Eine unspektakuläre Sitzung, die dennoch interessante Details aufwies. Man muß nur genauer hinschauen.Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20221030b_Kulturausschuss_20221026

Die Haushaltsvorberatung.

In Vertretung des Ausschußvorsitzenden Flore (SPD), der sich zur Zeit in Tichy aufhält, eröffnete Frau Gödderz (GRÜNE) die Sitzung. Nach der Erledigung einiger Formalien begann der Ausschuß mit den Vorberatungen des Haushaltes 2023, soweit dieser den Kulturbereich betrifft.

Der Kulturdezernent Herr Tsalastras erklärte in seiner Eigenschaft als Stadtkämmerer, der Haushalt sei in der Vorbereitungsphase unter der Annahme erstellt worden, daß die Landesregierung die COVID-Isolierung verlängere. Aber die Landesregierung habe anders als geplant entschieden. Zunächst sei die COVID-Isolierung nicht verlängert worden. Damit sei der Haushaltsplan hinfällig gewesen und zugleich sei die mittelfristige Finanzplanung (2023 bis 2026) dann wegen der Haushaltssicherung (die Stadt hätte ja dann Schulden) nicht mehr möglich gewesen.

Hinweis: Mit einem zum 1. 10. 2020 geltenden Gesetz „zur Isolierung der aus der COVID-19-Pandemie folgenden Belastungen“ ist es den Kommunen möglich, die verminderten Einnahmen und Mehrausgaben im Haushaltsplan gesondert auszuweisen. Diese Belastungen können dann durch einen fiktiven „außerordentlichen Ertrag“ auf dem Papier in gleicher Höhe ausgeglichen werden. Formal ist die Kommune dann schuldenfrei.

Vereinfacht gesagt, hilft die Landesregierung den verschuldeten Kommunen auf diesem Wege, selbständig einen Haushalt aufzustellen, der lediglich von der Bezirksregierung zu genehmigen ist (sog. Haushaltssicherungskonzept). Würde man nicht die Kommunen aufgrund dieser Bilanzierung formal schuldenfrei halten, würden sie von der jeweils zuständigen Bezirksregierung einen Haushalt vorgesetzt bekommen (sog. Nothaushalt).

Die Landesregierung, so der Stadtkämmerer in der Ausschußsitzung weiter, sei aber auf den Ausweg verfallen, die Covid-Isolierung durch eine Ukraine-Isolierung (als sog. außerordentlicher Ertrag) abzulösen. Aus diesem Grunde sei auch die mittelfristige Finanzplanung wieder möglich geworden. Im Endeffekt sei die Covid-Isolierung aus der mittelfristigen Gesamtplanung herauszunehmen gewesen, um danach die Ukraine-Isolierung vorzunehmen. Die vorgenommenen Veränderungsnachweise seien sehr kompliziert gewesen und hätten viel Mehrarbeit bedeutet. In der geänderten Fassung sei der Haushaltsplan am Sitzungstage in den Unterschriftengang gegangen.

Im Endeffekt sei es zu einer noch höheren Verschuldung gekommen. Die Lohnsteigerung sei nun mit 7,5 Prozent (statt vorher 2,5 Prozent) angesetzt worden. Desgleichen habe man höhere Energiekosten einsetzen müssen. Die Flüchtlingskosten seien schon „vorher drin gewesen“.

Das Defizit betrage jetzt 87 Mio. €. Die Entwicklung der Dinge „treibt uns in eine neue, hohe Verschuldung“. In den Folgejahren müsse man massive Bemühungen vornehmen, um den „Haushalt wieder hereinzuholen“ und Einsparungen vornehmen. Wenn dann 2024, wie von der Landesregierung versprochen, keine Altschuldenlösung erfolge, „dann haben wir ein massives Problem“.

Der Ausschuß nahm im Prinzip ohne inhaltliche Stellungnahmen die Ausführungen des Stadtkämmerers zur Kenntnis. Herr Tsalastras betonte, man müsse sich im nächsten Jahr auf Landesebene stark machen, um eine Altschuldenlösung zu bekommen. Er dankte der Verwaltung für die Erledigung der schwierigen Aufgabe, den Haushalt mit verschiedenen „Isolierungen“ zu erstellen. Alles sei sehr kompliziert gewesen. Zweitens gehe der Dank an alle öffentlichen Kultureinrichtungen, die all die Jahre vorausschauend geplant haben und jetzt sei dadurch der Fortgang von deren Arbeit gesichert.

