Im Gegensatz zur letzten Sitzung, die am 6. 12. 2022 in den gediegen ausgestatteten Räumlichkeiten der „Kleinen“ (wie wir inzwischen erfahren haben) Alevitischen Gemeinde stattgefunden hatte, tagte der Integrationsrat dieses Mal wieder in der LAH. Von E. Noldus.

Der Text als pdf-Datei: 20230224b_Integrationsrat_20230214

Eine Schweigeminute.

Obwohl der äußere Rahmen im Sitzungssaal Paris aus der vorweihnachtlichen Stimmung wieder in die Routine des Tagesgeschäftes wies, gab es dennoch eine Besonderheit.

Frau Erdas begrüßte die Anwesenden und bat vor Eintritt in die Tagesordnung um Aufmerksamkeit. Sie wies auf das Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet mit zehntausenden von Opfern hin; auch in Oberhausen seien viele Menschen betroffen, da sie Angehörige unter den Erdbebenopfern hätten. Sie bedankte sich bei allen, die einen Beitrag zur Hilfe für die Betroffenen geleistet haben. Stellvertretend nannte sie die Alevitische Gemeinde, welche vier LKWs mit Hilfsgütern gesammelt und etwa 50.000 € gespendet hatte, um sich besonders zu bedanken. Die Anwesenden erhoben sich danach zu einer Schweigeminute.

Mit Billigung der Teilnehmer wurde ein Antrag der Türkischen Gemeinde Oberhausen als TOP 9 neu eingesetzt.

Sachstand Kommunales Integrationskonzept.

Man ist gewohnt, an dieser Stelle Herrn Stein am Mikrophon zu sehen. Dieses Mal – und künftig für immer?! – erläutert Frau Arslanbenzer den Sachstand. Sie befinde sich noch in der Einarbeitungsphase und sei noch nicht mit allen Einzelheiten vertraut, bittet sie die Anwesenden um Verständnis. Aktuell, so berichtet sie, habe man 50 Laiensprachmittler beschäftigt, die 2020 zu insgesamt 697 Einsätzen herangezogen worden seien. Gegenwärtig betrage der Anteil an russisch-ukrainischen Übersetzungen ca. 55 Prozent. 2015 wären Arabisch oder Farsi an erster Stelle gewesen. So spiegle der Bedarf die aktuellen Fluchtbewegungen wider.

Im Bereich „Kultursensible Altenpflege“ spielen Fastenbrechen, Informationsveranstaltungen und Tagespflege eine wichtige Rolle. Im Juni 2023 findet eine Veranstaltung für Leitungskräfte in der kultursensiblen Altenpflege statt.

Das geplante Fest zum Internationalen Frauentag (8. März) soll erstens verschoben und zweitens als kleines Fest stattfinden, zu dem Frauen ihre Themen zu „Frauen und Migration“ zusammentragen. Der Grund für die Änderung, so erläutert später Herr Telli, sind die Auswirkungen der Erdbebenkatastrophe, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, große Feste zu feiern.

Gemeinwesenarbeit als Demokratisierungsarbeit.

Bekanntlich hatte der Integrationsrat am 6. Dezember eine „Anregung“ verabschiedet, die in der Ratssitzung vom 6. Februar gegen die Stimmen der AfD gebilligt worden war.1 Frau Erdas hatte die „Anregung“, die im Grunde nichts anderes als ein Antrag ist, begründet und bei dieser Gelegenheit von den „demokratischen Parteien“ gesprochen; in einer Pressenotiz benutzte sie in diesem Zusammenhang den Ausdruck „Phalanx“. In ihrer Rede vor dem Rat bezeichnete Frau Erdas die Liricher allgemein und undifferenziert als „Feinde der Demokratie“, die man durch „Gemeinwesenarbeit“ bekämpfen müsse.

