierten sich innerhalb von Wochen im Internet, obwohl sie vorher teilweise mit der Religion gar nichts zu tun hatten und diese auch nicht verstehen würden. Plötzlich seien sie bereit, Anschläge durchzuführen.
Also habe er es als seine Aufgabe angesehen, wie man die Jugendlichen gegen Haßbotschaften im Netz immunisieren könne. Wie müßten Internetseiten aussehen, die interessant für die Jugendlichen wären und wo sie Informationen bekämen, um diese mit Haßbotschaften usw. abzugleichen. Konkret habe er in den Herbstferien im letzten Jahr an einem Oberhausener Gymnasium alle achten Klassen besucht und gefragt, wie so eine Internetseite aussehen müsse, um interessant zu sein. Wenig Worte, viele Bilder, viele Videos, Spiele?
Allerdings kann Herr Litges nicht sagen, was er konkret erreicht habe. Scheinbar hat der von ihm betriebene Aufwand nicht viel bewirkt; das ist jedenfalls der Eindruck des Zuhörers von seinen kurzen Anmerkungen.
Die Vorsitzende Erdas weist darauf hin, daß der Vortrag vielleicht doch zu sehr in die Details gehe. Sie würde gerne Fragen stellen lassen.
Herr Tüzün sieht als einzigen Lichtblick bei den Zahlen, daß die Aufklärungsquote gleich geblieben sei. Was das Fehlen einer organisierten Szene in Oberhausen angehe, so sei das Fehlen das eigentlich Gefährliche. Die Rechtsextremen seien unterschwellig in der Gesellschaft vorhanden und das zeige sich auch am extremen Wahlverhalten der Bürger in Oberhausen und auch in der Umgebung. Das sei schon bedenklich. Seine letzte Frage, nämlich die nach dem Alter der Täter, sei durch den Vortrag schon beantwortet worden.
Herr Litges meint, daß Einsamkeit auch eine Rolle spielt. Es gebe oft ein Schema bei jungen Menschen, die sich radikalisierten. Sie seien oft einsam, würden gemobbt und außen vor gelassen. Daher suchten sie nach Gleichgesinnten und einer Identität. Damit würden sie zu Opfern derjenigen, die radikalisieren. Dabei sei der politische Kontext zweitrangig; die Opfer würden auf die gleiche Mache hereinfallen.
Der letzte Täter, den man hier festgenommen habe, sei ein völlig unbekannter 15jähriger gewesen. Dieser habe überhaupt keinen Bezug zum Islam (gemeint: die islamistische Szene?!) gehabt. Der habe sich radikalisiert und wollte plötzlich Anschläge begehen. Man könne sich vorstellen, wie schwer die polizeiliche Arbeit sei.
Auf eine Zwischenfrage, ob er über Extremismus spreche oder über den Islam, meint Herr Litges, er spreche über „Menschen, die sich über eine Ideologie radikalisieren, um dann in dem Namen, was auch immer das ist, Anschläge zu begehen, Menschen zu töten.“
Herr Ejodamen erklärt, er komme aus der Sicherheitsbranche und wisse, wovon Herr Litges geredet habe. Er denke, es gebe ein großes Problem mit der Sicherheit in Deutschland. Dieses Problem habe sowohl mit den (fehlenden?!) vorbeugenden Maßnahmen der Polizei zu tun und auch mit den Bürgern.
Das Deutschland, wie er es von vor 30 Jahren kenne, sei nicht mehr das Deutschland von heute. Früher konnte man sich ohne Probleme überall frei bewegen und Sachen machen, ohne darüber nachzudenken. Früher habe die Polizei einen engeren Kontakt zu den Bürgern gehabt; heute gebe es den nicht mehr – warum?
Auf eine Zwischenfrage von Herrn Litges bekräftigt Herr Ejodamen, die früher bestehenden Kontaktmöglichkeiten zur Polizei gebe es nicht mehr:
„Wenn man der Wahrheit ins Auge sieht und eine Wahrheit sagt, das ist auch nicht mehr so wie früher.“
Aber er sei sehr froh, in Oberhausen zu leben; er komme aus Oberhausen und er werde hier sterben. Die „gefährlichen Leute“ kämen wieder aus dem Gefängnis und machten einfach weiter. Früher hätten diese Angst vor der Polizei gehabt und nicht einfach so weiter gemacht. Was man brauche, sei ein Sicherheitskonzept, damit das Land ruhig lebe. Er bitte Herrn Litges, das so weiterzugeben: „Wir müssen gucken, daß wir ein sicheres Deutschland haben.“
Frau Erdas regt an, daß Herr Ejodamen daraus etwas ausarbeitet, um das in einer anderen Sitzung als Hauptthema vorzustellen.
Herr Basoglu bezweifelt die Auskunft Herrn Litges‘, daß es keine Rechtsextremen in Oberhausen gebe, „die direkt gegenüber uns wohnen“ (auf der Elsässer Straße). Es hätten entweder die LINKEN oder die GRÜNEN gegen die Rechtsextremen demonstriert. Die Aussage könnte also falsch sein. Ferner frage er sich, ab wann man denn als rechtsextrem in der Statistik auftauche.
Frau Erdas weist Herrn Basoglu darauf hin, Herr Litges habe nicht gesagt, daß es keine Rechtsextremen in Oberhausen gebe, sondern daß es keine organisierte, rechtsextreme Szene gebe.
Herr Aksünger fragt, ob sich die Polizei von der Politik unterstützt fühle und was die Politik tun könne, um diese Delikte besser aufklären zu können. Er wünsche sich einen dauerhaften Ansprechpartner.
Herr Litges betont, immer ansprechbar zu sein und weist darauf hin, daß seine Mitarbeiterin, eine Türkin, aus Oberhausen komme. Dann betont er, daß die Polizei nicht konzeptionslos sei; das Gegenteil sei der Fall. Ferner sei Oberhausen eine der sichersten Städte in Deutschland und auch die Zahlen in der Kriminalstatistik von ganz NRW seien rückläufig. Auch in Wülfrath, wo er jahrelang Dienst getan habe, seien Gewaltdelikte vorgekommen. Diese hätten in der Zeitung gestanden und wären nach einer Woche vergessen worden. Aber heute könne man mit dem Handy jemanden im Centro mit Sturmmaske und Gummimesser filmen und alle würden sagen „Oh Gott, das ist Oberhausen!“ Das müsse an bitte berücksichtigen.
Die Vorsitzende bedankt sich bei Herrn Litges und leitet zum nächsten Punkt der Tagesordnung über.