Ein für den im Ausschuß bezeichnendes Detail folgte:

Frau Gödderz stellte fest, daß man den Haushalt einstimmig zustimmend vorberaten habe und ging zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Herr Noldus (AfD) fragte nach, ob darüber noch abgestimmt werde oder nicht. Warum sie eine Zustimmung automatisch vorausgesetzt habe. Frau Gödderz merkte widerwillig an, daß man ja abstimmen könne. Sie fragte, wer dagegen sei (Herr Noldus meldete sich), und stellte dann fest, daß gegen die Stimme der AfD zustimmend vorberaten worden sei. Ein Teilnehmer zeigte auf und stellte fest, er melde sich gerne, um seine Zustimmung durch Heben des Armes zu signalisieren.

Getrennt davon wurde über das Haushaltssicherungskonzept abgestimmt. Auf allgemeinen Wunsch hin – der sogenannte Beratungsbedarf, den jede Fraktion usw. das Recht hat anzumelden – wurde ohne Votum vorberaten.

Soziokulturelle Zentren: Förderung durch die Hintertür.

Bei der „Umsetzung des Glasfaserausbaus, des Digitalpakts Schule und der Sofortausstattungsprogramme (M/17/2594-01)“ wollte Herr Scherer (SPD) in der Form der M-Vorlage eine tabellarische Übersicht auch für die kulturellen Einrichtungen zum Stand des Glasfaserausbaues.

Frau Wolter (CDU) dankte für die schnelle Abarbeitung der Liste; fast jeden Monat komme eine neue Schule hinzu.

Herr Gadde (GRÜNE) verlangte ebenfalls eine tabellarische Übersicht über die Kultureinrichtungen, die vom Glasfaserausbau profitierten. Dazu sollten doch in der nächsten Ausschußsitzung auch Vertreter der Fachverwaltung anwesend sein, um Fragen zu beantworten.

Herr Tsalastras stellt fest, das Bedürfnis nach einer Aufstellung der Kultureinrichtungen sei kommuniziert worden; das sei „wahrscheinlich durch gegangen“.

Hierzu ist anzumerken, daß sich die Stadt Oberhausen den Luxus von fünf soziokulturellen Einrichtungen leistet. Jede andere Kommune in NRW hat eins, in ganz seltenen Fällen zwei dieser Zentren, die jeweils Mitglied des Landesverbandes soziokultureller Zentren (insgesamt 78 Einrichtungen) sind.

In Oberhausen werden diese Zentren mit Steuergeldern in Millionenhöhe bedacht, ohne daß sie gegenüber dem Rat rechenschaftspflichtig wären. Dieser Zustand, der möglicherweise Unterschlagungen begünstigt, wurde von der AfD-Fraktion allgemein bekannt gemacht und in einem Antrag behandelt, der Rechenschaftsberichte der soziokulturellen Zentren vorsah. Die selbsternannten demokratischen Parteien im Rat lehnten diesen AfD-Antrag ab und stimmten somit für den Verzicht auf ihre Kontrollrechte.

Neue Förderrichtlinien?!

In bezug auf die „Richtlinien zur Förderung freier Kulturarbeit (B/17/2584-01)“ entschuldigte sich der Kulturdezernent dafür, daß deren Ausarbeitung so lange gedauert hatte. Wegen der Umstrukturierungen im Kulturbüro seien erst jetzt die lange versprochenen Richtlinien vorgelegt worden.

Frau Wolter (CDU) merkte an, man möchte gerne die Vorlage in die nächste Sitzung schieben. Herr Tsalastras bot an, „in die Fraktion zu kommen“, um Fragen zu beantworten. Frau Wolter meinte, man sei noch nicht alle Punkte durchgegangen. Die Vorlage soll daher in der nächsten Sitzung nochmals auf die Tagesordnung kommen.

Das „in die Fraktion kommen“ bezeichnet eine Kungelrunde von Dezernenten und Parteienvertretern, in denen es darum geht, erkennbare Widerstände auszuräumen. Ziel ist es, wie hier auch, bestimmte Anliegen schneller durchzusetzen. Oder, meistens eine der großen Fraktionen zur Zustimmung zu einem Vorhaben zu bewegen. Das Angebot zu Gesprächen „in der Fraktion“ erhalten alle Parteien bzw. Fraktionen außer der AfD-Fraktion, weshalb wir es uns erlauben, von Kungelrunden zu sprechen.