In der aktuellen Sitzung verkündet Frau Erdas den Erfolg der „Anregung“ und wiederholt den Tenor ihrer im Rat gehaltenen Rede. Herr Noldus bittet ums Wort und macht sich zur allgemeinen Verwunderung auf den Weg zum Rednerpult. Es ist wohl ungehörig, daß ein AfD-Vertreter sich nach vorne wagt. Das jedenfalls läßt ein Zwischenruf und gemurmelter Protest des Herrn Karacelik (LINKE) erkennen. Während der Rede wird Herr Noldus zweimal von der Vorsitzenden unterbrochen: Einmal mit dem Hinweis, bitte lauter zu sprechen. Das zweite Mal kurz darauf mit der Bemerkung, er hätte doch in der Sitzung am 6. Dezember zur Vorlage sprechen können; diese sei doch verabschiedet und er hätte genug geredet (Beifall der Anwesenden).

Wir erinnern an einen Vorfall aus der konstituierenden Sitzung des Integrationsrates. Zu Beginn des nichtöffentlichen Teils bat der Geschäftsführer, Herr Telli, den als Gast anwesenden Stadtverordneten Noldus, den Raum zu verlassen. Herr Noldus entfernte sich ohne weiteres, um danach von der Stadtkanzlei das bestätigt zu bekommen, was er als neugewähltes Ratsmitglied in der Gemeindeordnung NRW und in der Geschäftsordnung des Rates nachgelesen hatte. Ein Ratsmitglied hat als Gast auch im Integrationsrat – wie in anderen Ausschüssen – das Recht, am nichtöffentlichen Sitzungsteil teilzunehmen. Wir empfehlen an dieser Stelle Frau Erdas das Studium der Gemeindeordnung und auch der Geschäftsordnung. Wer die verantwortungsvolle Position einer Ausschußvorsitzenden bekleidet, muß in dieser Hinsicht einen anderen Kenntnisstand aufweisen als ein normales Ratsmitglied. Sie sollte ihr besonderes Augenmerk auf die Sitzungsleitung des Oberbürgermeisters in den Ratssitzungen richten, von dem sie noch viel lernen kann; wenn sie denn nicht nur körperlich anwesend ist.

Nach der Erläuterung der Gründe durch Herrn Noldus, warum die AfD-Ratsfraktion die „Anregung“ im Rat abgelehnt hatte (zum Redetext siehe Anlage 1), liest Frau Demirci (Team Oberhausen) eine vorbereitete kurze Rede vom Blatt ab. Es sei für sie eine große Freude, daß der Rat überzeugt wurde, dem Integrationsrat in seiner Anregung zur Gemeinwesenarbeit in Lirich zu folgen. Sie danke dem Rat für dessen Zustimmung. Der Aufbau der Gemeinwesenarbeit bedeute, die Demokratiearbeit voranzutreiben. Es sei anzustreben, daß die Gemeinwesenarbeit auf das ganze Stadtgebiet auszuweiten sei.

Routinefragen.

Zum Sachstand „Vielfalt ist meine Heimat“ berichtet Herr Telli unter Zurückweisung eines Heimatbegriffes „fernab verbohrter Ansätze“ u,a, von Filmen, die im Jugendparlament gezeigt werden sollen. Es handelt sich um „Wo ist Anne Frank?“, „Neneh Superstar.“ und „Der vermessene Mensch.“ Sie variieren das Rassismus-Thema mit den Nuancen „Die Deutschen sind Rassisten“ bzw. „Die Weißen sind Rassisten“ und sind durch die Auswahl des Sujets besonders zur staatspolitischen Erziehung von „Kartoffeln“ (nach Ferda Ataman) geeignet.

Beim Thema „Integration durch Sport“ wird durch die Einleitung Herrn Tellis und den Vorträgen zweier Vertreter des Stadtsportbundes deutlich, daß es hier eigentlich nicht um Sport geht. Herr Telli gibt einige Daten bekannt, die wir hier zwecks selbständiger Recherchen wiedergeben:

  • 2007 Ratsbeschluß zum Kommunalen Integrationskonzept Oberhausen.
  • 2012 Umsetzung des Kommunalen Integrationskonzeptes.
  • 2016 Ratsbeschluß: Strategischer Steuerungsansatz & Arbeits- und Beteiligungsstruktur.
  • 2017 Informationsmonitoring – Ansatzpunkte für eine strategische Steuerung.

