In der Sitzung des Kulturausschusses am 11. Mai ging es – ganz im Gegensatz zur vorangegangen Sitzung – ruhig und beschaulich zu. Das Resultat: Die Oberhausener Kulturszene expandiert weiter. Von E. Noldus.
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Von Kleinigkeiten und Beschäftigungstherapie.
Zum ersten Punkt der Tagesordnung „Förderprogramm ‚2.000 x 1.000 Euro für das Engagement‘ des Landes NRW 2023“ (M/17/3262-01) gab es eine kurze Frage, warum drei Anträge abgelehnt worden seien (was für das Verständnis der hiesigen Kulturszene ein Vorgang von außerordentlicher Seltenheit ist und daher einer näheren Erläuterung bedarf. Eine Mitarbeiterin der Stadt erklärte, es gebe jedes Jahr ein Motto; und die abgelehnten Anträge hätten thematisch nicht zum Motto gepaßt. „Wir werden versuchen, den Menschen andere Fördermöglichkeiten zu suchen, damit sie ihre Projekte trotzdem durchführen können.“ Der Ausschuß nahm – mit einer Ausnahme – diese Erklärung mit großer Erleichterung auf.
Zum „Jahresbericht 2021/2022 der Gleichstellungsstelle der Stadt Oberhausen (M/17/3379-01)“ gab es keine Wortmeldungen.
Unter TOP 3 sprach Dr. Martin Florack, Leiter des Bereichs Integrierte Stadtentwicklung und Statistik und des WICA (Wissenschaftscampus NRW) ausführlich über das „Integrierte Stadtentwicklungskonzept“. Als Bestandteil des Konzeptes gibt es einen „Kulturentwicklungsplan“, der unter sehr breiter Beteiligung auch von „freien Trägern“ in Arbeit ist. Der Kulturentwicklungsplan wird extern entwickelt. Aus dem etwa halbstündigen Vortrag war insgesamt ersichtlich, daß es sich um eine sinnfreie Planung im luftleeren Raum handelt, in dem die Verwaltung um sich selber kreist.
Wir freuen uns daher, daß Dr. Florack, Jahrgang 1977, als studierter Politikwissenschafter (und damit für das Thema Stadtentwicklung ideal prädestiniert), eine gut dotierte Stelle bei der Stadt Oberhausen gefunden hat. Denn wenn er etwa 15 Jahre früher geboren worden wäre, hätte er mit seinem Studium höchstens Taxifahrer oder Platzanweiser im Kino werden können.
Ein neuer Stern am Kunsthimmel: Kunsthaus Mitte.
Herr Thomas Lehnen, aus Oberhausen gebürtig und seit 2017 wieder in Oberhausen, stellte sich als Leiter des Kunsthauses Mitte auf der Paul-Reusch-Straße vor. Danach ein gewisser Herr Leifert, der seit Januar 2022 im Kunsthaus Mitte arbeitet (lebt?!); davor ist er beim RVR gewesen.
Herr Lehnen erklärte, seit 2017 gebe es das Programm „Brauchse Job wir machen Kunst“, welches sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse anbietet. Das Kunsthaus Mitte ist seit 2018 in der Stadtmitte ansässig, um Kultur in Verbindung mit der Gesellschaft zu bringen. Seit 2019 gebe es Programme: Tanz, Performance, Kunst und Kochen, Kunst und Sprache, Kinder- und Jugendkino, einen „jährlichen Preis des Kunsthauses“, dazu Residenzkünstler im Kunsthaus Mitte.
Kooperationspartner seien u.a. Herz-Jesu-Kirche, ecce GmbH, Kreativquartier Ruhr, das Kulturbüro, das Stadttheater, ein Supermarkt, Internationales Tanzzentrum Zollverein usw. Man biete den Menschen Stabilisierung durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Man wolle Menschen aller Richtungen an der Kunst beteiligen, viel Dialogarbeit leisten, Auseinandersetzung, Offenheit und Zugänglichkeit usw.
Die meisten Projekte werden durch die Stadt Oberhausen finanziert. Es beteiligen sich aber auch andere Institutionen und Einrichtungen (u.a. die Sparkasse, ecce GmbH, RVR Interkultur, der Fonds darstellender Künste usw.).
Vom Etat des Kunsthauses Mitte werden dauerhaft 10 Prozent durch Oberhausen finanziert. Die Gelder seien projektbezogen und müßten mühsam beantragt und verwaltet werden. Es sei schwierig, mit den Geldern Miete und dergleichen zu finanzieren, weil das so nicht vorgesehen sei. Das alles kostet Geld. Man habe ca. 15 Menschen beschäftigt bzw. je nach Projektdichte bis zu 25. Die meisten sozialversicherungspflichtig, aber in Teilzeit. „Die gesamte Verwaltung, das alles muß bezahlt werden.“
Das Kunsthaus Mitte sei eines von vier Kunsthäusern in NRW, die gefördert würden.
Der Ausschußvorsitzende Flore (SPD) freute sich über einen weiteren Baustein in der vielfältigen Oberhausener Kulturszene.
Herr Scherer (SPD) erklärte, Herr Lehmen sei in den letzten Wochen im politischen Raum aufgetaucht. Die SPD habe sich das Kunsthaus Mitte vor zwei Wochen angeschaut. Dort gebe es ein hohes Niveau künstlerischer Betätigung. Er freue sich, daß es weiter gehe.
Wir freuen uns auch!
Creative City: Förderung von Verwaltungsstrukturen.
Erfahrene Arbeitnehmer wissen: Sobald die Geschäftsleitung mit englischen Ausdrücken um sich wirft, geht es der Firma schlecht! Auch hier ist die „kreative Innenstadt“ nur eine wohlmeinende Umschreibung für die Verbrennung von Steuergeldern.