Was die Haltung der CDU in der nächsten Sitzung angeht, wagen wir eine Voraussage: Frau Wolter wird einige „kritische Punkte“ auflisten, bei denen man gewisse Bedenken geltend macht. Der Kulturdezernent wird diese Bedenken rhetorisch elegant ausräumen. Der Ausschußvorsitzende Flore wird sein Bestes geben, allseitig Harmonie zu bekunden, „wie wir das immer in diesem Ausschuß gehalten haben!“ Mit einem inneren Vorbehalt, so tief im Inneren verborgen, daß sich nicht einmal die CDU nach der Sitzung daran zu erinnern vermag, jemals einen Vorbehalt gehabt zu haben, wird Frau Wolter den Richtlinien zustimmen.

Über den leichtfertigen Umgang mit Geld.

Eine für den Umgang mit Geld im Kulturbereich typische Debatte gab es um den Jugendförderpreis 2021/2022 (M/17/2560-01).

Herr Scherer (SPD) nannte den Jugendförderpreis ein extrem wichtiges Instrument; die schulische Anbindung sei sehr wichtig. Es sei schön, daß es weiter gehe. Schade nur, daß die Teilnehmerzahlen so gering seien. Er würde gerne der Verwaltung den Auftrag mitgeben, zu überlegen, wie man die Veranstaltung noch bekannter machen könne.

Frau Wolter (CDU) „hatte die Ehre“, an allen bisherigen Verleihungen der Jugendförderpreise teilzunehmen. Die Qualität sei außerordentlich hoch. Man sehe oft Ideen verwirklicht, die selbst erwachsene Künstlern nicht oft haben. Man müsse mehr in die Öffentlichkeit gehen. Vielleicht könne die Presse da helfen. Herr Scherer (SPD) wollte zudem gerne die Vorlage im Schulausschuß vorlegen.

Eine Verwaltungsmitarbeiterin erläuterte die bisherige Öffentlichkeitsarbeit. Im O-Magazin sei bisher ein Artikel erschienen mit der Vorstellung der Preisträger. Man werde die Preisverteilung auf jeden Fall bekannt geben. Alle Teilnehmer bekommen ein A-0-Plakat. Was Trailer angeht, müsse man sehen, was geht. Es gebe im Kulturbüro keinen Etat für die Erstellung eines Trailers, für die Jury, für die Preisverteilung, für die Öffentlichkeitsarbeit.

Herr Tsalastras kündigte die Verleihung als eigene Veranstaltung an; der Kulturauschuß werde dazu eingeladen werden.

Herr Gadde (GRÜNE) schlug vor, im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit für Workshops zum Jugendförderpreis 4.000 € aus dem unter TOP 7 verhandelten Etat (M/17/2586-01) zu nehmen, da noch Gelder aus dem jährlichen Etat des Kulturausschusses übrig seien.

Herr Tsalastras erläuterte, der Jugendförderpreis werde aus Mitteln für „freie kulturelle Aktivitäten“ finanziert. Eine Erhöhung des Budgets zur Finanzierung der Workshops sei grundsätzlich möglich. Auf eine entsprechende Frage merkte er an, die Restgelder unter TOP 7 würden am Jahresende verfallen.

Herr Scherer (SPD) stimmte dem Vorschlag Herrn Gaddes (GRÜNE) zu: „Das Geld ist da, es würde sonst verfallen.“ Das Kulturbüro möge einen Vorschlag zur Erhöhung des Budgets für den Jugendförderpreis unterbreitet. Herr Tsalastras versprach daraufhin für die nächste Sitzung des Kulturausschusses eine Vorlage zur Finanzierung von „Workshops oder Seminaren“.

Nachdem noch drei weitere Ausschußmitglieder ihre Ansichten über eine Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit zum Jugendförderpreis vorgetragen hatten, ging man zum nächsten Punkt der Tagesordnung über.

Ketzerischer Gegenvorschlag: Wenn der Jugendförderpreis auf so wenig Widerhall stößt, könnte man besser das Angebot der Nachfrage anpassen und – es vom Markt nehmen.