Aus den Vorträgen sind besonders die Hinweise wichtig, daß man die „Qualifizierung interkultureller Übungsleiter“ als Erfolg betrachte und daß es bei „Integration durch Sport für Übungsleiter“ eigentlich um „ Rechtsextremismus- und Rassismusprävention“ gehe.

Zu den Vortrag „Örtliche Planung nach § 7 Alten- und Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen 2022 – 2026 (M/17/2454-01)“ gibt es eine interessante Frage: Eine Sitzungsteilnehmerin möchte ihre Mutter „kultursensibel unterbringen“; wo man sich nach den Möglichkeiten erkundigen könne. Wahrscheinlich hält sie es für unzumutbar, daß ihre Mutter von einer Asiatin oder Afrikanerin umsorgt wird?! Zum „Datenkompass: Bildung 2022 (M/17/2992-01)“ gibt es keine Fragen. Lediglich Herr Basoglu (Team Oberhausen) schlägt vor, mehr Angebote zur Arbeitnehmerfortbildung machen. Besonders im Bereich EDV würden Angebote gewünscht. Wir sind gespannt, ob diese praktische Anregung in irgendeiner Form umgesetzt wird.

Die bewilligten Förderanträge.

Es liegen hier im einzelnen vor und werden gebilligt:

  • Förderantrag Alevitische Gemeinde Alt Oberhausen e. V. auf Zuschuss für interkulturelle Begegnungstage vom 07. – 10. Februar 2023 unter dem Motto „Gemeinsam in und für Oberhausen“.

Beantragt sind 2.300 €; es wird vorgeschlagen, 1.200 € zu bewilligen. Bei zwei Enthaltungen (u.a. Herr Noldus) wird der Förderantrag gebilligt.

  • Förderantrag Alevitische Gemeinde Alt Oberhausen e. V. auf Zuschuss für die interkulturelle Veranstaltung im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus vom 20. 3. – 2. 4. 2023.

Beantragt sind 800 €; nach einem entsprechenden Vorschlag bewilligt der Integrationsrat 500 € gegen die Stimme der AfD. Es ist nach unserer Auffassung legitim, für kulturelle Veranstaltungen Zuschüsse zu beantragen und zu erhalten. Bei Projekten, die von durch Bundesgelder geförderte Linksextremisten begleitet werden und die für ihre Hetze die Alevitische Gemeinde als Deckmantel mißbrauchen, muß man nicht unbedingt mitmachen. Ohne „Rassismus“ gerne!

  • Antrag der Türkischen Gemeinde Oberhausen für vier geplante Gesundheitsveranstaltungen am 3. 3., 5. 5., 9. 6. und 18. 8. 2023 mit jeweils einem Facharzt und Vortrag in Türkisch und Deutsch.

Frau Paspaliari (CDU) bemängelt die fehlende Begründung des Antrages. Es werde nicht erklärt, wofür das Geld (2.000 €) gebraucht werde. Sie bittet um eine vorherige schriftliche Begründung. Sie erklärt, die „Vorlage schieben“ zu wollen. Herr Telli erläutert den Antragsinhalt und verspricht, die Unterlagen nachzureichen. Frau Paspaliari bedauert, unter diesen Umständen nicht zustimmen zu können.

Frau Demirci schlägt vor, für die vier Veranstaltungen 1.000 € zu bewilligen. Der Integrationsrat stimmt dem Antrag gegen eine Stimme (Frau Paspaliari) bei Enthaltung der AfD zu. Wir erachten es nicht für opportun, uns in die innertürkischen Angelegenheiten des Integrationsrates einzumischen.

Verfahrenstechnisch sind hier Besonderheiten anzuführen, die uns bisher in dieser Form nicht aufgefallen sind. In allen drei Fällen wurde die jeweils beantragte Summe gekürzt; maßgeblich nach Vorschlägen von Frau Demirci, die überhaupt sehr fleißig mitarbeitet. Eine nähere Begründung der vorgeschlagenen Kürzungen ist nicht erfolgt.