Dr. Dresen von Fraunhofer UMSICHT hielt einen Vortrag über zum Projektstand Creative City (TOP 5). Während des Vortrages fielen einige interessante Anmerkungen. So mietet die Stadt zunehmend Räume im Europahaus an (als Ersatz für den nicht finanzierbaren bzw. abgelehnten Kauf?!). Auch im Rahmen des Projektes Creative City finden Anmietungen dort statt.
Hinweis: Im Haupt- und Finanzausschuß (8. Mai) und dann in der Ratssitzung am 15. Mai wurde der von der SPD geforderte Sachstandsbericht zum Europahaus (M/17/3426-01) vorgestellt, in welchem es abschließend heißt:
„Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Machbarkeitsstudie und der beabsichtigten Ertüchtigungsmaßnahmen der Eigentümerin schlägt die Verwaltung vor, den Ankauf der Immobilie und eine Entwicklung zu einem Mehrgenerationenwohnkomplex nicht weiter zu verfolgen.
Allerdings beabsichtigt die Stadt im Rahmen des Creative-City-Projektes – unter Inanspruchnahme von Fördermitteln – für einen Zeitraum von 3 Jahren die Räumlichkeiten des ehem. Pelz-Geschäftes Große-Segerath im Europahaus anmieten. In die Räumlichkeiten soll die Artothek aus dem Schloss Oberhausen temporär verlagert und ein Künstlertreff entwickelt werden. Auf diese Weise wird die Stadt einen Beitrag zur Attraktivierung des Wohn- und Geschäftsstandortes Europahaus beitragen.“
Kulturdezernent Tsalastras erklärte zu Creative City, es sei ein riesengroßer Verwaltungsaufwand mit dem Projekt verbunden. Wegen des Fördervolumens seien europaweite Ausschreibungen notwendig. Die Bewertung des Kulturbüros in Zusammenarbeit mit der Vergabestelle der Stadt sei ein riesiger Aufwand. Die Idee sei, Geld in den Aufbau von Strukturen zu stecken, um Leute aus der Kunstszene anzuziehen. Nach dem Ende des Projektes müßten sich dann – hoffentlich – die geschaffenen Strukturen durch die Beteiligten selber tragen: „Wenn das Projektende kommt, hoffe ich, daß alle Kreativen ihre Fördergelder bekommen, damit sie dort bleiben können.“
Dr. Dresen ergänzte, daß sich Planungsbüros bewerben sollen: „Es werden Strukturen gefördert.“ Er bzw. sein Institut könne „vielfältige Förderungen organisieren.“ Das Programm sei nicht darauf angelegt, mit 3 Mio. € Projekte zu fördern. Das habe bei einer kürzlich stattgefundenen Versammlung (Informationsveranstaltung zu Creative City) von Interessenten Irritationen ausgelöst, da alle gedacht haben, sie könnten einen Teil davon für eigene Projekte abzweigen.
Das Stadttheater expandiert.
Zum Zwischenbericht der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung Theater Oberhausen (M/17/3393-01) merkte Frau Wolter (CDU) als positiv an, daß die Auslastung des Theaters (alle Einrichtungen) 74 Prozent betrage und sich damit gegenüber 2018 (57 Prozent) beträchtlich gesteigert habe.
Wir reichen hier nach: Für 35.390 Besucher werden aktuell 12.068.000 € an Steuergeldern aufgewendet. Das sind pro Besucher 341 € pro Jahr, was einer jährlichen pro-Kopf-Belastung der Bevölkerung Deutschlands in Höhe von 0,0004 Cent entspricht. Billiger kann man Kultur nicht machen!
Unter TOP 8 erstattete die Intendantin Frau Dr. Mädler den mündlichen Bericht über den Spielplan 2024/25 des Stadttheaters. Nach „einen kurzen Überblick über die großen Themen“ der Spielzeit – mit vielen „*innen“ – folgte ein interessantes Detail:
Gegen Ende der Spielzeit wird der Veranstalter Kama-Frankl in Zusammenarbeit mit Kwame Osei ein Tanzstück am Stadttheater aufführen. Beide sind seit dem großzügig geförderten Afro Light Festival vom 27. 8. 2022 in der örtlichen Kulturszene bekannt. Herr Osei hat ein New-Wave-Ensemble, mit dem mehrere Projekte durchgeführt werden sollen. Inhaltlich soll u.a. „alltäglicher Rassismus“ künstlerisch umgesetzt werden. „Urban Dance“ soll mit Fördergeldern als neue Sparte des Stadttheaters aufgebaut werden. Die Förderung erfolgt ab August 2023 mit einer halben Million € pro Jahr. Die Dauer der Förderung beträgt 3 Jahre. Die Hälfte der Mittel gehen als Fixkosten dauerhaft ans Theater. Es werden sechs Tänzer-Vollstellen dadurch finanziert.
Wir erlauben uns in diesem Zusammenhang einen Hinweis auf die Veranstaltung „Politik der Transformation“ am 10. 11. 2022 als „Auftakt des Wissenschaftscampus NRW“, an der auch Frau Dr. Mädler teilgenommen hatte. Sie brachte „den künstlerischen Blick auf Transformationsprozesse“ ein und erklärte:
„Politisches Theater hat verschiedene Aspekte. Ich sehe da Theater als zutiefst demokratischen Ort und als Erfahrungsraum. Es ist ein demokratischer Raum der Empathie, weil ich mich eben in verschiedene Perspektiven hinein begeben kann. Theater gibt keine Antworten, sondern stellt Fragen.“1