Die Debatte zur „Übersicht über verausgabte und verplante Mittel der Position „Freie kulturelle Aktivitäten“, Kostenart 531823, Auftrag 860004070300 (M/17/2586-01)“ zeigte sehr anschaulich, wie tief ein unsolides Finanzgebaren im Kulturbereich Einzug gehalten hat, weil sich die Vertreter der selbsternannten demokratischen Parteien im Kulturausschuß regelmäßig von der Rhetorik des Kulturdezernenten um den Finger wickeln lassen wie Anfänger.

Herr Tsalastras sprach davon, man sende Signale an die kulturelle Szene, daß man noch Fördermittel bekommen kann, zumal im Ausschuß viele Leute mit entsprechenden Verbindungen säßen.

Herr Gadde (GRÜNE) erkundigte sich nach dem Einsendeschluß für die letzten Anträge für 2022.

Herr Tsalastras nannte als Endtermin „10 Tage vor der letzten Sitzung“. „Kleine Beträge“ würden vom Kulturbüro selbst vergeben.

Eine Verwaltungsangestellte nannte 20 Tage Vorlaufzeit als notwendiges Mindestmaß. Der 2. November wäre der letzte Tag.

Herr Tsalastras meinte, zehn Tage vorher würde noch gehen. Das größere Problem sei, daß es manchmal Anträge gebe, die formal nicht beratungsfähig seien. Dann würden zehn Tage nicht reichen.

Hintergrund der Debatte ist, daß von den ca. 50.000 €, über die der Kulturausschuß als eigener Etat jährlich verfügen kann, immer noch 24.000 € nicht abgerufen worden sind. Zum Jahresende fließen diese Gelder an die Stadtkasse zurück. Anstatt nun einmal zur Kenntnis zu nehmen, daß man bei der Finanzplanung offenbar den Bedarf überschätzt und man folglich etwas eingespart hat, ohne jemandem weh zu tun, müssen die Gelder zwanghaft ausgegeben werden.

Normalerweise müssen alle Fachbereiche beim Stadtkämmerer Schlange stehen und um Gelder kämpfen. Wer irgendwo etwas eingespart hat, wird dadurch „belohnt“, daß er im nächsten Etat an dieser Stelle weniger Geld bekommt. Also gibt man alles aus und versucht, das beste für sein Ressort herauszuholen.

In diesem Fall – bei der Personalunion zwischen Stadtkämmerer und Kulturdezernent – ist das übliche Regulativ ausgesetzt. Der Kulturdezernent Tsalstras muß also nicht befürchten, daß ihm der Stadtkämmerer Tsalastras im nächsten Jahr die Mittel streicht. So hat sich eine Mentalität im Kulturbereich etablieren können, wo man mitnimmt, was eben geht. Und für eine stark verschuldete Kommune wie Oberhausen geht im Kulturbereich nach Auffassung der AfD-Fraktion viel zu viel…

Die Ludwiggalerie 2023.

Zum Schluß der Sitzung gab es einen Vortrag von Frau Vogt über das Programm 2023 der Ludwiggalerie. Sie erläuterte, die Konzeption der Galerie bestehe seit 1998, feiere also im Jahre 2023 ihr 25jähriges Jubiläum und werde fortgeschrieben. Wir geben hier einen kurzen Überblick:

    • 22. 1. bis 1. 5. 2023 Photographien von Barbara Klemm (FAZ-Bildberichterstatterin, Aufnahmen von 1967 bis 2019).

    • Parallel dazu Ausstellung von der Verleihung des Max-und-Moritz-Preises Erlangen.

    • 14. 5. bis 17. 9. 2023 Jubiläumsausstellung über Peter und Irene Ludwig: Stücke aus der Porzellansammlung der Ludwigs.

    • 24. 9. 2023 bis 24. 1. 2024 Ausstellung zu Michael Ende (Jim Knopf, Bastian, Momo: Karikaturen und Buchillustrationen).

    • 25. 6. bis 8. 10. 2023 Ausstellung zu Sven Drühl (zeitgenössischer Künstler und Kulturwissenschaftler).

    • 22. 10. 2023 bis 21. 1. 2024 Arbeitskreis Oberhausener Künstler.

An den Vortrag schloß sich ein kurzer nichtöffentlicher Teil an. Um 16.30 Uhr – nach 90 Minuten – beendete Frau Gödderz die Sitzung.