Eine Debatte über die Anträge (mit Ausnahme von Frau Paspaliari) fand nicht statt; ebensowenig eine Begründung durch den bzw. die Antragsteller. Einen eigenen Antrag nicht zu begründen, kommt in den Fachausschüssen gelegentlich vor, gilt aber als etwas lahm. Im Rat macht man sich allgemein lächerlich; ausgenommen die Fälle, wo man in allgemeiner Form auf vorangegangene und allgemein bekannte Debatten in den Ausschüssen verweist und es sich vielleicht noch um einen dort debattierten Änderungsantrag handelt. Hier aber, wo – beim Integrationsrat – keine Ausschüsse vorgeschaltet sind, sollte man doch die eigenen Anträge begründen.


Anlage 1:

Rede des Mitgliedes des Integrationsrates Noldus zum Tagesordnungspunkt 2 „Gemeinwesensarbeit als Demokratisierungsarbeit – Sachstand“ in der Sitzung am 14. 2. 2023.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende [Erdas], sehr geehrte Damen und Herren des Integrationsrates!

Ich möchte kurz darlegen, warum die AfD in der letzten Ratssitzung [am 6. Februar] gegen die vorliegende „Anregung“ gestimmt hat. Vorab eine grundsätzliche Anmerkung:

Nach Artikel 3 des Grundgesetzes darf niemand unter anderem wegen seiner Abstammung benachteiligt oder bevorzugt werden. Viele Mitglieder des Integrationsrates sind deutsche Staatsangehörige, welche aufgrund ihrer Abstammung ein besonderes Stimmrecht haben.

Bei der Kommunalwahl 2020 erhielt Team Oberhausen ungefähr 1800 Stimmen, ungefähr genauso viele Stimmen erhielten FDP und BOB bei der Ratswahl.

Team Oberhausen hat durch § 27 der Gemeindeordnung ein eigenständiges Antragsrecht im Rat, welches formal „Anregung“ genannt wird. FDP und BOB haben als Gruppen dieses Antragsrecht nicht.

Es ist einerseits legitim, wenn der Integrationsrat seine Privilegien nutzt. Andererseits mißfallen uns als AfD Unterschiede, die bei deutschen Staatsangehörigen allein aufgrund ihrer Abstammung gemacht werden.

Die vorliegende „Anregung“ behauptet nun, in Lirich ein Potential für rechtes Gedankengut, Populismus usw. ausgemacht zu haben.

Tatsache ist: Wer arbeitslos ist, wer nur einem Minijob nachgeht, wer eine kleine Rente bezieht, kurz: wer arm ist, wird hier diffamiert und verleumdet.

Jahrzehntelang war Lirich eine Hochburg der SPD – 1985 bei der Landtagswahl 72 Prozent.

Jahrzehntelang wurden die Menschen mit Stichworten hingehalten und belogen – Strukturwandel – Globalisierung – Digitalisierung usw. bis sie nicht mehr wählen gingen oder eben nicht mehr SPD wählten.

Erst die Arbeit nehmen – dann die Würde. Das ist der Weg der SPD!

Ich habe im Rat abschließend gesagt, die vernünftigen Mitglieder des Integrationsrates sollten genau hinschauen, wessen Interessen sie vertreten.

Es ist ein Irrweg, politisch perspektivlosen Linksextremisten nachzulaufen, auch wenn sie mit schönen Titeln wie „NRWeltoffen“ oder „Demokratie leben“ daherkommen.

Die Jugendorganisationen der Parteien in Oberhausen führen gerade eine Debatte über den Umgang mit Linksextremisten. Genau das möchte ich dem Integrationsrat auch empfehlen.

Zum Schluß ein kleiner Hinweis:

Wenn schon der Integrationsrat ein eigenständiges Antragsrecht besitzt, dann nutzen Sie dieses Recht in kommunalpolitisch verantwortungsvoller Weise. Die Diffamierung der Liricher jedenfalls ist verantwortungslos. Ich danke Ihnen!“